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Brandenburg: Wilma Simon muss vor Untersuchungsausschuss

Die Ex-Finanzministerin und der langjährige Abteilungsleiter für Landesbeteiligungen Helmut Baesecke sollen im Mai aussagen

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Potsdam - Im Untersuchungsausschuss des Landtages zur Aufklärung der Brandenburger Enteignungs-Affäre um Bodenreformland sollen im Mai die ersten Zeugen vernommen werden. Wie der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion Christian Görke gestern bestätigte, will die Linke im Untersuchungsausschuss nächste Woche beantragen, dass am 23.Mai 2008 die frühere Finanzministerin Wilma Simon (SPD) und der langjährige Abteilungsleiter für Landesbeteiligungen Helmut Baesecke aus dem Finanzministerium angehört werden, das federführend die vom Bundesgerichtshof als „sittenwidrig“ gerügte Landnahme verantwortete. Das Land hatte 1999/2000 rund zehntausend Grundstücke unbekannter Neubauern-Erben in Landesbesitz überführt, womit sich die Brandenburger Praxis grundlegend von der in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder Thüringen unterschied. Vor allem Baesecke gilt dabei, wie es heißt, als „schillernde Schlüsselfigur“. Denn der Beamte ist im Parlament im Zusammenhang mit Affären kein Unbekannter. Sein Name taucht bereits in Berichten diverser Brandenburger Untersuchungsausschüsse auf, etwa zur Pleite der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) oder zu Millionenverlusten im Zusammenhang mit dem geplanten Schönefelder Großflughafen. All diese Affären hatte Baesecke zum Entsetzen vieler Parlamentarier aber unbeschadet überstanden. Im Parlament heißt es beredt: „Er weiß zu viel.“ Und als das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Brandenburger Praxis bekannt wurde, war es Baesecke, der auf der Pressekonferenz neben dem jetzigen Finanzminister Rainer Speer (SPD) als Kronzeuge versicherte, dass das Land vor der Inbesitznahme der 10 000 Grundstücke vergeblich, aber intensiv nach Erben gesucht hatte. Das Land, so Baesecke, sei regelrecht „durchpflügt worden“. Eine Aussage, die nach den Vergleichszahlen aus Sachsen nicht mehr zu halten ist.

Aber nicht nur das Finanzministerium ist im Visier: Vor der nächsten Sitzung des Untersuchungsausschusses am nächsten Dienstag wird die damalige Rolle des Potsdamer Justizministeriums, aber auch die des Bundes immer undurchsichtiger. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Bundestagsabgeordneten Kirsten Tackmann (Linke) hat die Bundesregierung jetzt noch einmal klargestellt, dass auch aus dem Bundesministerium der Justiz im Sommer 2000 Zweifel an der Brandenburger Praxis an das Potsdamer Justizministerium herangetragen wurden. Zuvor war demnach das Ministerium vom Deutschen Notarinstitut, ein Organ der Bundesnotarkammer, im Juli 2000 auf das umstrittene Vorgehen Brandenburgs „angesprochen“ worden. Es habe dann „auf fernmündliche Nachfrage“ beim Potsdamer Justizministerium die Auskunft erhalten, dass es sich gegen das Vorgehen des Landes „ausgesprochen“ hat. Ein solches Telefonat ist dem Potsdamer Justizministerium nicht bekannt. Außerdem hatte das Justizministerium in der Regierung keine rechtlichen Bedenken gegen die Praxis.

Unabhängig von den Widersprüchen bei den Informationsflüssen: Das Bundesjustizministerium ließe es auch bei der vagen Nachfrage bewenden, kritisierte Tackmann scharf. Es sei erstaunlich, wie leger das Bundesjustizministerium mit den Hinweisen des Notarinstituts umgegangen sei. Der Bund habe die Brandenburger Praxis damit hingenommen.

Und die Enteignungs-Affäre, insbesondere aber die Ausnahme-Praxis in Brandenburg, zieht weiter Kreise im Bundestag. Sie kam im Agrarausschuss in nichtöffentlicher Sitzung bereits zur Sprache und ließ Parteirücksichten zurückstellen. So war der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Jahr richtig wütend, nachdem er zusammen mit seinen Kollegen über die Hintergründe informiert worden war. Dies sei tatsächlich ein Skandal, meinte er und fühlte sich wie die Richter des Bundesgerichtshofes an „DDR-Zustände“ erinnert. Selbst für eine Sitzung hinter verschlossenen Türen ist solche Kritik an den eigenen, in Brandenburg mitregierenden christdemokratischen Parteifreunden ungewöhnlich. Etwas zurückhaltender, dennoch deutlich erkennbar gingen in der Sitzung am 13. Februar die Vertreter der Bundesregierung auf Distanz zur großen Koalition in Potsdam. Die parlamentarische Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium Ursula Heinen (CDU) betonte immer wieder, dass von allen Bundesländern nur Brandenburg das umstrittene, rechtlich unzulässige Verfahren gewählt habe. Und sie ergänzte ausdrücklich, dass dies wissentlich geschehen sei und damit in Potsdam auch bekannt war, dass das Land einen Sonderweg wählte, den andere Regierungen nicht für gangbar hielten. Und der Vertreter des Bundesjustizministeriums, ein Referatsleiter für offene Vermögensfragen erklärte, der Bund habe, obwohl ansatzweise informiert, sowieso nichts machen können, da Brandenburg ein privatrechtliches Verfahren vorgezogen habe. In der Auskunft schwang wiederum die Unterstellung mit, dies sei nicht zuletzt deswegen geschehen, um sich jeder Mitsprache von außen entziehen zu können. Die Linke vermutet, dass sich der Bund aus Eigeninteresse zurückhielt. Denn der Bund hatte sich im Prinzip einen Anspruch auf die fraglichen Flächen vorbehalten und wäre bei anderen Verfahren auch in der Lage gewesen, zu intervenieren. Der Potsdamer Untersuchungsausschuss hat noch viel zu tun.

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