
© Bernd Settnik
Bericht des Rechnungshofs Brandenburg: „Wir decken lieber selber auf!“
Der Rechnungshof hat seinen Jahresbericht zur Verschwendung vorgelegt. Man wurde wieder fündig. Neuerdings mahnen die Finanzkontrolleure aber auch, wo mehr Geld ausgegeben werden muss.
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Potsdam - Brandenburgs Rechnungshofpräsident Christoph Weiser war in seinem Element, als er am Montag im Landtag am Alten Markt den „Jahresbericht 2016“ der obersten Finanzkontrollbehörde an die Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) übergab. Und als er anschließend dann das Werk, 238 Seiten, Hochglanz, in den blau-weißen Farben des Hofes, gemeinsam mit dem Direktoren-Kollegium der Öffentlichkeit präsentierte.
Vorab aber hatte Weiser den inneren Drang, sich zu einem aktuellen Thema zu äußern. Nämlich zur geplanten Erhöhung der Abgeordnetendiäten, die nach dem 2014 beschlossenen Automatismusverfahren jetzt fällig wäre, aber nach einem negativen Echo im Parlament erst einmal zurückgestellt wurde. Ja, der Landtag habe da wirklich eine schwere Entscheidung, sagte Weiser. „Meine Tochter würde sagen, Sie haben die Arschkarte gezogen! Man kann nichts richtig machen.“ In der Sache bestärkte Brandenburgs oberster Finanzkontrolleur das Parlament aber ausdrücklich darin, das Automatik-Verfahren, gekoppelt an die Lohnentwicklung im Land, nicht in Frage zu stellen, sondern die Diätenerhöhung zu verabschieden. Es könne Ausschläge nach oben und nach unten geben, sagte Weiser. Wenn man dann aber doch jedes Mal debattiere, ob es in die politische Landschaft passt, „dann kann man sich den Automatismus gleich sparen“. Nach seinen Worten würde es reichen, wenn es zum Ende der Legislatur eine Evaluierung des Diätensystems gäbe und gegebenenfalls Parameter verändert würden. Und dann erzählte Weiser, dass im Januar 2016 die RTL-Sendung „Mario Barth deckt auf“ wegen des Prüfberichtes zum Flughafen BER beim Rechnungshof angefragt habe. „Wir haben dankend abgelehnt. Wir decken lieber selber auf“, sagte Weiser. Tatsächlich listet der Jahresbericht da wieder einiges auf, was im Umgang mit Geld schiefläuft im Land.
Leibniz-Institut Müncheberg mit Wellness für die Mitarbeiter
Das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) ist ein Forschungsinstitut mit Sitz in Müncheberg (Märkisch-Oderland), das Brandenburg und der Bund jährlich mit knapp 20 Millionen Euro finanzieren. Es hat 381 Mitarbeiter, davon 191 Wissenschaftler. Und es ist ein Arbeitgeber, der sich besonders intensiv um das Wohlbefinden der Belegschaft kümmert, fast wie eine hippe Internetfirma in Berlin – vom Volleyballplatz für alle bis zum 15–Euro-Massagegutschein für jeden zum Geburtstag.
„Alles wünschenswert“, aber jenseits des haushaltsrechtlich Zulässigen, wie Rechnungshofdirektor Thomas Kersting sagte. Für die Mitarbeiter der staatlich finanzierten Einrichtung gab es etwa zahlreiche Vergünstigungen und Erleichterungen. So gönnte das Zalf seinen Mitarbeitern großzügige Leistungen: Beschäftigte, die mehr als 55 Jahre alt sind, können etwa eine bezahlte Drei-Monats-Auszeit nehmen. „Als kreative Pause, um mit etwas Abstand auf die nächsten Jahre zu schauen“, wie den Prüfern erklärt wurde. Für 25 525 Euro wurde eine Telefonberatung angeheuert: „Führungskräfte und Mitarbeiter konnten alle beruflichen, persönlichen und familiären Anliegen anonym an diese Beratungsstelle richten.“ Auch im Gehaltsgefüge gab es Missstände. So habe der Rechnungshof eine Führungskraft abberufen, aber das höhere Gehalt über zwei Jahre weitergezahlt – das waren mehr als 225 000 Euro über zwei Jahre auf Kosten des Steuerzahlers. Und in einem weiteren Fall griff man zu einem Trick, um das Gehalt über den Tarifvertrag hinaus zu erhöhen – über einen zusätzlichen Beratervertrag. Das Institut sei vom Wissenschaftsministerium „an der langen Leine geführt worden“, so Kerstings Fazit. „Es schlichen sich Fehler ein.“ Das Ministerium und das Institut hätten allerdings inzwischen Gegenmaßnahmen ergriffen.
