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Wahl zum Abgeordnetenhaus: Wowereit bleibt – aber Aus für Rot-Rot

Erschütterung bei der FDP, Jubel bei den Piraten und Unentschlossenheit bei den Grünen. Berlin hat gewählt und nur einer tanzt: Klaus Wowereit. Denn die SPD stärkste Kraft in Berlin. Die CDU landet auf Platz zwei.

Von Lutz Haverkamp

Stand:

Berlin - Die SPD und Klaus Wowereit heißen die Gewinner der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. Die Sozialdemokraten konnten ihr Ergebnis von 2006 nach einer Hochrechnung des ZDF aber nur knapp halten und müssen sich einen neuen Koalitionspartner suchen. Denn die mitregierende Linke verbuchte Verluste. Möglich wäre eine Koalition der SPD mit den Grünen. Die konnten mit ihrer Spitzenkandidatin Renate Künast zwar deutlich zulegen, verpassten ihr Wahlziel, stärkste politische Kraft zu werden, aber klar.

Eine weitere Niederlage muss die FDP hinnehmen. Die Liberalen scheiterten zum fünften Mal in diesem Jahr bei einer Wahl an der Fünf-Prozent-Hürde. Die erhoffte Trendwende durch den europakritischen Kurs der Parteispitze blieb damit aus. Selbst die NPD hatte mehr Wähler. Neu ins Abgeordnetenhaus ziehen die Piraten ein. Den Internetaktivisten gelang auf Anhieb ein Ergebnis von rund neun Prozent. Die Piraten ziehen damit erstmals in ein Landesparlament ein.

Die CDU konnte zwar zulegen, hätte aber nur mit der SPD eine Machtoption. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hatte sich vor der Wahl nicht auf eine Koalition festgelegt, rechnerisch kann er jetzt zwischen Christdemokraten und Grünen wählen. Wowereit begrüßte, dass seine Partei ihre Spitzenposition verteidigen konnte. Er kündigte Sondierungsgespräche mit den Parteien an, „mit denen das rechnerisch möglich ist“. „Ich werde mit sondieren“, sagte Künast dazu. Ihre Partei habe dazu schon „konkrete Vorstellungen“. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) würdigte den erneuten Wahlsieg der SPD in Berlin als außergewöhnlichen Erfolg. Der SPD-Spitzenkandidat und Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit habe mit dem dritten Wahlsieg in Folge eine neue Ära begründet, sagte Platzeck am Sonntag den PNN. Nach der Berlin-Wahl führt Matthias Platzeck die einzige rot-rote Koalition bundesweit. Trotz der Krise der Bundeslinken bereite ihm das „keine Sorge“, sagte Platzeck. Er erwarte nicht, dass Brandenburgs Koalition, die einen eindeutigen Rückhalt in der Bevölkerung habe, in unruhiges Fahrwasser gerate. Er gehe fest davon aus, dass die Zuammenarbeit mit Berlin nahtlos und gut fortgesetzt werde. Nach dem schlechten Abschneiden der Linken gibt es neue Forderungen nach einer schnelleren Ablösung der Bundesspitze. Der Landeschef von Mecklenburg-Vorpommern, Steffen Bockhahn, sagte dieser Zeitung, das Ergebnis sei eine „harte Quittung für die Performance der Bundespartei“. Der bisher für Juni 2012 geplante Wahlparteitag müsse „deutlich“ vorgezogen werden.

CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel wertete das Ergebnis seiner Partei als Erfolg. „Heute ist ein erfolgreicher Tag für die CDU“, sagte Henkel in der ARD. Mit der Abwahl von Rot-Rot habe die Partei ihr wichtigstes Wahlziel erreicht. Der Berliner FDP-Chef Christoph Meyer gestand eine „bittere Niederlage“ seiner Partei ein. Die Berliner Liberalen hätten sich nicht von Bundestrend absetzen können, sagte Meyer. Mit Blick auf ein Wahlergebnis von zwei Prozent fügte er hinzu, der „Markenkern“ der FDP sei „beschädigt“. FDP-Generalsekretär Christian Lindner bekräftigte derweil die Position seiner Partei in der Euro-Debatte. Man sehe „keinen Korrekturbedarf“, sagte Lindner im ZDF. Es gehe um mehr als einzelne Wahlen, nämlich „um Europa und einen harten Euro“. Der stellvertretende Berliner Fraktionsvorsitzende der FDP, Sebastian Czaja, fordert für die Liberalen den Rücktritt des Landesvorsitzenden Christoph Meyer. Czaja sagte dieser Zeitung: „Wir benötigen jetzt einen radikalen Schnitt als vollständige Erneuerung, die völlige Rückbesinnung auf den verloren gegangenen Wähler und eine umfassende Neupositionierung der FDP. Das einzig richtige Signal kann nur der Rücktritt von Christoph Meyer sein, der als Vorsitzender nicht funktioniert hat.“

Die Geschäftsführerin der Linksfraktion im Bundestag, Dagmar Enkelmann, sieht nach dem Ende der rot-roten Koalition nun die Gefahr einer „Zerreißprobe“ für die Bundespartei. Die Wahlbeteiligung lag mit 59,5 Prozent leicht über dem Wert von 2006 (58,0). Etwa 450 000 Bürger haben sich per Briefwahl beteiligt.

(mit ale/m.m./thm)

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