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Brandenburg: Völkerkundler gesucht

In Brandenburg gibt es zu wenig Imker und Bienen – der Imkerverband versucht nun, junge Leute für das Hobby zu begeistern

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Reiner Gabriel ist gespannt. „Mal sehen, wie viele überlebt haben“, sagt der Imker. Er ist unterwegs zu seinen Bienenvölkern. Seit dem Spätherbst ist Gabriel nicht mehr auf der Wiese im Dorf Glienick gewesen, wo neben der Pferdekoppel sein Bienenwagen steht: ein alter DDR-Wohnwagen, ausgeschlachtet und umgebaut zum Bienenhaus. Jetzt ist es seit einigen Tagen frühlingshaft, der Winter wohl vorbei, und Gabriel muss schauen, wie die Bienen den Winter überstanden haben.

Mit dabei ist Jens Frick. Der Potsdamer Rechtsanwalt wurde vor Kurzem vom Vorstand des Landesverbands zum Obmann für Rechtsfragen berufen. Jetzt liebäugelt er damit, sich selbst Bienen anzuschaffen. Von Gabriel, der auch der Vorsitzende des Landesverband Brandenburgischer Imker ist, will er lernen, wie es geht, ihn in dieser Saison regelmäßig begleiten. Reiner Gabriel ist sein Imkerpate.

„Es gibt definitiv zu wenig Menschen, die sich noch mit der Bienenzucht abgeben“, sagt Gabriel. Und demzufolge auch immer weniger Bienen im Land. 4,5 Völker pro Quadratmeter sind nötig, um das ökologische Gleichgewicht zu halten, sagt er. „Jetzt sind es in Brandenburg nur noch 0,9 Völker.“ Die Obstzüchter bezahlen bereits dafür, dass jemand seine Bienen in deren Terrain stellt. Denn ohne Bienen gibt es nicht nur keinen Honig, auch werden die Obstbäume immer weniger bestäubt. „Das ist eine ernste Gefahr!“ Während in der DDR Bienenhonig Mangelware war und gern gegen andere Gefälligkeiten getauscht oder teuer verkauft wurde, wird auch in Ostdeutschland mittlerweile zumeist Import-Honig gekauft, aus Südamerika, China, den USA und Kanada.

Reiner Gabriel aus Blankenfelde hat noch Bienen. 15 Völker waren es bei der letzten Volkszählung. Vor 40 Jahren begann der ehemalige Flugzeugmechaniker mit seinem Hobby, weil er an Rheuma litt. Das Gift der Bienen soll antientzündlich sein. Doch gestochen wird Gabriel eher selten. Ruhige Bewegungen sind wichtig, sagt er, außerdem habe er seinen Räucherofen dabei. Die leichten Rauchwolken gaukeln den Bienen vor, es bestünde Gefahr, so dass sie sich darauf konzentrieren, Proviant für die Flucht einzusammeln, anstatt den Menschen anzugreifen. Die kurze Zeitspanne, bis die Honigbienen den Schwindel aufdecken, nutzt Gabriel, um den Rahmen in der Beute zu lockern und vorsichtig herauszuziehen. Mit einem gezielten Klaps auf die Kante schüttelt er die Bienen ab und schaut nach, was in den Waben ist. „Oh, hier haben wir ein Brutnest, wunderschön, das Volk explodiert förmlich“, sagt er erfreut. Hier müsste auch irgendwo die Königin sein, aber er will nicht lange suchen und stören. Es reiche völlig, wenn man frische Stifte, die Eier der Königin, sehen kann.

Während eine Sommerbiene nur bis zu 40 Tage lebt, muss die Winterbiene sechs Monate durchhalten. Damit sie durch den kalten Winter kommt, obwohl ihr der Mensch zuvor die Honigvorräte abgenommen hat, bekommt sie im Herbst Zuckerlösung, das Winterfutter. Gabriel findet auf einigen Rahmen noch Reste davon und nimmt mit einem Werkzeug den wächsernen Verschluss ab, mit dem die Bienen die Vorräte versiegelt haben. „Der plötzliche Futterüberschuss führt dazu, dass die Königin in Stimmung kommt und mehr Eier legt“, sagt Gabriel. Nur noch einige warme Tage und die Obstbäume beginnen zu blühen, bereits jetzt tragen die Bienen frische Tracht ein, von Weiden und ersten Frühlingsblumen. Nahrung ist also da.

Nicht alle Völker haben jedoch die kalte Jahreszeit überlebt, eines hat die Königin verloren und ist verhungert, sagt er beim Blick auf den leeren Rahmen. Ein neues Volk kann hier einziehen, beispielsweise wenn sich ein zu groß gewordenes teilt und eine neue Königin züchtet. Die Varroamilbe findet er nicht. Nach wie vor ist der Parasit eine ernst zu nehmende Bedrohung für die Bienen, wenn er nicht regelmäßig bekämpft wird.

Alle zwei Wochen wird Gabriel jetzt nach den Bienen schauen, manchmal auch häufiger, wenn es viel Honig gibt. Den ersten könnte er im Mai ernten, wenn der Raps blüht. „Dann schaffe ich hier richtig viel weg“, sagt er lächelnd. Im Keller in seinem Haus wird der Honig aus den Waben geschleudert und abgefüllt – ein sortenreines Naturprodukt. Ein Volk liefert pro Jahr etwa 35 Kilogramm, manchmal auch etwas mehr. Für Gabriel beginnt die Saison mit 13 Völkern.

Bis 1990 gab es in Brandenburg etwa 160 000 Völker, heute sind es nur noch 25 000. Die meisten Bienen fliegen im Berliner Speckgürtel, je weiter weg, desto dünner die Bienen- und Imkerdichte. Viele ältere Imker wissen nicht mehr, wem sie ihre Bienen vermachen sollen, wenn sie selbst einmal nicht mehr da sein sollten. Allerdings sieht Gabriel einen Trend zurück zur Natur. Es gebe seit etwa zehn Jahren wieder junge Leute, die sich dafür interessieren. Imkern sei ein cooles Hobby. Der Verband hat deshalb das Patenschaftsmodell begründet und organisiert regelmäßig Informationsveranstaltungen, Schulungen für Nachwuchsimker in ganz Brandenburg, beispielsweise in der Volkshochschule Prenzlau, in Frankfurt (Oder), Cottbus und Teltow. In Schulen betreuen Verbandsmitglieder Imker-AGs. Die Alten geben ihr Wissen an die Jungen weiter.

Dabei werden auch Probleme diskutiert, Bienenkrankheiten und Parasiten wie die Varroamilbe. Die Imker ärgern sich auch, dass sich genetisch veränderte Pflanzen immer mehr großflächig ausbreiten. Die Biene kann man nicht einsperren, sie fliegt bis zu acht Kilometer weit und sammelt ein, was ihr gefällt. Ob der Honig aus genetisch veränderten Pollen schädlich ist, ist ungeklärt – aber nicht unmöglich, sagt Gabriel. Außerdem gehe durch den Anbau der Monokulturen die natürliche Pflanzenvielfalt verloren.

Reiner Gabriel macht weiter. Kürzlich brachte ihm jemand einen Baumstamm, in dem sich ein Völkchen angesiedelt hatte. Beim Fällen des Baumes war das Nest gefunden worden. Gabriel stellte den zurechtgesägten Stamm in eine Beute und siedelte die Tiere erfolgreich um.

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