Brandenburg: Zum 99. Mal: Protest gegen das Bombodrom
Nach dem Festhalten der Bundesregierung am Übungsplatz verstärkt sich der Widerstand
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Wittstock – Das Dorf Schweinrich zwischen Neuruppin und Wittstock erwartet für den Neujahrstag viel Turbulenz. Von mehreren Hundert, ja sogar Tausenden Besuchern aus der Umgebung, Berlin und dem nahen Mecklenburg-Vorpommern ist die Rede. Treffpunkt ist um 14 Uhr die winzige Kirche, aus der die Andacht nach draußen übertragen wird. Danach soll sich der lange Demonstrationsmarsch an die Ortsgrenze in Bewegung setzen, wo Schilder mit der Warnung vor einem möglichen Schusswaffengebrauch ein Weitergehen verhindern.
Hier beginnt der 12 000 Hektar große Truppenübungsplatz Kyritz-Ruppiner Heide, besser bekannt als das Bombodrom. Am Neujahrstag findet die 99. Protestwanderung der 1992 von den örtlichen Pfarrern ins Leben gerufenen Bürgerinitiative „Freie Heide“ statt. Nach den jüngsten Äußerungen des neuen Verteidigungsministers Franz Josef Jung (CDU), den Übungsplatz unbedingt nutzen zu wollen, haben die „Bombodrom“-Gegner erneut einen verstärkten Widerstand angekündigt. Der Neujahrsmarsch werde dies zeigen, hieß es.
Die Bürgerinitiative und die Unternehmervereinigung „Pro Heide“ hoffen auf den Einfluss der Brandenburger Spitzenpolitiker. Sowohl Ministerpräsident Matthias Platzeck als auch sein Stellvertreter Jörg Schönbohm hatten sich im Wahlkampf für eine friedliche Nutzung des Geländes östlich der Autobahn Berlin-Hamburg ausgesprochen. Wie ein Regierungssprecher in Potsdam bestätigte, haben Platzeck und Jung bereits wegen des Übungsplatzes telefoniert. Für Januar hätten beide Politiker ein ausführliches Gespräch über die Problematik vereinbart.
Die Bundeswehr begründet ihr Festhalten am „Bombodrom“ mit dem Auftrag der Luftwaffe, Piloten allumfassend auszubilden. Dazu gehörten der Tiefflug und der Abwurf von Bomben. Nach mehreren Eilentscheidungen von Gerichten darf die Bundeswehr den zur DDR-Zeit von der Sowjetarmee eingerichteten Platz jedoch nicht nutzen. Derzeit steht die Klärung in zehn Verfahren aus.
Der Landrat des Kreises Ostprignitz-Ruppin, Christian Gilde (SPD), zeigte sich vom Verteidigungsminister nicht überrascht. „Er übernimmt das Konflikterbe seiner Vorgänger und reiht sich bedenkenlos in ihre Haltung zum Bombodrom ein“, sagte Gilde. „Die Verteidigungsminister kommen und gehen, der Widerstand der Bürger und Kommunen bleibt ungebrochen.“
Die Befürworter des Truppenübungsplatzes, die sich meistens nur wenig Gehör verschaffen, setzen ganz andere Hoffnungen in den neuen Minister. „Es wird Zeit, dass endlich mit dem Bau der versprochenen Garnison begonnen wird“, sagte Rosemarie Priebus, Vorsitzende des Vereins „Pro Bundeswehr“. Sie habe daher einen Brief an Jung geschrieben. Die Garnison sollte in Wittstock entstehen und einige Hundert Arbeitsplätze bringen. Voraussetzung dafür ist jedoch die militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide. Claus-Dieter Steyer
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