
© Benjamin Lassiwe
Verstößt gegen Kopplungsverbot: Brandenburgs Verfassungsgericht weist Volksinitiative zur Gesundheit ab
Die Initiative haben 26.000 Brandenburger unterschrieben. Das Landesverfassungsgericht erklärte sie nun für unzulässig – das sind die Gründe.
Stand:
Brandenburgs Landesverfassungsgericht hat die Volksinitiative „Gesundheit ist keine Ware. Krankenhäuser und Praxen retten“ für unzulässig erklärt. Die Initiative sei nicht hinreichend klar bestimmt gewesen und verstoße gegen das sogenannte Koppelungsverbot, sagte Gerichtspräsident Markus Möller.
„Für einen objektiven Betrachter muss klar sein, worüber er abstimmt, was Zielrichtung der Befassung ist und welche Folgen die Abstimmung hat.“ Eine erfolgreiche Volksinitiative begründe für den Landtag die Pflicht, sich mit dem Begehren der Volksinitiative zu befassen. Laut Brandenburger Verfassung könnten Volksinitiativen entweder einen konkreten Gesetzesentwurf vorlegen oder den Landtag zur Beschäftigung mit einem Thema auffordern. Das Urteil erging allerdings nicht einstimmig.
Doch die Initiative der freien Wähler war nur eine Aufforderung an den Landtag, ein Gesetz zu beschließen, ohne dass ein konkreter Gesetzesentwurf vorlag. Aus Sicht des Gerichts war das mit dem freien Mandat der Abgeordneten nicht vereinbar. Die von mehr als 26.000 Brandenburgern unterschriebene Initiative hatte das Ziel, alle Krankenhausstandorte im Land zu erhalten, die Investitionszuschüsse zu erhöhen und die Ansiedlung von Ärzten zu fördern seien.
Das Brandenburger Landärztestipendium sollte ausgeweitet und die Kosten für die Ausbildung zur „Praxisschwester“ übernommen werden. Der Parlamentarische Beratungsdienst des Landtags hatte der Initiative jedoch in einem Gutachten vorgeworfen, Forderungen zu bündeln, die „auf unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen beruhen, kein klar definiertes Rechtsgebiet bilden, sowie jeweils getrennt zur Abstimmung gestellt und Inhalt je eigenständiger Gesetze werden könnten“. Daraufhin wurde die Initiative vom Hauptausschuss des Landtags für unzulässig erklärt. Dagegen wehrten sich die Freien Wähler mit der Klage vor dem Verfassungsgericht.
Es gehört aber zwingend zum demokratischen Prinzip, ein solches Koppelungsverbot zu haben.
Stefan Korioth, Verfassungsjurist
In der Verhandlung am Vormittag hatte der Vertreter der Freien Wähler, der Potsdamer Verfassungsrechtler Thorsten Ingo Schmidt erklärt, die Einzelpunkte der Initiative richteten sich alle auf dasselbe Ziel: Eine Stärkung der medizinischen Versorgung im ländlichen Bereich. „Diese Aspekte stellen ein einzelnes Begehren dar“, sagte Schmidt. Zudem habe es in Brandenburg noch keine Entscheidung des Verfassungsgerichts gegeben, ob es überhaupt ein Verbot für Volksinitiativen gebe, unterschiedliche Themen miteinander zu verbinden. Das räumte auch der Vertreter des Landtags, der Münchner Verfassungsjurist Stefan Korioth, ein. „Es gehört aber zwingend zum demokratischen Prinzip, ein solches Koppelungsverbot zu haben.“
Er warnte vor einem „Wildwuchs“ von Volksinitiativen. Man müsse es den Bürgern überlassen, ob sie bei zwei oder drei Themen zwei oder drei Unterschriften geben wollen. „Das erhöht die Mitwirkungsmöglichkeiten des einzelnen Bürgers ganz erheblich.“
Jedes der Teilanliegen könnte auch für sich eine Volksinitiative bilden
Dem schloss sich das Gericht an: Wie Möller in der mündlich vorgetragenen Begründung ausführte, wiesen die vier Teilanliegen der Volksinitiative tatsächlich nicht den nötigen inhaltlichen Zusammenhang aus. Die Volksinitiative verfolge zwar eine übergeordnete Zielsetzung, die aber nicht genüge, um die unterschiedlichen Handlungsvorschläge zu einer gemeinsamen Materie zu verbinden. Jedes der Teilanliegen könnte auch für sich eine Volksinitiative bilden.
„Bedenken, dass sich aus dem Koppelungsverbot eine zu weite Einschränkung der direkten Demokratie ergebe, greifen nicht“, sagte Möller. Doch künftige Volksinitiativen, die den Brandenburgern zur Unterschrift vorgelegt werden, werden sich an diesem Urteil messen lassen müssen: Nur im Ausnahmefall wird es noch möglich sein, für mehr als ein konkretes Anliegen Unterschriften zu sammeln.
Ausführlich widmete sich das Gericht auch der Frage, ob die Volksinitiative ein konkretes Gesetz hätte vorlegen müssen. Denn der Text der Volksinitiative forderte den Landtag nur auf, ein Gesetz zur Gesundheitspolitik zu erlassen, das einen bestimmten Inhalt haben müsse. „Hat das eigentlich rechtliche Verbindlichkeit?“, fragte Möller in der Verhandlung. „Oder wäre es am Ende ganz unverbindlich geblieben?“ Und hätte man die Unterzeichnenden nicht darauf hinweisen müssen?
Der Landesvorsitzende der Freien Wähler, Péter Vida, erinnerte daran, dass auch die erfolgreiche Volksinitiative zu den Straßenausbaubeiträgen nur einen Gesetzesentwurf gemacht habe. Und Schmidt verwies darauf, dass die Abgeordneten die Vorlage ja auch ablehnen könnten. Korioth verwies dagegen darauf, dass es sich bei der Vorlage um eine „verkappte Gesetzesvorlage“ handele, die aber nicht die Anforderungen an eine Gesetzesinitiative erfülle. Und dieser Position schloss sich das Gericht am Ende an.
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