zum Hauptinhalt

Satirischer Jahresrückblick für Potsdam 2017: Baywatch am Brauhausberg und Stadtwerke-Stück am Hans Otto Theater

2017 wird heiß und aufregend, alle drehen ein bisschen durch und so manches verborgen Geglaubte taucht aus dem Untergrund auf. Hier kommt der definitiv erste und nicht ganz ernst zu nehmende PNN-Rückblick auf das neue Jahr.

Stand:

JANUAR

Alle drehen durch. Stargast beim 17. Brandenburgball ist TV-Liebling Eckart von Hirschhausen. Im Foyer im Dorint Hotel stellt der Mediziner Live-Diagnosen, zieht unter Hypnose Krampfadern (Sponsoring IHK) und rettet in einer Not-OP Moderatorin Inka Bause, deren festgefrorenes Dauerlächeln am Grill aufgetaut werden muss. Am 20. Januar wird das Barberini in Anwesenheit von Kanzlerin Angela Merkel eröffnet. Anschließend lädt Noch-Bild-Herausgeber Kai Diekmann die Kanzlerin zur Disco in die 17. Etage im Hotel Mercure. Nach Mitternacht präsentiert Museumsbesitzer Hasso Plattner vergnügt seine kleine Drohne, die er von einem geheimen Dachstübchen im Barberini dirigieren kann, um in die Büros der Landtagsabgeordneten zu spähen.

FEBRUAR

Es wird ernst. Die Bewerbungsfrist für einen Beigeordneten für Bildung, Kultur und Sport ist beendet. Nun werden erste Teilnehmer am Kandidatenbingo der Öffentlichkeit vorgestellt. Gesucht war: eine kreative, einsatz- und entscheidungsfreudige Persönlichkeit mit einschlägigen Erfahrungen, Durchsetzungsstärke, Verhandlungsgeschick und Wohnsitz in Potsdam. Stardirigent Christian Thielemann, Eisprinzessin Katharina Witt und Ex-Supernanny Katharina Saalfrank bewerben sich als Dreierspitze. Zwei der drei Kandidaten haben bereits einen Wohnsitz in Potsdam.

MÄRZ

Marmor, Stein und Eisen bricht. Die Kommunalaufsicht korrigiert überraschend ihrVeto gegen einen Abriss des Treppenhausgitters im Potsdam Museum, denn es sind brisante Akten aus der Bauplanungsphase aufgetaucht. Nun werden die Verantwortlichen, die den Bauauftrag einst unterzeichneten, zur Kasse gebeten, ihnen werden Boni, Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen. Die Gitterteile werden versteigert, auch das Berliner Artemis erwirbt ein paar. Vom Erlös kann sogar eine Treppenhauseinweihungsparty finanziert werden. Ende März beginnt ein ganz besonderer Testlauf. Hunderte venezianische Gondeln auf der Havel sollen das innerstädtische Verkehrsproblem lösen und Arbeitsplätze schaffen. Die Volkshochschule bietet ab sofort Italienischkurse und den Gondelführerschein an.

APRIL

Alles Ansichtssache. Katastrophe beim Spargelanstich: Die Spargelkönigin entpuppt sich als Spargeltarzan, die Jury hatte sich doch tatsächlich von einem falschen Dekolleté beeindrucken lassen. Einen Tag später outet sich Jan Böhmermann auf radioeins, dass er es war, der den falschen Kandidaten ins Rennen geschickt hat. Die Step überarbeitet das von Bürgern immer wieder als undurchsichtig kritisierte System der Abfallsortierung und -abnahme in den Wertstoffhöfen. Künftig läuft es so: Nur wer einen selbstgebackenen Kuchen mitbringt, wird von den Mitarbeitern zu den Tonnen vorgelassen.

MAI

Potsdams Feuchtgebiete. Das "blu"-Bad am Brauhausberg eröffnet nun doch erst im Juli, es läuft aber bereits der Testbetrieb. Mit einer Poolparty feiert hier das Drehteam von GZSZ 25 Jahre Seifenoper – die erste Folge wurde am 11. Mai 1992 gesendet. Bei der Schaumparty im halbfertigen Bad werden spontan gleich ein paar Szenen gedreht. Die Aufnahmen sollen allerdings wegen der fehlenden Bauabnahme des Gebäudes vernichtet werden, insistiert das Potsdamer Bauamt. Die Fernsehmacher aus dem Studio Babelsberg verklagen daraufhin die Stadt. Zuletzt kommt es zu einem Vergleich: Es kann weiter gedreht werden und die Führungsetage vom Bauamt darf in der Folge „Baywatch am Brauhausberg“ ein Rettungsschwimmerteam spielen, das den Oberbürgermeister bei seinem Hechtsprung vom Drei-Meter-Brett anfeuert. In letzter Minute wird der Sprung jedoch aus Sicherheitsgründen abgesagt. Unbekannte hatten – „Ritzeratze! Voller Tücke“ – das Sprungbrett heimlich angesägt.

