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Überfüllt. Auch Brandenburg ist von den derzeit rasant steigenden Flüchtlingszahlen betroffen. Allein in der teilweise ohnehin maroden Aufnahmestätte Eisenhüttenstadt mussten zusätzlich Container mit 100 Plätzen errichtet werden.

© Patrick Pleul/dpa

Asylbewerber: Vier Landkreise mauern bei Flüchtlingsaufnahme

CDU-Landtagsfraktionschef Dieter Dombrowski kritisiert die rigide Praxis in einigen Kreisen. Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und Barnim nehmen nicht genügend Asylbewerber auf.

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Eisenhüttenstadt - Unter Innenminister Jörg Schönbohm stand Brandenburgs Union für eine rigide Ausländerpolitik und Abschiebepraxis selbst bei Härtefällen. Doch nun überrascht CDU-Landtagsfraktionschef Dieter Dombrowski, zugleich Generalsekretär der Landespartei, mit neuen Tönen. Nach einem Besuch der in Eisenhüttenstadt ansässigen Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber für das Land forderte Dombrowski am Montag humanere Lebens- und Arbeitsbedingungen für Flüchtlinge in Brandenburg – und eine großzügigere Aufnahmepraxis der Bundesrepublik: „Ich denke, dass wir ein anderes Zuwanderungsrecht brauchen“, sagte Dombrowski den PNN.

Seine länger geplante Visite in Eisenhüttenstadt, wenige Tage vor einer Aktuellen Stunde im Landtag zur Lage von Flüchtlingen in Brandenburg, ist keine Ausnahme. Zur Verwunderung selbst mancher Parteifreunde besucht Dombrowski derzeit alle Asyleinrichtungen der Mark. Dass das in der Union eher ungewöhnlich ist, sei ihm bewusst, sagt er, einen Widerspruch sieht er darin nicht. Er sei selbst Flüchtling gewesen, habe sich seit seiner Flucht aus der DDR in den Westen in internationalen Menschenrechtsorganisationen engagiert, tue dies aktuell etwa für zum Tode Verurteilte in Saudi-Arabien. Und bei Terminen mit Asylbewerbern im Land stelle er immer wieder eins fest, sagte Dombrowski: „Es sind viele Menschen dabei, die wir gut gebrauchen könnten.“

Wie andere Bundesländer auch ist Brandenburg von den derzeit rasant steigenden Flüchtlingszahlen betroffen, was für erhebliche Schwierigkeiten bei der Unterbringung sorgt. Allein in der teilweise ohnehin maroden Aufnahmestätte Eisenhüttenstadt, eigentlich für 500 Bewohner ausgelegt, mussten Container mit 100 Plätzen errichtet werden. In Spitzenzeiten werden selbst die bereits knapp. Zudem sollen dort die Asylbewerber eigentlich nur maximal sechs Wochen, für die Dauer des Antragsverfahrens, leben, ehe sie über das Land verteilt werden. Nun müssen sie oft drei Monate und länger ausharren, weil Kreise ihrer Aufnahmepflicht nicht nachkommen, wie Stephan Bock, der Leiter der Einrichtung, berichtete. Der längere Aufenthalt wiederum führt zu Folgeproblemen. So gibt es in Eisenhüttenstadt keine Unterrichtsangebote, die bislang nicht nötig waren. Nun leben aktuell dort allein einhundert Kinder einige Monate. Man wolle eigentlich Deutsch-Unterricht anbieten, so Bock. Doch das Bildungsministerium ziehe – von einer Absichtserklärung abgesehen – bislang nicht mit.

Trotz rechtzeitiger Prognosen haben nach Worten Bocks Landkreise nicht die nötigen Kapazitäten geschaffen, nehmen nicht genügend Asylbewerber auf. „Da hakt es. Einige haben es schlicht verschlafen“. Das Gros der achtzehn Kreise und kreisfreien Städte ziehe inzwischen mit. Problemkreise seien der Kreis Barnim, mit dem es den größten Ärger gebe, Märkisch-Oderland, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming, so Bock. Dombrowskis Kommentar: „Ich finde es unverantwortlich, wenn Landkreise - die hier unter Landesbehörden sind - sich der Aufgabe entziehen, Kapazitäten in einer Qualität vorzuhalten, wie man es in einem zivilisierten und wohlhabenden Land wie Brandenburg erwarten kann.“

Am Donnerstag wird sich der Landtag in einer Aktuellen Stunde auf Antrag der Linken mit dem Thema befassen: „Flüchtlingspolitik weiter verbessern - Flüchtlingen in Brandenburg ein menschenwürdiges Leben ermöglichen!“ In Eisenhüttenstadt registriert man erleichtert, dass die Flüchtlingsströme im Sommer 2012 die Politik aufgeschreckt haben. Die rot-rote Regierungskoalition hat jetzt grünes Licht für die jahrelang immer wieder verschobene Sanierung des „Männerhauses“, das sich im Inneren in einem katastrophalen Zustand befindet, und auch für den ebenso überfälligen Neubau des „Familienhauses“ gegeben. Seit zehn Jahren habe man auf die „erbämlichen Zustände“ hingewiesen, sei immer wieder vertröstet worden, berichtete Bock. Doch es gebe inzwischen einen Bewusstseinswandel, auch in der Politik. „In den letzten Monaten waren zehnmal so viel Politiker und Journalisten hier wie in den zehn Jahren vorher.“Thorsten Metzner

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