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Potsdamer Student in Bangkok: Alltag zwischen Massenprotesten

In der thailändischen Hauptstadt Bangkok gibt es seit Wochen Demonstrationen und Ausschreitungen. Der Potsdamer Nick Allgaier studiert dort an der Universität. Ein Bericht vom Konfliktherd

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Potsdam/Bangkok - Trillerpfeifen, Sprechchöre, Blockaden und ein gestürmter Regierungssitz – eigentlich wollte der Potsdamer Nick Allgaier seine Masterarbeit schreiben, doch nun ist er ganz nah dran an einem eskalierenden politischen Konflikt. Denn Nick Allgaier hat sich für seine Arbeit im Rahmen eines MBA-Programms über strategisches Management einen Ort ausgesucht, an dem es derzeit gefährlich werden kann: Er ist in Bangkok.

In der Hauptstadt des südostasiatischen Thailand demonstrierten in den vergangenen Tagen Hunderttausende Menschen gegen die Regierung. Dabei kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen. Im Fernsehen sah man gelb gekleidete Demonstranten, die sich Straßenschlachten mit der Polizei liefern. Die Ordnungskräfte setzen Tränengas und Wasserwerfer ein. Die Lage in dem Land mit jährlich mehr als 600 000 Touristen aus Deutschland ist unübersichtlich.

Die sogenannten Gelbhemden hat Allgaier in Bangkok auch schon gesehen. In seiner Umgebung sei es aber ruhig. „Mir geht es gut“, sagte er den PNN. Der 26-Jährige wohnt ein Stück außerhalb des Zentrums der Acht-Millionen-Metropole am Chao-Phraya-Strom. „Mit dem Auto braucht man 15 Minuten in das Protestgebiet“, so Allgaier. „Aber hier merkt man nichts davon.“ Der Alltag gehe weiter. „Die Geschäfte sind geöffnet und der Nahverkehr funktioniert“, sagt er.

Im Internet sieht es anders aus. „In den sozialen Medien wie Facebook oder Twitter wird viel über den Konflikt mitgeteilt“, sagt der 26-Jährige. Außerdem habe er am Wochenende eine Mail von der deutschen Botschaft erhalten. Die Sicherheitshinweise sind auch auf der Homepage des Auswärtigen Amtes veröffentlicht: „Eine weitere gewaltsame Eskalation kann nicht ausgeschlossen werden“, heißt es über Bangkok. Angesichts dieser Lage werde dringend geraten, Demonstrationen und Menschenansammlungen im Stadtgebiet zu meiden.

Seit Wochen schwelt der Konflikt. Die Opposition fordert den Rücktritt der Premierministerin Yingluck Shinawatra. Sie ist die jüngere Schwester des ehemaligen Premiers Thaksin Shinawatra, gegen den 2006 das Militär geputscht hatte. Anschließend wurde er wegen Amtsmissbrauchs verurteilt und verließ das Land. Yingluck gilt bei den Regierungskritikern als Marionette ihre Bruders.

Die Auseinandersetzung hat auch Nick Allgaier erlebt. „Das Land ist in zwei Lager gespalten“, sagt er. „Es gibt die gelb gekleidete Opposition und die rot gekleideten Regierungsanhänger“, so Allgaier. Bisher ist es noch nicht zu einer größeren Konfrontation zwischen beiden gekommen. Die Oppositionellen richten ihren Protest eher gegen die Polizei.

Parallelen mit dem arabischen Frühling sieht Allgaier nicht. „Thailand ist ein demokratisches Land“, erklärt er. „Die Menschen protestieren hier nicht gegen eine jahrzehntelange Diktatur.“ Es sei eher ein politischer Konflikt innerhalb des Landes, der schon seit vielen Jahren ausgetragen wird. Proteste gab es dabei in den vergangenen Jahren häufig. Mit unterschiedlichen Rollenverteilungen – je nachdem wer gerade an der Macht ist. Derzeit regieren die Rothemden, die ihre Anhänger vor allem im Norden und bei den armen Bauern haben, aber auch bei Eliten. Die gelb gekleideten Protestler sind eher in der Mittelschicht zu finden und in der Millionenmetropole Bangkok.

Allgaier spricht ein wenig Thai und hat Freunde auf mehreren thailändischen Inseln. In Bangkok ist er in Kontakt mit vielen, vor allem jüngeren Leuten. Auf sein Studium haben sich die Proteste bereits ausgewirkt. Wegen der Nähe zu den Protesten wurde ein Gebäude der Universität gesperrt. „Die Lehrveranstaltung wurde dann in ein Hotel verlegt“, sagt er. Der Potsdamer studiert an der Thammasat University, die schon einmal Zentrum von politischen Revolten gewesen ist. Im Jahr 1976 wurden dort 46 Menschen getötet, als Studenten gegen die Rückkehr eines Militärdiktators demonstrierten.

In der jetzigen Auseinandersetzung hat sich das Militär bisher zurückgehalten. „Es ist noch unklar, auf welche Seite sich die Armee stellt“, so Allgaier. In der Vergangenheit habe es mehrfach Putsche gegeben. Der Protestführer der „Gelben“ behaupte, dass Militär sei auf seiner Seite, so Allgaier. Die Regierung scheint unterdessen auf Deeskalation zu setzen. So strömten am Dienstag Hunderte Oppositionsanhänger auf das Gelände des Amtssitzes von Regierungschefin, nachdem die Polizei Absperrungen überraschend geräumt hatte. Während die Demonstranten dort ihren Erfolg feierten, schritt die Polizei nicht ein.

Nick Allgaier erwartet nun eine Entspannung. „Am Donnerstag hat der König Geburtstag“, sagt er. Bhumibol Adulyadej ist schon seit 1946 König von Thailand und somit das derzeit am längsten amtierende Staatsoberhaupt der Welt. Der 85-jährige Monarch werde in Thailand sehr verehrt und hält an seinem Geburtstag traditionell eine Rede. An diesem Tag zu protestieren sei in Thailand nicht üblich.

Angst verspüre er ohnehin nicht, so Allgaier, und rate auch nicht von Reisen nach Thailand ab. Die Touristenzentren an der Küste seien nicht von den Protesten betroffen. Über Weihnachten und Silvester komme sogar seine Familie aus Potsdam zu Besuch. Für Ende Januar plant er selbst seine Rückkehr.

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