Filmförderung als intransparente One-Woman-Show
Das gemeinsame Medienboard Berlin-Brandenburg (MBB), eine GmbH beider Bundesländer, fördert Filmproduktionen, allein von 2004 bis 2013 flossen aus Brandenburg dafür 71 Millionen Euro. Künstlerisch erfolgreich, wie Oscars und andere Preise für geförderte Filme zeigen, sagte LRH-Direktor Hans-Jürgen Klees. Trotzdem sieht der Rechnungshof Missstände und Defizite. Und zwar zum einen in einer nicht transparenten Vergabepraxis. Der Rechnungshof kritisiert, dass die Entscheidung, welches Filmprojekt gefördert wird, am Ende allein von der MBB-Geschäftsführerin getroffen wird. Das sei bundesweit ein Novum, anderswo gebe es dafür Gremien. Zum anderen hält der Rechnungshof die Erfolgskontrolle nicht für seriös genug, die propagierten Regionaleffekte für überhöht. Nach den bisherigen „Berechnungsmethoden lässt sich schwer nachvollziehen, welchen konkreten Erfolg der Einsatz der Landesmittel bewirkt“, heißt es. Allerdings seien bundesweit die Berechnungsmethoden genauso. Einen Sonderweg Brandenburgs lehnt das zuständige Wirtschaftsministerium ab – ebenso einen Systemwechsel zu einer Filmförderung über ein Gremium. Zugesagt worden sei aber, so Klees, dass die Vergaben besser dokumentiert werden. Gerügt wird auch, dass die Korruptionsprävention des Medienboards „hinter dem Standard der Landesverwaltung zurückfällt“.
Brandenburgs Radwegenetz – gut gebaut, schlecht erhalten
Insgesamt 1010 Kilometer ist das Radwegenetz an Landesstraßen in Brandenburg groß. Für den Tourismus sind sie ein wichtiges Pfund, um Urlauber ins Land zu locken. Doch für die wird die Radtour im Land immer mehr zu einem Ausflug über Holperpisten. „Ein großer Teil der Radwege hat die durchschnittliche Nutzungsdauer von 15 Jahren erreicht“, so der Rechnungshof. Und für Erhaltungsmaßnahmen „am richtigen Ort, zum richtigen Zeitpunkt und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten“ steht dem Landesbetrieb für Straßenwesen nicht genug Geld zur Verfügung, nämlich 2,3 Millionen Euro jährlich. Und das, so warnt der Landesrechnungshof, wird für das Land langfristig teurer. Es gebe bislang kein Erhaltungsmanagement für die landeseigenen Radwege, der Zustand sei dem Ministerium nicht einmal bekannt gewesen, selbst der mittel- und langfristige Finanzierungsbedarf für die Erhaltung ließ sich nicht bestimmen, sagte Sieglinde Reinhardt, Vizepräsidentin des Rechnungshofes: „Es besteht dringender Handlungsbedarf.“
Die sozialen Dienste der Justiz ohne Überblick
Sie kümmern sich um entlassene Strafgefangene. Gemeint sind die sozialen Dienste der Justiz, die im Land ein Netz von 20 Beratungsstellen unterhalten. Zuständig ist das Oberlandesgericht (OLG), aber auch das Justizministerium. Bei der Prüfung stellte der Rechnungshof fest, dass sich keiner so richtig kümmert und die IT-Technik samt Datenschutz im Argen liegt. Trotz des Umgangs mit einer schwierigen Klientel gebe es kein Sicherheitskonzept für die Mitarbeiter. Und die Serverräume entsprachen häufig nicht den Standards, einer war in einem ehemaligen, aber offenen Sanitärraum untergebracht.
Und man hat bei der Einrichtung von Außenstellen offenbar den Überblick verloren, hieß es. So seien in der Stadt Rathenow – was nicht nachvollziehbar sei – gleich nah beieinander zwei Beratungsstellen eingerichtet, eine davon teuer angemietet. In einer anderen Stadt habe man eine Beratungsstelle in einer ehemaligen Direktorenwohnung in einem Gymnasium eingerichtet. Das habe das OLG zwar selbst moniert. Mit dem Sicherheitsargument, dass Termine mit Sexualstraftätern und Drogendealern „außerhalb der Räume des Gymnasiums zu realisieren“ seien, so der Rechnungshof. Doch eine schnelle Lösung sei nicht möglich gewesen. Ob die Direktorenwohnung im Gymnasium immer noch für die Beratung von früheren Häftlingen genutzt wird, ist nicht bekannt.
Zu späte Hochwasserhilfe
Beim Hochwasser 2013 hatte das Land schnelle, unbürokratische Hilfe versprochen. Das lief bei Agrarfirmen auch gut, nicht aber bei Kommunen und Privatleuten, wie der Rechnungshof feststellte. Zwei Jahre später war das Geld aber bei den Betroffenen teilweise immer noch nicht angekommen, was vor allem auch an der mit der Abwicklung betrauten Investitionsbank (ILB) lag. „Die ILB hat sich da oft alle Zeit der Welt gelassen“, sagte Rechnungshofdirektorin Reinhardt. In einem Fall habe die ILB neun Monate gebraucht, um 683,44 Euro für Sandsäcke zu bewilligen.
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