zum Hauptinhalt
Meist harmlos. Im Gegensatz zu den Stechmücken, deren Stiche weniger Schmerzen verursachen, sind Kriebelmücken und Gnitzen besonders fies.

© A. Lander/dpa

Vermehrt Mücken in Potsdam: Angriff der "Pool-Sauger"

Den Mücken in Potsdam geht es prächtig, und nicht nur ihnen – wenn der letzte Stich schmerzhafter war als sonst, könnten nämlich auch Kriebelmücken oder Gnitzen dahinter stecken.

Stand:

Egal ob Schlafzimmer, Park oder Lagerfeuer am See: Überall sirrt es wieder, die kleinen Plagegeister mit dem großen Blutdurst sind in Scharen in Potsdam unterwegs. „Es war ein optimaler Startschuss in die Mückensaison“, sagt Doreen Walther, Mücken-Expertin vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandesforschung (ZALF) in Müncheberg. Optimal natürlich nur für die Insekten, weniger optimal für den Menschen.

Das wechselhafte und warme Wetter der letzten Wochen hat dazu beigetragen, dass seit Kurzem vermehrt Mücken in Potsdam und Brandenburg unterwegs sind, denn durch die gelegentlichen Regenfälle bilden sich viele Pfützen, in denen die Insekten perfekte Bedingungen zur Eiablage finden. „In Brandenburg hatten wir im letzten Jahr kaum Mücken, doch dieses Jahr haben wir ein verstärktes Aufkommen vor allem in der Havelniederung, im Spreewald oder in Nordbrandenburg, wo es viele Moore gibt“, sagt Walther. Generell sei Brandenburg mit seinen vielen Gewässern eines der mückenreichsten Bundesländer.

Kriebelmücken und Gnitzen sind viel kleiner als Stechmücken

Ein Mückenstich ist zwar unangenehm, aber meist harmlos. Dennoch kommt es gelegentlich vor, dass Mückenstiche stärker als normal schmerzen und manche Menschen mit allergischen Reaktionen, Schwellungen oder Verhärtungen reagieren. Das könnte daran liegen, dass keine Stechmücke, sondern eine andere Mückenart verantwortlich ist. In Deutschland gibt es 28 Mückenfamilien, drei davon ernähren sich von Blut: Die Familie der Stechmücken umfasst 50 Arten, auf genauso viele bringt es die Familie der Kriebelmücken. Die Gnitzen umfassen sogar 300 Arten.

Kriebelmücken und Gnitzen sind viel kleiner als Stechmücken – nur zwei bis drei Millimeter groß – und stechen auch nicht: Stattdessen haben sie säbelartige Mundwerkzeuge, mit denen sie eine Wunde in die Haut schneiden, um an Blut zu gelangen. Damit sind sie sogenannte „Pool-Sauger“ (im Gegensatz zu „Stich-Saugern“). Lange Hosen und Hemden helfen bei Kriebelmücken übrigens nur bedingt, denn sie kriechen auch unter die Kleidung. Gerade Bisse von Kriebelmücken sind schmerzhafter als die von Stechmücken und können noch tagelange oder wochenlange Schwellungen und Quaddeln hinterlassen.

Das kann allerdings auch bei Stechmücken passieren: Mücken injizieren ihrem Opfer vor der Blutentnahme ein Speicheldrüsensekret, um Schmerzen und die Blutgerinnung zu unterdrücken. Das Immunsystem ist meist schon an diesen Eiweiß-Cocktail gewöhnt. Die Zusammensetzung des Sekrets sei jedoch von Mücke zu Mücke, von Region zu Region unterschiedlich, so Walther: „Wenn man dann in eine andere Gegend fährt und gestochen wird, kann es sein, dass der Körper heftiger auf einen Stich reagiert, weil das Immunsystem die Eiweiß-Zusammensetzung nicht kennt.“ Daher rühre auch der Eindruck, Mücken seien in anderen Gegenden aggressiver, sagt Walther.

Mückenatlas für mehr Information

Besonders Gnitzen können ein Speichelsekret mitbringen, das man von den Mücken aus seinem Heimatort nicht gewöhnt ist, denn die Winzlinge überwinden bis zu 50 Kilometer, wenn sie Hunger haben. Ernste Gefahr geht von so einem Biss aber nicht aus: Entzünden kann er sich nur, wenn man daran kratzt.

Und was ist mit Exoten wie der Tigermücke oder der Asiatischen Buschmücke, die Tropenkrankheiten übertragen können? Walther beruhigt: „Brandenburg ist frei von invasiven Mückenarten aus anderen Ländern. Die Asiatische Buschmücke werden wir allerdings in ein paar Jahren flächendeckend in Deutschland haben.“ Die Buschmücke kann das West-Nil-Virus übertragen, dazu muss sie jedoch erst jemanden gestochen haben, der diese Krankheit hat. Bislang gab es keine solchen Fälle in Deutschland. Ähnlich sieht es bei der vor allem in Süddeutschland vorkommenden Tigermücke aus, die das Dengue-Fieber übertragen kann. „Gerade um die Tigermücke wird ein ziemlicher Hype gemacht“, findet Walther.

Dennoch ist es wichtig, mehr Wissen über die in Deutschland lebenden Mücken zu sammeln, denn die Forschung an den Insekten war in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt worden. Aus diesem Grund rief das ZALF gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut und dem Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit 2012 den „Mücken-Atlas“ ins Leben, um die Verbreitung von Mückenarten flächendeckend zu erfassen. Dazu kann man dem ZALF vollständige (nicht zerquetschte) Mücken per Post zusenden: „Wenn Sie eine Mücke finden, schicken Sie sie uns!“, appelliert Expertin Walther, die täglich rund 150 tote Mücken in ihrem Briefkasten in Müncheberg findet. In Zukunft will das ZALF auch einen Atlas für andere Insekten wie Zecken, Gnitzen oder Kriebelmücken auflegen, derzeit mangelt es dafür aber am nötigen Personal.

http://www.mueckenatlas.de/

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })