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Brandenburg: Wowereit fühlt sich verraten
Veröffentlichung von internen BER-Unterlagen durch Piraten hat Nachspiel
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Berlin - Klaus Wowereit war gar nicht amüsiert. Das machte der Regierende Bürgermeister kürzlich in einem Brief an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland, und den Vorsitzenden des Hauptausschusses, Fréderic Verrycken, deutlich. „Im Interesse einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Senat und Abgeordnetenhaus“, so schimpft Wowereit in dem Ende Juli verschickten Brief, der dieser Zeitung vorliegt, sehe er sich veranlasst, „an die notwendige Einhaltung von Geheimhaltungsregeln zum Schutz u.a. von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu erinnern“. Die Veröffentlichung interner Unterlagen könne „zu Nachteilen für das Land Berlin führen“.
Was war passiert? Die Piratenfraktion hatte einen Bericht Wowereits über die Aufsichtsratssitzung der Flughafengesellschaft auf ihrer Internet-Seite öffentlich gemacht, die Wowereit dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses als vertrauliches Dokument hatte zukommen lassen. Die Piraten stellen den Vorgang allerdings anders dar: Der Sachstandsbericht zum Flughafen, in dem es unter anderem um die Verzögerungen bei der Eröffnung und die zu erwartenden Mehrkosten geht, sei den Piraten aus anderer Quelle zugegangen, bevor das Dokument durch Wowereits Senatskanzlei verschickt wurde, sagt Martin Delius, bis vor Kurzem Fraktionsgeschäftsführer der Piraten und jetzt Anwärter auf den Vorsitzendenposten beim Untersuchungsausschuss zum Flughafen-Debakel. Wegen der großen öffentlichen Bedeutung des Themas habe man sich zur Veröffentlichung entschlossen.
Dennoch hat der Vorgang am 27. August nun ein parlamentarisches Nachspiel: Die sogenannte Sprecherrunde, der die führenden Fraktionsvertreter im einflussreichen Hauptausschuss angehören, wird an dem Tag wegen des Vorfalls nun das Thema „Vertraulichkeit von Unterlagen“ behandeln – was die Regierungsfraktionen vor allem als Nachhilfestunde für die Piraten verstehen dürften.
Denn der aktuelle Konflikt ist nur das jüngste Beispiel dafür, wie der Ruf nach Transparenz, eines der Kernthemen der Piraten, mit dem etablierten politischen Geschäft kollidiert. Koalition und Senat fühlen sich im Vorfeld des in Kürze startenden Untersuchungsausschusses zum Flughafen-Debakel zunehmend provoziert. Mitte Juli hatte die Piratenfraktion bereits Papiere zum Flughafen veröffentlicht, unter denen sich auch E-Mail-Wechsel mit Handy-Nummern von Flughafenmitarbeitern fanden.
Vertreter der Koalition, wie der SPD-Rechts- und Internetpolitiker Sven Kohlmeier, werfen den Piraten „Effekthascherei und Heuchelei“ vor, da sie zwar die Transparenzforderung vor sich her trügen, selbst aber auch nicht alle Vorgänge in den eigenen Reihen öffentlich machten. In der SPD stößt nun die Planung der Piraten, ihren bisherigen Fraktionsgeschäftsführer Delius zum Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses zu machen, zunehmend auf Vorbehalte: „Wer private Telefonnummern veröffentlicht, hat sich unverantwortlich verhalten“, sagt Kohlmeier.
Der Vorsitz des Untersuchungsausschusses steht nach der Mehrheitsverteilung im Parlament den Piraten zu – damit Delius wie geplant den Ausschuss leiten kann, benötigt er dafür allerdings bei der bevorstehenden Wahl auch Stimmen der Regierungskoalition. Die Mehrheit könnte jetzt wackeln. „Die Piraten übertreiben es gerade“, findet auch der CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici.
Martin Delius widerspricht. Der „Transparenzanspruch“ seiner Partei sei nun mal „schmerzhaft für die etablierte Politik“. Aber die Piraten legten es nicht darauf an, unbeteiligten Privatpersonen zu schaden. Bei der umstrittenen Veröffentlichung von E-Mails habe man deswegen nach der ersten Kritik die Telefonnummern von nicht relevanten Beteiligten unkenntlich gemacht. Im Falle des Flughafen-Berichts hingegen sei „das öffentliche Interesse höher zu bewerten als der Wunsch des Senats, bestimmte Dokumente vertraulich zu behandeln“.Lars von Törne
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