Brandenburg: Wenn die Lichter ausgehen ...
Ein Forschungsprojekt untersucht das Krisenmanagement in der Region bei einem viertägigen Stromausfall. Brandenburg hält das Szenario für unrealistisch
- Matthias Matern
- Hannes Heine
- Stefan Jacobs
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Berlin/Potsdam - Das Telefon bleibt stumm, das Radio macht keinen Mucks und auch im Krankenhaus drohen die Lichter auszugehen: Ein Stromausfall hat die Region Berlin-Brandenburg für vier Tage lahmgelegt. In einer breit angelegten Studie im Auftrag des Bundesforschungsministeriums wird derzeit anhand der beiden Nachbarländer die Krisenfestigkeit Deutschlands im Falle eines sogenannten Blackouts untersucht. Das Forschungsprojekt „Tanknotstrom“, an dem unter anderem die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR), die Berliner Feuerwehr, die Charité sowie die Fachhochschule Brandenburg und private Unternehmen beteiligt sind, soll aufzeigen, wie Behörden, medizinische Einrichtungen und Unternehmen auf einen langanhaltenden Stromausfall vorbereitet sind. Im Mai 2012 soll die Studie abgeschlossen werden.
Für Berlin liegen wie berichtet bereits erste Ergebnisse vor. Demnach ist die Stadt nach Einschätzung von HWR-Professor Claudius Ohder nur unzureichend für einen langen Blackout gewappnet. Nur für wenige Einrichtungen gäbe es umfassende Vorschriften für eine Notstromversorgung. Bei den vorhandenen, dieselbetriebenen Notstromaggregaten in Kliniken und wichtigen Senats-Einrichtungen könnte zudem der Nachschub mit Treibstoff zum Problem werden, meinte der Wissenschaftler am Wochenende. Denn ohne Stromversorgung könnten auch die Tankstellen ihre Dieselvorräte nicht aus den Tanks pumpen. Verschärft werden würde die Situation, da alle Aggregate gleichzeitig anspringen würden.
Als einen weiteren Engpass hat die HWR die Kommunikation zwischen dem einzusetzenden Krisenstab, der bei Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) im Stadtzentrum angesiedelt wäre, und den Außenbezirken ausgemacht. Von der Senatsinnenverwaltung hieß es am Montag: „Eine Koordination der Maßnahmen wird bei einem vollständigen langfristigen Ausfall aller stromgestützten Kommunikationsmöglichkeiten natürlich erheblich behindert.“
Mit welchen Folgen im Land Brandenburg zu rechnen wäre, wird derzeit an der Fachhochschule Brandenburg analysiert. Ergebnisse lägen jedoch noch nicht vor, hieß es gestern. Im brandenburgischen Innenministerium jedoch hält man das Szenario für an den Haaren herbeigezogen. „Die Vorbedingungen sind nicht sonderlich realistisch“, meinte Ministeriumssprecher Wolfgang Brandt gestern. Generell jedoch seien im Land Brandenburg im Katastrophenfall zuerst die Kreise und kreisfreien Städte zuständig. „Die Stadt Cottbus müsste zum Beispiel sicherstellen, dass das Klinikum der Stadt einsatzbereit bleibt“, erläuterte Brandt weiter. Erst bei einer übergeordneten Notlage würde das Land die Einsatzleitung übernehmen. Dafür stünde die Koordinierungsstelle Krisenmanagement des Landes in Potsdam bereit. Auch der Einsatz nach dem schweren Busunfall am Schönefelder Kreuz im vergangenen Jahr sei von dort aus organisiert worden, so Brandt. Die Zentrale verfüge selbstverständlich über eine Notstromversorgung. Den notwendigen Treibstoff werde man im Ernstfall „schon herbeizaubern“.
Viel Zeit lassen dürften sich die Behörden dabei nach Ansicht der Berliner Feuerwehr aber nicht. Die meisten Funkstationen der Behörden hätten nur Batteriepuffer für maximal zwölf Stunden, meinte gestern Frieder Kircher, leitender Branddirektor in der Berlin. Danach müssten die Notstromaggregate einspringen. Manche hielten einen Tag durch, andere drei bis vier. „Dann muss nachgetankt werden“, sagte Kircher.
Indes scheinen auch Unternehmen das Risiko für unwahrscheinlich zu halten. Rund 130 Firmen in Deutschland hat das ebenfalls an dem Projekt beteiligte Berliner Beratungshaus HiSolutions AG zu ihren Krisenplänen befragt. „Viele verfügen zwar über einen Krisenstab, Notfallpläne gibt es aber nicht so häufig“, sagte gestern Robin Kroha, Sicherheitsexperte bei HiSolutions. Das Szenario eines so langen Blackout würde in den Betrieben sogar fast gar nicht durchgespielt. Die Investition in die Sicherheit sei aber ratsam. „Gemessen an dem drohenden wirtschaftlichen Schaden ist eine gute Vorbereitung weit günstiger“, sagte der Fachmann.
Und völlig abwegig ist ein extrem langer Stromausfall nicht. So waren im November 2005 im Münsterland rund 250 000 Menschen teilweise bis zu einer Woche von der Stromversorgung abgeschnitten. Unter der Last von Schnee und Eis in Verbindung mit starken Böen waren fast 70 Hochspannungsmasten in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen umgeknickt. „Oft sind es Kleinigkeiten, die zum Ausfall führen“, warnte Kroha.
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