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Von Thorsten Metzner: Umgang mit SED-Opfern soll im Land besser werden Gutachten für Enquete-Kommission bestätigt jahrelange Versäumnisse - Ruf nach Konsequenzen

Potsdam - Brandenburg galt lange als „kleine DDR“: Nun sollen erste Konsequenzen aus Versäumnissen im Umgang mit Verfolgten der SED-Diktatur gezogen werden. Nachdem diese jetzt ein Gutachten des Politologen Jörg Siegmund (Universität München) für die Enquete-Kommission des Landtages bestätigt, drängen Grüne, FDP und CDU auf zügige Verbesserungen.

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Potsdam - Brandenburg galt lange als „kleine DDR“: Nun sollen erste Konsequenzen aus Versäumnissen im Umgang mit Verfolgten der SED-Diktatur gezogen werden. Nachdem diese jetzt ein Gutachten des Politologen Jörg Siegmund (Universität München) für die Enquete-Kommission des Landtages bestätigt, drängen Grüne, FDP und CDU auf zügige Verbesserungen. Und die Chancen stehen gut, da auch SPD und Linke die Expertise als profund werten und den Handlungsbedarf sehen. „Die Regierung hat es nun Schwarz auf Weiß: Verfolgte der DDR-Diktatur erhielten in Brandenburg 20 Jahre zu wenig Gehör“, sagte die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg. Strukturen und Verfahren, Opfern zu ihrem Recht zu verhelfen, seien „dringend reformbedürftig“, erklärte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel.

Das Gutachten kommt zum Ergebnis, dass weder bei politischen Verantwortungsträgern, noch in der Bevölkerung – es gab hier weniger Begehren auf Einsicht in die Stasi-Akten als anderswo – das Interesse an einer aktiven Auseinandersetzung mit dem SED-Erbe stark ausgeprägt war. Brandenburgs Regierung fiel auch nie durch eigene Bundesratsinitiativen zugunsten von SED-Opfern auf. Stattdessen hatten es laut Gutachten politisch Verfolgte im Vergleich zu anderen Ost-Ländern schwerer, Wiedergutmachung zu erhalten und gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu finden. Ein Grund dafür sei, dass Brandenburg als einziges Ost-Land nach der Wende keinen Stasi-Beauftragten bestellte, wodurch Beratung und Betreuung dieser Klientel „sehr unbefriedigend“ war. Dies war erst 2009 mit der Wahl der früheren Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe nachgeholt worden. Das Gutachten hält auch den Brandenburger Sonderweg einer Trennung von Rehabilitierungs- und Entschädigungsbehörden – also doppelte Wege für Betroffene – für ungünstig. Andere Länder wie Thüringen haben beides zusammengefasst und bei den Sozialministerien angesiedelt. Und es gibt den auffälligen Befund, dass Brandenburg mit 43,8 Prozent nur auf eine niedrige Anerkennungsquote bei verwaltungsrechtlichen und beruflichen Rehabilitierungsverfahren kommt. In Thüringen sind es laut Gutachten 65,7, in Sachsen-Anhalt 54,5 Prozent. Die Gründe sind unklar. Vertreter des Innenministeriums verwiesen darauf, dass Brandenburgs Reha-Behörde besonders viele Bodenreform-Fälle bearbeiten musste, die jedoch nach Bundesgesetzen von vornherein abzulehnen waren.

Der Wissenschaftler Helmut Müller–Enbergs machte zudem nach Hinweisen von Opferverbänden darauf aufmerksam, wie hierzulande schon bürokratische Formalien brüskieren können: Es sei ein „Skandal“, dass die Antrags-Formulare für Entschädigungen an SED-Opfer die „Anträge auf Sozialhilfe“ seien. Das Siegmund-Gutachten bemängelt auch, dass Brandenburg eigene landesrechtliche Möglichkeiten zugunsten von SED-Verfolgten nicht genutzt habe, während etwa Thüringen Hilfen für Zwangsumgesiedelte oder Sachsen für vom DDR-Regime verfolgte Schüler gewährt. FDP und Grüne regten solche Landesentschädigungen nun auch in Brandenburg an, etwa für Opfer von Enteignungen an der West-Berliner Grenze. Trotz der Einigkeit, mehr für Opfer zu tun, brechen in der Enquete-Kommission regelmäßig Konflikte zum Umgang mit dem SED-Erbe auf: Die Opposition wertete es am Freitag als Affront, dass die Bestellung des DDR-Dopingexperten Giselher Spitzer – für Linke eine Reizfigur – als Gutachter für den Umgang mit dem DDR-Sporterbe im Land mit rot-roter Mehrheit abgelehnt wurde. Kritische Aufarbeitung sei weiter nicht gewünscht, so hieß es.

Die Enquete-Kommission will mit einer repräsentativen Meinungsumfrage untersuchen lassen, wie die Brandenburger den Umgang mit der DDR sehen.

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