zum Hauptinhalt

Homepage: Auf Reisen

Autoren aus Polen und Frankreich lasen an der Uni

Stand:

Nadine Ribault meißelt geradezu die Worte in den kühlen Raum. In ihrer Muttersprache liest die französische Schriftstellerin aus ihrem aktuellen Roman „La Vent et la Lumière“ („Der Wind und das Licht“). Nur wenige Studierende – ausnahmslos Frauen – sind in den tristen Seminarraum in Golm gekommen, um ihr zuzuhören. Draußen gehen schon am späten Nachmittag die Laternen an, einige Studenten eilen vorbei, zum Verweilen keine Zeit. Die Bewegung, die Reise, der Fluss der Zeit, all das spielt auch bei Nadine Ribault eine Rolle. Eine Szene am Strand wird durch Sätze umschrieben, die wogen und schaukeln wie die Wellen selbst. Der Zuhörer wird hineingezogen in das Geschehen, die Geschichte einer Künstlerin, die bei einer Bootsfahrt ertrinkt. Die Vereinbarkeit des Lebens der Künstlerin mit der Außenwelt, der Rückzug und das Unausgesprochene in den menschlichen Beziehungen, das sind die Themen der 42-jährigen Autorin.

An diesem Punkt überschneidet Ribaults Schreiben sich dann auch mit dem Roman ihres jungen Autoren-Kollegen Mikolaj Lozinski aus Polen. Zusammen mit ihm absolviert sie gerade auf Einladung der Stiftung Genshagen eine Lesereise durch Brandenburg und Berlin. Das Unausgesprochene zwischen zwei Menschen, die Unverständnis darüber, dass es zwischen einer Mutter und ihrem geliebten Sohn zu einer vollkommenen Entfremdung kommen konnte, versucht Lozinski in seinem Roman „Reisefieber“ zu ergründen. Doch der 26-jährige Pole hält sich dabei nicht wie Nadine Ribault mit Worten auf, die das Meer, das Licht, den Wind und die Emotionen umzeichnen. Seine Sprache ist klar und einfach. Sein Buch erstreckt sich auf zwei Ebenen, das Dahinsiechen der sterbenden Mutter und der Suche nach ihrer Geschichte, auf die sich ihr verlorener Sohn nach ihrem Tod macht.

Die in Paris geborene Nadine Ribault verbrachte ihre Kindheit auf Reisen. Nach dem Studium in Frankreich unterrichtete sie Französisch in Japan, bis sie sich an der nordfranzösischen Küste zum Schreiben niederließ. Lozinski hingegen zog es von Polen nach Frankreich, wo er an der Sorbonne Soziologie studierte. Seine Vermieterin dort, eine ältere Dame aus Schweden, brachte ihn auf die Idee für seinen Roman. Sie erzählte ihm, dass der Kontakt zu ihrem Sohn seit sechs Jahren abgebrochen sei. Er habe alles an ihr kritisiert, sie kannte nicht einmal seine Telefonnummer. Nach dem Tod der Vermieterin tauchte der Sohn plötzlich auf. „Er war nicht das erwartete Monster, sondern ebenso offen und warmherzig wie seine Mutter“, erzählt Lozinski. Der junge Autor fragte sich nun, was zwischen den beiden vorgefallen sein muss. Er habe lange darüber nachgedacht. Und dann das Buch geschrieben.

Das Buch sei einer Reise gleich, nicht nur weil der Sohn aus New York nach Paris kommt, um das Leben der Mutter zu ergründen, sondern auch, weil es eine Art Zeitreise sei. In Polen trägt der Roman den deutschen Titel „Reisefieber“, ein Wort, das im Polnischen in der gleichen Bedeutung benutzt wird wie im Deutschen. Was das Buch so außergewöhnlich macht, ist die Tatsache, dass sich der junge Autor vollkommen von der derzeit in Polen weit verbreiteten literarischen Vereinnahmung von Geschichte und Nationalität absetzt. „Ich kann diese Mode einfach nicht mehr ertragen“, so sein Kommentar dazu.

Die Romane der beiden Autoren werden derzeit übersetzt, „Reisefieber hat schon einen Verlag in Deutschland, für das Buch der Französin sucht man derzeit noch einen Verleger. Schade schließlich, dass die Potsdamer Studierenden die einmalige Möglichkeit, Vertreter der jüngeren Schriftstellergeneration unserer beiden Nachbarländer auf ihrem Campus zu treffen, nur so zurückhaltend wahrgenommen haben. Nun sind die beiden wieder auf Reisen, nach Frankfurt/Oder, Berlin, Genshagen und weiter nach Frankreich und Polen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })