Landeshauptstadt: Auf Stöckelschuhen durch Sanssouci
Österreichs Bundespräsident Thomas Klestil und seine Frau Margot flogen zum Mini-Besuch nach Potsdam
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Österreichs Bundespräsident Thomas Klestil und seine Frau Margot flogen zum Mini-Besuch nach Potsdam Von Sabine Schicketanz Die Limousinentür ist schon zugeschlagen, da herrscht beim Protokoll die helle Aufregung. Die Delegation ist weg, zwei Mäntel sind noch da. „Hat denn der Bundespräsident seinen Mantel mit?“, ruft Matthias Platzeck. Dass Brandenburgs Ministerpräsident seine eigene schwarze Wollkluft trägt, dessen hat er sich zuvor mit einem Griff in die Tasche versichert. „Die Schlüssel sind da. Das ist meiner.“ Doch auch Österreichs Bundespräsident vermisst sein wärmendes Kleidungsstück nicht. Fröhlich winken Thomas Klestil und seine Gattin Margot Klestil-Löffler durchs Autofenster ihrem brandenburgischen Gastgeber, bevor der schwarze Mercedes an Fahrt aufnimmt. Beim Mini-Besuch der Klestils in Potsdam am Dienstagvormittag stimmte offensichtlich alles – außer natürlich dem Wetter. Der aufdringliche Schneeregen aber tut der Atmosphäre, die offenbar so warm und herzlich ist, dass manch einer sogar seinen Mantel vergisst, keinen Abbruch. Bevor der Bundespräsident und seine Gattin die Landeshauptstadt betreten, können sie Potsdam zunächst aus der Luft betrachten. Mit lautem Geknatter fliegt der Hubschrauber, der die Klestils in nur einer knappen Viertelstunde von Berlin nach Brandenburg bringt, übers Schloss Sanssouci hinweg. Gelandet wird allerdings nicht im Schlosspark, sondern auf dem Kasernengelände in Eiche. Dort holen die „weißen Mäuse“, die ganz in weiß gekleideten Beamten der Motorradstaffel, den Staatsbesuch ab und fahren zurück – nach Sanssouci. Vor dem Mövenpick-Restaurant am Fuße der Sehenswürdigkeit kommt die Kolonne zum Stehen. Während der Bundespräsident – er soll an einer Fußerkrankung leiden und kann deshalb das Schloss nicht besichtigen – mit Platzeck zu Gespräch und Eintrag ins Goldene Buch in der Gaststätte verschwindet, macht sich die Präsidentengattin auf zum Damenprogramm. Margot Klestil-Löffler, im beigen Hosenanzug und mit Schultertuch statt Mantel, gibt sich unkompliziert und nimmt den verschneiten Weg hinauf zur Sommerresidenz Friedrich des Großen auch in Stöckelschuhen auf sich. Allerdings muss sich Österreichs First Lady allein behaupten – eine offizielles Pendant hat Brandenburg schließlich nicht. Die Begeisterung, mit der Stiftungs-Schlösserdirektor Burkhardt Göres den Staatsgast herumführt, scheint jedoch ansteckend. Die Österreicherin, die im Ambiente der kostbar ausgestatteten zwölf Räume des Lustschlosses geradezu königliche Würde ausstrahlt, schweigt und genießt. Nur selten kommt sie bei dem Eiltempo, in dem Göres die preußische Geschichte des Schlosses vor ihr ausbreitet, zu Wort. Immerhin aber würdigt sie, dass Friedrich der Große sich nicht mit Porträts von ihm selbst umgab – diese Gemälde haben die Historiker erst später an die Schlosswände gehängt. „Ein kluger Mann“, sagt Margot Klestil-Löffler. Auch sie ist offensichtlich klug. Auf die Frage eines Journalisten, ob das Wiener Schloss Schönbrunn, ebenfalls ein Gesamtkunstwerk barocker Kultur, nicht doch schöner sei als Sanssouci, antwortet sie nur: „Mir gefällt leider jedes Schloss.“ Doch Österreichs und Brandenburgs Hauptstädte eint nicht allein das Schlösser-Weltkulturerbe. In Wien wie in Potsdam ist die Politik derzeit mit den Grenzen beschäftigt, die sich am 1. Mai mit der Osterweiterung der Europäischen Union öffnen werden. „Adäquate Sorgen“ nennt Brandenburgs Ministerpräsident jene Gedanken über Fördergelder der höchsten Stufe, die mit der EU-Erweiterung sehr wahrscheinlich gekürzt werden, und die auch Thomas Klestil umtreiben. Das österreichische Burgenland gehört ebenso wie Brandenburg jetzt noch zum so genannten Ziel-1-Gebiet. Über diese Probleme habe man sich jedoch „sehr nett“ unterhalten, wie Platzeck versichert. Klestil attestiert er außerdem, „sehr kundig“ zu sein, was die brandenburgischen Schwierigkeiten angeht. Schließlich erwische die Osterweiterung das Ost-Bundesland „mitten im Aufbau“. Österreichs schwache Regionen dagegen erscheinen im Vergleich zur Mark schon als gut entwickelt. Das Gastgeschenk der Alpenrepublik an den Ministerpräsidenten ist passend zum politischen Gesprächsthema gewählt: Aus einer länglichen Hülle, die aussieht, als verberge sie eine Zigarre, zieht Matthias Platzeck ein Glasröhrchen mit einem Stück leicht verrostetem Stacheldraht. Es hat ähnlichen symbolischen Wert wie ein Brocken der Berliner Mauer: Der Draht wurde im September 1989 bei der ungarischen Grenzöffnung nach Österreich durchgeschnitten – was nicht nur nach Meinung der Historiker wesentlich zum Zusammenbruch der kommunistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa beitrug. Während im Mövenpick-Hinterzimmer noch Politik diskutiert wird, kann sich die Bundespräsidentengattin vor dem Rückflug nach Berlin – hier warten um 12.30 Uhr schon der Bundeskanzler zur Begrüßung und danach im Damenprogramm der Besuch eines Treffs für türkische Frauen in Kreuzberg – bei einem Kaffee aufwärmen. Dann geht es mit dem Ehemann wieder hinaus in die Kälte, im Eilschritt zur Limousine, beide ohne Mantel. Vergessen sind die Mäntel aber nicht. Sie werden vom Protokoll nebenher getragen.
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