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100. Todestag von Paul Neumann: Der rote Wohnungsbauer von Nowawes
Er war Wegbereiter des sozialen Wohnungsbaus in Potsdam: Zum Gedenken an den Politiker Paul Neumann wurden neue Straßenzusatzschilder in Babelsberg angebracht.
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Wer heute im Bereich Sandscholle in Babelsberg wohnt, hat ihm einiges zu verdanken: Paul Neumann, sozialdemokratischer Politiker aus Potsdam, der sich vor hundert Jahren für besseren Wohnraum für Arbeiterinnen und Arbeitern in Nowawes einsetzte und den Grundstein für die genossenschaftliche Bebauung der Sandscholle legte. Bis heute gibt es hier Wohnungen der Gewoba Babelsberg eG, der Pro Potsdam und der GWG Bauverein Babelsberg eG.
Am 4. Juli jährte sich Neumanns Todestag zum 100. Mal. Aus diesem Anlass veranstaltete der Arbeitskreis Stadtspuren, in dem Potsdams kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen organisiert sind, am Dienstag ein Straßenfest. Zudem wurden an der Paul-Neumann-Straße Ecke Franz-Mehring-Straße neue Straßenzusatzschilder mit seinen Lebensdaten angebracht.
Böse Zungen haben ihn den ‚roten Zaren von Nowawes‘ genannt.
Uwe Klett (Linke) von der Geschichtswerkstatt Nowawes
Der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Pete Heuer (SPD), und Uwe Klett (Linke) von der Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes würdigten Neumann am Dienstag an dessen Grab auf dem Friedhof Goethestraße in Babelsberg. Auch Urenkel Carsten Neumann war anwesend.
„Er war nicht nur der Wegbereiter des sozialen Wohnungsbaus in Potsdam, sondern auch des öffentlichen Gesundheitswesens“, sagte Klett. Vieles, was nach 1918 an sozialen Einrichtungen in Nowawes entstanden sei, wäre ohne ihn nicht denkbar gewesen: „Diese Einrichtungen waren damals wesentlich fortschrittlicher als im konservativen Potsdam“, so Klett.
Unbequemer Arbeiterführer
Geboren wurde Neumann 1865 als Sohn eines Webermeisters in Nowawes, das damals noch nicht zu Potsdam gehörte und aufgrund seiner von der Arbeiterbewegung geprägten Bevölkerung als „Rotes Nowawes“ bekannt war. Auch für Neumann war dieser Einfluss prägend: Er wurde ebenfalls Webermeister und schloss sich der SPD an. Von 1898 bis 1917 war er Mitarbeiter der SPD-Zeitung „Vorwärts“, verließ die Partei jedoch 1917 aus pazifistischen Gründen und trat in die stärker links ausgerichtete USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) ein.
Am Ende des Ersten Weltkrieg kam es im Zuge der Novemberrevolution 1918 in ganz Deutschland zu Aufständen gegen den Kaiser – auch in Nowawes: Neumann führte etwa 70 Aufrührer zum Babelsberger Rathaus, das sie gemeinsam besetzten. Ein neu gegründeter Arbeiter- und Soldatenrat ernannte Neumann am 10. Juli 1918 zum Gemeindevorsteher von Nowawes.
Neumann sei ein sehr unbequemer Zeitgenosse gewesen: „Er war der eigentliche Anführer der Arbeiterbewegung in Nowawes nach der Revolution“, sagte Uwe Klett. Seine politischen Gegner ließen kein gutes Haar an ihm: „Böse Zungen haben ihn den ‚roten Zaren von Nowawes‘ genannt“, so Klett.
Als Gemeindevorsteher nahm sich Neumann der Nöte der ärmeren Schichten an: Gegen den Widerstand von bürgerlicher Seite setzte er 1918 durch, dass die Stadt 52 Hektar des Gebietes Sandscholle in Babelsberg kaufte. Auf dem sandigen Gelände zwischen der heutigen Rudolf-Breitscheid- und Kopernikusstraße, auf dem vor allem Kiefern wuchsen, wollte Neumann preisgünstigen Wohnraum für Arbeiterfamilien schaffen.
Den Großteil der Wohnbebauung an der Sandscholle erlebte Neumann selbst nicht mehr: Nach längerer Krankheit starb er 1923 mit nur 58 Jahren. Erst fünf Jahr später wurde die Gewoba Babelsberg gegründet, die auf der Sandscholle viele Wohnungen baute.
Heute erinnert kaum etwas in Potsdam an Paul Neumann. Auch sein denkmalgeschütztes Grab war bis vor einem Jahr noch völlig überwuchert und wurde durch ehrenamtliches Engagement wieder hergerichtet. Klett regte an, auch den Grabstein zu restaurieren, damit man die Inschrift wieder lesen könne.
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