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Von Alexander Fröhlich: Zossener Stolpersteine
Streit um Kampf gegen Rechts: Initiative fühlt sich diffamiert, SPD-Landespolitiker zeigt Stadtchefin an
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Zossen – Engagement gegen Rechtsextremismus gehört in Brandenburgs Städten und Gemeinde zum guten Ton. In Zossen ist das anders: Morddrohungen an Häuserwänden gegen aktive Bürger, verwüstete Räume im „Haus der Demokratie“ und eine Bürgerinitiative, die sich gegen Angriffe aus dem Rathaus wehren muss.
Angefangen hatte es im Herbst 2008 mit Jugendlichen, die die Geschichte jüdischen Lebens in der Stadt an der Bundesstraße 96 wenige Kilometer südlich vom Berliner Ring erforschten. Vor einem Haus mit Internetcafé im Zentrum erinnern seit November zwei Stolpersteine an die jüdischen Bewohner. Der damalige Inhaber des Cafés ist bekennender Holocaust-Leugner, sein Geschäft war Treffpunkt von Neonazis. „Wenn ich gewusst hätte, dass Juden in dem Haus gewohnt haben, hätte ich dieses Haus nicht gekauft“, hatte er gesagt.
Schließlich hielten mehrere hundert Zossener eine Gedenkminute für die früheren jüdischen Bürger ab – auch als Zeichen gegen den Antisemiten in ihrer Stadt. „Neonazis waren dabei, die haben aus unserer Aktion einen Aufmarsch gestartet. Das war ein schockierendes Erlebnis für uns“, sagt Jörg Wanke (43). Es war der Auslöser, die Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ gründete sich, Wanke ist ihr Sprecher. Seither rumort es in der Stadt, die Initiative wird nicht nur von Neonazis der Gruppe „Freie Kräfte Teltow-Fläming“ – mit 50 Mitgliedern einer der aktivsten in Brandenburg, die die NPD im Wahlkampf unterstützt - bedroht, auch das Rathaus unterstellt ihr angeblich böse Absichten, insbesondere Bürgermeisterin Michaela Schreiber (parteilos). Schreiber reagierte bis gestern nicht auf eine Anfrage der PNN. „Solange wir in der Aktionsphase waren und die Bevölkerung gegen rechte Aufmärsche mobilisiert haben, war alles in Ordnung“, sagt Wanke. „Aber als wir selbstständiger wurden und die Leute wachrütteln wollten, dass wir grundsätzlich etwas tun müssen, da war es aus.“ So werde der Initiative vorgeworfen, gäbe es die Stolpersteine nicht, dann hätte die Stadt auch kein Ärger mit Neonazis. Oder die Initiative sei linkslastig und bekämpfe Linksextremismus nicht. Wanke sagt, nur ein Fünftel der Mitglieder habe ein Parteibuch. „Wenn wir hier ein Problem mit islamistischen oder linken Extremisten hätten, würden wir uns auch wehren.“
Probleme aber gibt es laut Wanke nur mit Neonazis. Im Juli beschmierten Unbekannte mit brauner Farbe das Haus, in dem er sein Versicherungsbüro hat: „Volksverräter“ und „linke Sau“. Auch ein Aufkleber der „Freien Kräfte“ wurde gefunden, sie gerieten in Verdacht. Die Lokalpresse aber veröffentlichte unkommentiert Passagen aus einer Mitteilung der Neonazi-Gruppe, die sich von dem Anschlag distanzierte und gar Antifa und Landesverfassungsschutz der Tat bezichtigten.
Ende August dann stand an einem anderen Haus „Zossen bleibt braun“ und „Jörg Wanke wird bald sterben“. Ein anderes Mal fotografierten Rechtsextremisten das Büro des Maklers, vor allem seine Kunden. „Aber einschüchtern lasse ich mich nicht“, sagt Wanke. Tatsächlich: Vor zwei Wochen eröffnete die Initiative ein „Haus der Demokratie“. In dem ohne Steuermittel finanzierten Projekt entstehen ein offener Jugendtreff, Bandprobenräume, eine Jobbörse, eine Geschichtswerkstatt und ein Gemeinschaftscafé. Am verganenen Wochenende wurde das Haus von bisher Unbekannten verwüstet. Da nichts gestohlen wurde vermuten die Ermittler auch hier die Rechtsextremisten.
Die Fronten aber sind verhärtet. Vor knapp zwei Wochen, das „Haus der Demokratie“ wurde eröffnet und die Neonazis marschierten wieder auf, schickte die Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“ ein großes Transparent mit Schriftzug und Logo nach Zossen – auf Bitten der Bürgerinitiative. Bürgermeisterin Schreiber lehnte es ab, dies ans Rathaus zu hängen. Ein Affront.
Jüngster Akt in dem Streit: Der SPD-Landtagsabgeordnete Christoph Schulze hat Bürgermeisterin Schreiber am vergangenen Sonnabend wegen Verleumdung angezeigt. Bei einer kreisweiten Aktion zum Entfernen von Neonazi-Aufkleber machte Schulze am Rathaus mit. „Wir hatten dort 30 bis 40 Aufkleber entdeckt“, sagt Schulze. „Dann kam die Bürgermeisterin, sie hat mich lautstark und mehrfach beschuldigt, die Aufkleber selbst angebracht oder diese bestellt zu haben, damit wir das medienwirksam abkratzen können.“ Der SPD-Politiker erhebt schwere Vorwürfe gegen Schreiber: „Sie diskreditiert die Bürgerinitiative, verkennt Ursache und Wirkung. Für sie müssen wir eine duckmäuserische Stadt sein, dann kommen auch keine Nazis.“
Auf Zossens Straßen geht derweil ein Spott-Spruch um, auch was den Kampf gegen Rechtsextremisten betrifft: „Z wie Zossen – ganz hinten.“
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