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Kosten, die abheben. Milliardensummen fließen in den Pannenflughafen in Schönefeld.

© Ralf Hirschberger/dpa

Brandenburg: Und jetzt die nächste BER-Milliarde

Brandenburgs Regierung bringt plötzlich eine Landesbürgschaft für die Erweiterung des Flughafens ins Parlament ein. Die Opposition läuft Sturm. Ein Staatssekretär leistet Abbitte

Stand:

Neue Turbulenzen um die Finanzierung des unvollendeten Hauptstadt-Flughafens in Schönefeld: Brandenburgs rot-rote Landesregierung will nun kurzfristig einen weiteren Milliardenkredit für die Flughafengesellschaft ermöglichen, diesmal für die bereits zur geplanten Eröffnung 2017 nötige BER-Soforterweiterung. Seinen Anteil will Brandenburg über eine hundertprozentige Landesbürgschaft über 407 Millionen Euro für einen neuen Kredit der Flughafengesellschaft leisten. Am Freitag brachte Linke-Finanzminister Christian Görke – über einen Antrag der Regierungsfraktionen – überraschend eine entsprechende Vorlage in den Landtag ein, am Vorabend übermittelt, was bei der Opposition wegen des Eilverfahrens einen Sturm der Entrüstung auslöste. Damit sei die „nächste Bombe geplatzt“, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Und für den CDU-Finanzexperten Steeven Bretz setzt sich das „Chaos bei der Flughafenfinanzierung fort“. Brandenburg ist der erste Flughafengesellschafter, der die nötigen Finanzbeschlüsse für erste BER-Kapazitätserweiterungen fassen will. Das war eigentlich für nächstes Jahr erwartet worden.

Erst die eine Milliarde, nun gleich die nächste: Gerade erst soll die Flughafengesellschaft allein für den Fertigbau des BER, also die Sanierung des Terminals und den Umbau der Entrauchungsanlage von den Eigentümern Brandenburg, Berlin und Bund direkt 1,1 Milliarden Euro erhalten. Die Beschlüsse der drei Parlamente dafür sind noch nicht einmal gefallen. Nun soll im Doppelhaushalt für 2015/2016 zusätzlich eine einhundertprozentige Landesbürgschaft für die BER-Erweiterung verankert werden, womit Brandenburgs Bürgschaften am BER – und damit die Risiken – auf rund 1,3 Milliarden Euro anwachsen.

Die Opposition aus CDU und Grünen warf der Koalition „Trickserei“ und „Überrumplung bei einer Entscheidung dieser Tragweite“ vor, zitierte kurzfristig den amtierenden Aufsichtsratschef Rainer Bretschneider und Flughafenchef Karsten Mühlenfeld in den Ausschuss, die auch beide kamen. Die Drohung, auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kurz vor seiner am Freitag beginnenden Chinareise ebenfalls noch in den Ausschuss zu beordern, wurde nicht wahr gemacht.

Görke wies die Oppositions-Vorwürfe zurück. „Brandenburg wird seiner Verantwortung für das Vorhaben gerecht“, sagte Görke den PNN. Mit der Bildung eines neuen Sondervermögens von 407 Millionen Euro, für die das Land selbst ein zinsgünstiges Darlehen aufnimmt, finanziere Brandenburg seinen Anteil für den Fertigbau. „Und nun ermöglichen wir die nötigen Soforterweiterungen.“ Dass Brandenburg dies über öffentlich verbürgte Kredite ermöglichen will, könne niemanden überraschen, es sei im Parlament angekündigt worden. Und der Doppelhaushalt für 2015 und 2016 sei nun einmal jetzt im parlamentarischen Verfahren.

Die Kurzfristigkeit begründete Görke damit, dass die Flughafengesellschaft damit eine Grundlage bekomme, um Verhandlungen mit den Banken beginnen und das aktuell niedrige Zinsniveau ausnutzen zu können.

Seit einigen Tagen sorgt das für den BER in den nächsten Jahren benötigte Geld für Aufregung, hatte die Regierungschefs Berlins und Brandenburg, Michael Müller und Dietmar Woidke (beide SPD), in Erklärungsnöte gebracht. Wie die PNN publik gemacht hatten, hat das Bundesverkehrsministerium bei der EU-Kommission in Brüssel einen höheren staatlichen Zuschussbedarf für den neuen Flughafen angemeldet, nämlich 2,5 Milliarden Euro. Bekannt war bislang ein Rahmen von 2,2 Milliarden Euro. Öffentliche Aussagen, dass dies ein Alleingang des Bundes war, mussten Müller und Woidke inzwischen revidieren. Die Aufstockung war beiden Regierungen bekannt, ging aus Unterlagen für den BER-Aufsichtsrat hervor, wo Müller Mitglied ist und am 3.Juli den Vorsitz übernehmen will. Für Brandenburg übernahm am Freitag Flughafenstaatssekretär Rainer Bretschneider die Verantwortung für die Kommunikationspanne. Er habe den Ministerpräsidenten nicht informiert, „diese Kappe ziehe ich mir an“, sagte Bretschneider. Er habe den Sachverhalt nicht als Problem gesehen, weil die 2,5 Milliarden nicht benötigt werden. „Das gemeinsame Ziel mit der Flughafengesellschaft ist es, die 2,2 Milliarden Euro nach unten zu verringern. Das ist die Order.“ Auch Görke betonte, für Brandenburg sei klar, dass der Finanzrahmen für die Folgejahre maximal 2,2 Milliarden Euro betrage, keinen Euro mehr.

In den Flughafenfinanzen steckt weiter genügend Zündstoff, nicht nur, weil mit der noch nicht einmal bewilligten ersten Milliarde nun gleich die nächste Milliarde folgen soll. Flughafenchef Karsten Mühlenfeld irritierte die Opposition mit Aussagen, wofür die zweiten 1,1 Milliarden Euro gebraucht werden. Er sagte, dass die Flughafengesellschaft in den Folgejahren 900 Millionen Euro des alten 2,4-Milliarden-Kredits tilgen müsse. Bislang hieß es, dass 700 Millionen Euro für die Erweiterungen benötigt werden. Mühlenfeld erklärte den Widerspruch damit, dass der Flughafen das Gros der 900 Millionen Euro aus eigenen Gewinnen tilgen wolle. Weitere Nachfragen wollte Bretschneider unter Verweis auf „Geschäftsgeheimnisse“ nicht zulassen.

Eher nebenbei machte Bretschneider im Ausschuss publik, dass Brandenburg, Berlin und der Bund bereits in der Gesellschafterversammlung am 19.April beschlossen hatten, die zweiten 1,1 Milliarden Euro über öffentlich verbürgte Kredite zu finanzieren. Im Berliner Abgeordnetenhaus weiß das bisher niemand.

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