zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: 37,2 Grad – Potsdam im Sommer-Fieber

So heiß wie gestern war es an einem 16. Juli wohl noch nie – wie die Stadt die große Hitze überstanden hat

Stand:

Potsdam hat einen neuen Hitzerekord erlebt: Der gestrige Tag war in der Landeshauptstadt der wärmste 16. Juli seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1893. Bis auf 37,2 Grad Celsius stiegen die Temperaturen laut dem Deutschen Wetterdienst. „Wir gehen davon aus, dass es im gesamten Land Brandenburg der bisher wärmste 16. Juli überhaupt gewesen ist – so lange Messreihen haben wir aber nur für Potsdam“, sagte Meteorologe Horst Rohner. Der bisher wärmste 16. Juni war 1904 mit 35,9 Grad Celsius – vor mehr als 100 Jahren. Und wie hat Potsdam diesen heißesten Tag seiner Geschichte überstanden?

Auf den Straßen war vor allem eines zu sehen: Nichts. Wer konnte, blieb offenbar zu Hause im Kühlen. Doch nicht alle Potsdamer überstanden die hohen Temperaturen so glimpflich: Die Krankenhäuser vermelden einen Anstieg Hitze bedingter Unfälle – insbesondere die so genannten „traumatologischen Unfälle“, die bei Freizeitaktivitäten wie Grillen, Baden und Gartenarbeit passieren können, kämen bei diesem Wetter häufiger vor. Das gelte auch für Notfälle, die auf Herz- und Kreislaufversagen in Folge beträchtlichen Flüssigkeitsmangels zurückzuführen seien. Im St. Josefs-Krankenhaus musste gestern auch ein Patient mit einem Hitzeschlag behandelt werden. Um einen solchen zu vermeiden, rät St. Josefs-Ärztin Dr. Christiane Laun den Potsdamern, direkte Sonneneinstrahlung zu meiden, reichlich zu trinken und auf sportliche Aktivitäten bestenfalls ganz zu verzichten.

Neben der Hitze sorgte aber gestern auch erhöhte Ozonwerte für Belastung: Um 13.30 Uhr wurde in Potsdam-Zentrum der Höchststand mit 186 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft gemessen, eine halbe Stunde später in Groß Glienicke sogar 193 Mikrogramm. Der Ozon-Grenzwertliegt bei einer Belastung von 180 Mikrogramm. Dann wird dringend empfohlen, starke körperliche Anstrengungen im Freien zu vermeiden.

Um diese kommen die Bauarbeiter auf der Großbaustelle an der Humboldtbrücke aber kaum herum – doch machten sie gestern früher Schluss als üblich. Die Bauleute durften bereits um halb drei Feierabend machen, wie der Bauleiter der Bestbau GmbH den PNN sagte. Regulär arbeite die auf Straßen- und Gleisbau spezialisierte Firma immer bis 16 oder 16.30 Uhr. Ein früherer Arbeitsbeginn sei im Vorfeld schwer zu verabreden, da man sich auch mit den anderen Gewerken abstimmen müsse, erklärte der Bauleiter der Schälerbau GmbH. Auf jeden Fall aber werde für genug Flüssigkeit gesorgt, sagte der Mann von der Bestbau. „Es sind immer genug Getränke im Bauwagen.“

Viel Wasser bekommen auch die Tiere, die im Potsdamer Tierheim untergebracht sind. Die Hunde würden morgens beispielsweise lauwarm abgeduscht, so Tierheim-Leiter Detlev Wenzel. Außerdem werde gut be- und entlüftet. Dennoch sei gestern auch im Tierheim die Temperatur stündlich gestiegen, selbst Schattenspender könnten dagegen nicht viel ausrichten. Den Potsdamer Hundebesitzern rät Wenzel, ihre Tiere bei so großer Hitze am frühen Morgen oder am späten Abend auszuführen.

Vom Gang ins Freie rieten gestern tagsüber auch die Pfleger im Altenpflegeheim „Hertha von Zedlitz“ auf Hermannswerder den 79 Bewohnern ab. Sie habe einen Spaziergang durch die Korridore und Räume des Pflegeheims empfohlen, sagte Heimleiterin Angela Sievers den PNN. Hinter die dicken Backsteinwände des Gebäudes aus dem Jahr 1901 dringe die Hitze nicht so schnell. Und zum Mittag gab es gestern der Witterung entsprechend Grießbrei mit kalten Kirschen, erklärte Sievers. Auch im Seniorenpflegeheim „Abendstern“ in der Hans-Albers-Straße achteten die Pfleger auf geschlossene Jalousien. Gegen Mittag war die Temperatur in den Räumen trotzdem schon auf 25 Grad angestiegen, so Pflegedienstleiter Horst Kobow.

Dass bei der Hitze in Potsdam das Wasser knapp wird, muss keiner befürchten: 25 000 Kubikmeter Wasser haben die Potsdamer am vergangenen Sonntag insgesamt verbraucht, erklärte Stadtwerke-Sprecher Stefan Klotz den PNN, mehr als sonst. Und schon im vergangenen Sommer habe man „deutlich höhere Abnahmen“ gehabt. Es gebe aber „noch genug Reserven“, versicherte Klotz.

Über Wassermangel kann auch Sven Kerschek noch nicht klagen: Der Boden im Neuen Garten sei durch die Niederschläge der vergangenen Wochen „gut durchfeuchtet“, erklärte der Fachbereichsleiter der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Frühestens Mittwoch müsse mit der Wässerung begonnen werden. Die Pflanzen wachsen jetzt sogar „ganz extrem“ – wegen der Hitze: „Wir müssen ganz verstärkt Rasenmähen“, so Kerschek: „Es wächst schneller, als wir nachkommen.“ Sechs Rasenmäher seien momentan unterwegs. Außerdem müssten die verregneten Blumenbeete von faulen Pflanzen befreit und die Regenschäden an den Wegen repariert werden. Für die 14 Gärtner im Neuen Garten sei die Arbeit bei der Hitze „schwierig“, deshalb gebe es bereits seit sechs Jahren veränderte Arbeitszeiten: Von Mai bis Mitte August arbeiten sie von sechs bis 14.45 Uhr und kommen so um die „große Nachmittagshitze“ herum, erklärte Kerschek.

Trotz der Hitze müssen sich die Förster, die sich um Potsdams Wälder kümmern, keine Sorgen machen: Dank des feuchten Wetters in den vergangenen Wochen liegt die Waldbrandgefahr in Potsdam laut Landesumweltamt noch im niedrigsten Bereich. Und: Für die nächsten Tage wird mit Entspannung gerechnet, denn bis Donnerstag sollen die Temperaturen auf 25 Grad sinken – Gewitterschauer sind möglich.

Henri Kramer, Jana Haase, Nicola Klusemann, Denis Berg, Gabriel Jetzek

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })