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Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und sein Vize, Minister Robert Crumbach (BSW), im Landtag.

© dpa/Fabian Sommer

Update

Trotz Nein der Wagenknecht-Partei : Brandenburg stimmt Rundfunkreform zu

Die CDU-Opposition führt mit dem Ja zu den Medienstaatsverträgen das SPD/BSW-Regierungsbündnis von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vor.

Stand:

Nur Brandenburg fehlte noch, als letztes Bundesland. Und am Ende ging es schnell. Nach schweren Erschütterungen in der SPD/BSW-Koalition hat das Landesparlament in Potsdam am Mittwoch den Weg für die deutschlandweite Rundfunkreform von ARD, ZDF und Deutschlandradio freigemacht – gegen das mehrheitliche Nein der Wagenknecht-Partei und gegen das der extrem rechten AfD.

Für die beiden Staatsverträge stimmten die SPD, die oppositionelle CDU und BSW-Finanzminister Robert Crumbach. Er scherte aus der Veto-Linie von Sahra Wagenknecht, Landespartei und Fraktion aus. Ohne das Brandenburger Ja wäre die Rundfunkreform in Deutschland gescheitert.

In der namentlichen Abstimmung gab es für beide Verträge 45 Ja-Stimmen, 39 Abgeordnete votierten mit Nein. Die parteilosen Abgeordneten Melanie Matzies, Jouleen Gruhn und Andre von Ossowski, die im Konflikt aus dem BSW ausgetreten waren, verließen vor der Abstimmung den Saal. Der Abgeordnete Reinhard Simon, der ebenfalls das BSW verlassen hatte, stimmte auf Parteilinie mit Nein.

Die Brandenburger SPD/BSW-Koalition, die einzige in Deutschland, hatte damit erstmals bei einer Parlamentsabstimmung seit Bildung vor einem Jahr keine eigene Mehrheit. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) duldet das, wie er bereits vor Beginn der Sitzung deutlich machte. Es gehe um „die Zustimmung des Landtages insgesamt, und die wird es geben“, sagte Woidke.

Mehr sei dazu nicht zu sagen. Die SPD hatte zuletzt für künftige Abstimmungen Loyalität und Einhalten des Koalitionsvertrages vom BSW gefordert.

Doch das Bündnis überstand damit – vorerst – diese bisher härteste Belastungsprobe. Bei anderen Abstimmungen im Plenum gab es am Tage keine Ausreißer in den rot-lila Reihen.

BSW-Kritik am öffentlichen Rundfunk

In der Debatte verteidigte der Abgeordnete Frank Peschel das Nein des BSW. Er beklagte eine seiner Meinung nach politisch einseitige Berichterstattung in ÖRR-Anstalten, eine angebliche Abkehr von pluralistischer Berichterstattung, etwa bei Themen wie Frieden, und den aus seiner Sicht zu großen Einfluss der Politik. „Unsere mehrheitliche Ablehnung ist keine Stimme gegen, sondern für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, sagte Peschel.

CDU-Fraktionschef Jan Redmann konterte so: „Ihnen geht es nur um eine Medienshow! Das ist für eine Regierungspartei unwürdig.“ Die Reform ermögliche geringere Kosten, doch „BSW und AfD wollen keine niedrigeren Beiträge“. Für die SPD verteidigte der Abgeordnete Erik Stohn die Reform und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk „als Fels gegen Desinformation“.

Woidkes Staatskanzlei-Ministerin Katrin Schneider warb um Zustimmung, und zwar „nicht nur, weil wir als letztes Land unter besonderem Druck stehen, sondern weil es für den Schutz von Kindern und Jugendlichen notwendig ist“, sagte Schneider. „Nicht-Zustimmung wäre Stillstand.“

Woidkes Kabinett hatte im Frühjahr beiden Medienstaatsverträgen mit dem Ja der BSW-Minister und ohne Widerspruch des damals anwesenden BSW-Fraktionschefs Niels-Olaf Lüders zugestimmt. Drei der vier BSW-Abgeordneten, die im Zuge des Zoffs wegen „autoritärer Tendenzen“ aus der Wagenknecht-Partei ausgetreten waren, aber in der Fraktion bleiben, verließen vor der Abstimmung im Parlament den Saal.

Benda gegen Crumbach-Rücktritt

In den letzten Tagen waren die schon vorher lange schwelenden Konflikte im Brandenburger BSW, die mit dem Poker um den Staatsvertrag ausgebrochen waren, immer weiter eskaliert. Zuletzt hatte BSW-Vize-Fraktionschef Christian Dorst den eigenen BSW-Finanzminister Robert Crumbach aufgefordert, sein Landtagsmandat niederzulegen. Dorst gehörte zu denen, die die harte Linie von Wagenknecht und Landesparteichefin Friederike Benda zur Rundfunkreform – und damit einen einstimmigen Beschluss des Bundesvorstands – in der Fraktion durchgesetzt hatten.

Zur Rücktrittsforderung von Dorst ging Benda auf Distanz. „Robert Crumbach war unser Spitzenkandidat und hat selbstverständlich einen festen Platz in der Fraktion“, sagte sie.

Und auch BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht bemühte sich um Deeskalation. Sie räumte Versäumnisse ein und sprach sich für eine Entschärfung der innerparteilichen Konflikte aus. „Bei den Medienstaatsverträgen etwa hätten wir frühzeitiger unsere Bedenken anmelden müssen“, sagte Wagenknecht dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Das hatte aber keiner wirklich auf dem Schirm, weil wir eben eine so junge Partei sind und noch nicht diesen Referenten-Apparat haben, der in etablierten Parteien solche Aufgaben erledigt.“ Der Konflikt sei „kein Bruch der Koalition“.

Zu den Querelen im BSW in Brandenburg sagte Wagenknecht, die zuletzt hinter den Kulissen persönlich mit den Abgeordneten Reinhard Simon und Melanie Matzies gesprochen hatte: „Ich finde richtig, dass jetzt vor Ort das Gespräch und eine Lösung gesucht werden und man nicht gleich Leute aus der Fraktion ausschließt.“ Die Konflikte im BSW brodeln weiter. Die vier Abweichler durften in der Plenarsitzung am Mittwoch nicht ans Rednerpult.

BSW-Fraktionschef Lüders zeigte sich nach der Abstimmung versöhnlich: Das gegensätzliche Abstimmungsverhalten werde eine Ausnahme bleiben, sagte er. Vorrang habe nun, dass das BSW wieder mit einer Stimme auftrete. Man werde dazu „behutsam“ Gespräche führen.

So sprach Reinhard Simon, der frühere Schwedter Theater-Intendant, bereits versöhnlich von einem reinigenden Gewitter. „Ich bin Brückenbauer. Ich schließe eine Rückkehr in das BSW nicht aus.“

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