JUNI

Spannung im Sommerloch. Eine japanische Reisegruppe geht im Park Sanssouci verloren. Das ist der Plot des Berliner Tatorts, der ausnahmsweise in Potsdam gedreht wird. (Schlösserstiftung: „Das wäre mit Parkeintritt nicht passiert!“) Meret Becker und Mark Waschke finden den Bus mit den entführten Touristen schließlich in der Tiefgarage des Landtags. Der Kofferraum ist voller Stasiakten, hinter denen der Berliner Senat her ist.

JULI

Der Spionagekrimi geht weiter. Als damit begonnen wird, die maroden Wasserrohre der Nauener Vorstadt auszutauschen, findet man unter dem Pfingstberg den geheimen Zugang zu Mittelerde sowie ein Büro der Reichsbürger samt Fälscherwerkstatt. Der Bundesnachrichtendienst schreitet ein, konfisziert die Räume und lässt hier künftig seine Spezialisten ausbilden.

AUGUST

Fußball, Kohle und Konflikte. In Marquardt werden Probebohrungen im Erdreich durchgeführt, um zu prüfen, ob der Untergrund sich für einen möglichen Stadionneubau für Hertha BSC eignet. Dabei stößt man auf ein fettes Braunkohleflöz. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke ist entzückt und wiederholt sein Statement aus 2016: „Brandenburg freut sich über jeden, der in Brandenburg investiert.“ Erst soll die Kohle abgebaggert, dann das Hertha-Stadion tiefergelegt werden. Kohlegegner und Umweltverbände schlagen allerdings Alarm, schließlich befinden sich hier wichtige Brutgebiete der bedrohten Marquardter Doppelschnepfe und des seltenen Rotkopfwürgers.

SEPTEMBER

Fundsache. Eine Putzfrau stößt im Potsdamer Rathaus auf ein unbekanntes Kämmerlein und findet hinter meterhohen Aktenbergen sowie Säcken mit leeren Energydrink-Dosen, unter Staub und Spinnweben einen zittrigen handgeschriebenen Zettel: „Rubelt was here“. Die Spielzeit am Hans Otto Theater beginnt mit einer Uraufführung. Der Titel: „Was Sie immer schon über die Stadtwerke wissen wollten aber bisher nie zu fragen wagten“. Die Karten sind sofort weg.

OKTOBER

Neues Nutzungskonzept. Die Baustelle für den Garnisonkirchenturm in der Breiten Straße wird eingerichtet – begleitet vom Protest der Mieter des Rechenzentrums. Mit einem Sit-in blockieren die Künstler die Zufahrt von der Breiten Straße. Die Feuerwehr muss kommen und die Straße räumen. Dafür dürfen die Kameraden den fertigen Turm – ohne barocken Zierrat und Krone – vorübergehend zum Schlauchtrocknen nutzen. Designer und Beinahe-Potsdamer Harald Glööckler findet das schrecklich stillos und möchte die Krone für den Garnisonkirchenturm stiften, aber nur, wenn er im Austausch das Konterfei des Turms auf seine Unterhosenkollektion sticken darf. Die Potsdamer Künstlerin Annette Paul spendiert dem Kirchturm dazu den Schriftzug: „Ceci n’est pas pompös“.

NOVEMBER

Eis & heiß. Überraschung: Potsdam bekommt eine Eislaufbahn. Der Wunsch aus dem Bürgerhaushalt 2016 kann ganz unkompliziert umgesetzt werden, indem der Bolzplatz Nowawiese in Babelsberg über die Wintermonate geflutet wird. Die Fußballer gründen eine Eishockeymannschaft, „Freie Ultimative Concordia Kufen Potsdam“. Als Abkürzung darf der Name allerdings nicht verwendet werden.

DEZEMBER

Quarkbällchen für alle. Der Weihnachtsmarkt wird eröffnet – auf dem Alten Markt. Die Händler der Brandenburger Straße sind froh, dass ihnen mit den Hütten nicht mehr die Läden zugebaut werden und die Landtagsabgeordneten bekommen sogar ihre eigene Quarkbällchenfritteuse im Innenhof. Der Campus der Fachhochschule am Alten Markt wird zum Jahresende geräumt. Allerdings nicht, um abgerissen zu werden. Er soll zu einem neuen Schulzentrum umgebaut werden. Schon ab September 2018 könnten hier Grundschüler lernen. Dafür kann der Sportplatz Sandscholle erhalten bleiben. Nur die hässliche Wellblechetage auf dem Dach der FH wird rückgebaut, das Dach wird begrünt und ein Schulgarten angelegt – für Mitte-Rübchen und Sanssouci-Hanf, der von einer Schülerfirma vertrieben wird. Die ILB honoriert das mit einem Sonderpreis.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })