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Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) gratuliert Ulrike Poppe zu ihrer Wahl als Stasi-Beauftragte des Landes Brandenburg.

© Bernd Settnik

Von Thorsten Metzner: Ulrike Poppe einstimmig gewählt

Frühere DDR-Bürgerrechtlerin erste Stasi-Beauftragte des Landes Brandenburg / Zeitraum für Stasi-Überprüfung wird verlängert

Stand:

Potsdam - Brandenburg hat zwanzig Jahre nach der friedlichen Revolution erstmals eine Stasi-Beauftragte. Der Landtag wählte am Donnerstag einstimmig die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe in dieses Amt, das Brandenburgs als letztes ostdeutsches Land nun doch noch eingeführt hat. Die 56jährige war von der rot-roten Regierung nominiert und von der „Jamaika-Opposition“ aus CDU, FDP und Grünen unterstützt worden. Poppe sei eine „hochkompetente und kluge Frau“, die differenziert beurteile, sagte SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck nach der Abstimmung. Sie könne zu „wirklicher Aufarbeitung“, zu einem offeneren Klima im Umgang mit der Vergangenheit beitragen, Gräben überwinden helfen.

Poppe selbst wertete das klare Votum des Parlaments als Unterstützung für das schwierige Amt, das sie im Februar 2010 antreten wird. Sie sei vor dem „eisigen Wind in Brandenburg“ gewarnt worden, den sie jedoch nicht vorgefunden habe. Sie werde Opfer des SED-Regimes, aber auch Institutionen beim Umgang mit belasteten Mitarbeitern beraten, Aufklärungsarbeit an Schulen leisten. Sie werde keine Stasi-Belasteten jagen, sagte sie. „Ich will eine Atmosphäre, in der offen und vorbehaltlos über Erfahrungen in der Diktatur gesprochen werden kann.“ Bei der feierlichen Unterzeichnung ihres Vertrages kam es zu einem Zwischenfall. Eine ältere, unbekannte Frau platzte in den Raum, bezeichnete Poppe als „Strohfrau“, warf Platzeck vor, mit der „Stasi-zersetzten Landesregierung alle Achtung verspielt“ zu haben, und verschwand wieder. Poppe reagierte „mit Verständnis“. Es zeige, wie wichtig Opferberatung sei.

Die Entscheidung für Poppe wurde allgemein begrüßt. Es sei eine „hervorragende Wahl“, erklärte die Stasi-Bundesbeauftragte Marianne Birthler: Es sei „ein ermutigendes Zeichen für viele in Brandenburg, denen es bisher beim Thema DDR-Vergangenheit an Wahrheit und Klarheit fehlte“.

Nach den rot-roten Stasi-Erschütterungen in den letzten Wochen faste der Landtag ebenfalls einstimmig einen Beschluss, wonach sich Brandenburg im Bund dafür einsetzt, dass Abgeordnete und Regierungen auch über 2011 hinaus bei der Birthler-Behörde überprüft werden können. Die bisherigen Regelungen laufen dann nämlich aus. Der Antrag kam von der CDU-Opposition. Es war eine Premiere, dass dafür nicht nur FDP und Grüne, sondern auch SPD und Linke votierten. Gegenstimmen gab es keine. In den Reihen der Linken, wo jüngst bekannt gewordene Stasi-Verstrickungen mehrerer Abgeordneter die Koalition in eine Krise gestürzt hatten, enthielten sich drei Abgeordnete.

Der Umgang mit den Stasi-Erbe sorgt dennoch im Parlament weiter für Streit. Die CDU warf Platzeck vor, mit zweierlei Maß zu messen: Es sei unangemessen, kritisierte Vize-Fraktionschefin Saskia Ludwig, dass Platzeck alles auf „kleine Fische“, nämlich die Linke-Abgeordneten Gerd-Rüdiger Hoffmann und Renate Adolph, schiebe. Weil er seine frühere IM-Tätigkeit verschwiegen hatte, war Hoffmann aus der Fraktion ausgeschlossen worden; Adolph trat zurück. CDUFraktionschefin Johanna Wanka warf Platzeck „unverantwortliches Wegducken“ und „billige Ausreden“ vor, weil er sich auch am Donnerstag nicht zum Fall der Ex-Vizepräsidentin Gerlinde Stobrawa äußern wollte, die ihr Landtagsmandat behalten will. Platzeck hatte dies zuvor mit der Gewaltenteilung und der bevorstehenden regulären Stasi-Überprüfung des Parlamentes begründet. „Ich wünsche mir, dass wir wegkommen vom Schwarz-Weiß-Raster“, sagte er. SPD-Geschäftsführerin Klara Geywitz kommentierte die Attacken aus der Union so: Es sei eine „Ironie der Geschichte“, dass „unter der roten-roten Koalition eine Aufarbeitung eingesetzt hat, die in den zehn Jahren mit der Union nicht möglich war.“

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