Landeshauptstadt: Bis an die Grenze der Ressourcen
Kita-Mitarbeiter fordern kleinere Gruppen / Stadt soll nach Sozialräumen gewichten
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Schlaatz - Die Zielmarke bezeichnet Frank Münzner mit vier Krippenkinder und zehn bis zwölf Kita-Kindern pro Erzieher. „Das müssen uns unsere Kinder wert sein“, sagte der Leiter der Integrations-Kita „Nuthespatzen“ am gestrigen Dienstag. Die Mitarbeiter der Einrichtung vom Träger Diakonisches Werk erinnerten mit einer Protestaktion an die Versprechen von Parteien im Wahlkampf, Bildung und Betreuung von Kindern zu stärken. Brandenburgweit hatte eine Kita-Initiative zur Aktion „Bildung bleibt heut’ vor der Tür?!“ aufgerufen. Neben der Belegschaft der „Nuthespatzen“ nahmen auch andere Potsdamer Einrichtungen wie die Kita „Storchennest“ in Drewitz teil.
Brandenburg bildet beim Betreuungsschlüssel bundesweit nach wie vor das Schlusslicht. Ein Erzieher muss sieben Krippenkinder betreuen, im Kitabereich sind es 13 Kinder pro Betreuer. Doch stehen diese Zahlen lediglich auf dem Papier, in der Praxis sind die Gruppen – durch Krankheit, Urlaub und Fortbildung von Erziehern – meist noch größer. Eine Vertreterin des auch in Potsdam aktiven Kita-Trägers Independent Living sagte: „Die Erzieher gehen häufig bis an die Grenzen ihrer Ressourcen.“
„Nuthespatzen“-Leiter Münzner befand: „Die Realität in den Kitas steht im Widerspruch zur Familienpolitik, die man machen will.“ Er wies auf die wichtige Entwicklungsphase von Kindern gerade in jüngsten Jahren hin. „Alle Probleme, die wir bei der Pisa-Studie haben, liegen in der mangelnden Förderung in frühen Entwicklungsphasen.“ Für gezieltere Unterstützung der Kinder benötige man mehr Personal. Bei den „Nuthespatzen“ sind laut Leiter Münzner bis zu 16 Kinder in einer Gruppe. Allerdings ist die Kita schon besser gestellt als viele andere Einrichtungen. Der Integrations-Schwerpunkt – von 80 Kindern sind 20 behinderte und rund 15 mit Migrationshintergrund in der Kita – erhalte man bereits zusätzliche Hilfen bei der Betreuung. Auch die sozialtherapeutische Komponente im Haus – einige Kinder kommen aus einem problematischen Umfeld – führe zu einer stärkeren Unterstützung. Münzner, der im Rahmen der Aktion mit seinen Mitarbeitern und den rund 80 Kindern Luftballons in den Himmel steigen ließ, sieht allerdings nicht nur das Land in der Pflicht. „Auch die Stadt kann etwas tun.“ Er forderte Betreuungsquoten, die sich an den Bedürfnissen der einzelnen Sozialräume orientiert, zu erstellen. „Das Gießkannenprinzip funktioniert nicht.“ Die Personalbedingungen am Schlaatz seien andere als in anderen Stadtteilen, konstatierte Kita-Leiter Münzner.
Durch eine Erhöhung des Betreuungsschlüssels könne auch eine weitere Forderung der Kita-Initiative erfüllt werden: Mehr Zeit für die Vor- und Nachbereitung der Arbeit. „Durch die hohe Betreuungsquote lassen sich in den 39 Arbeitsstunden pro Woche lediglich die Kernaufgaben eines Erziehers erfüllen“, so „Nuthespatzen“-Leiter Münzner. Zusätzliche Arbeiten oder individuelle Betreuungspläne würden durch die Mitarbeiter nahezu „ehrenamtlich in der Freizeit“ durchgeführt. Kay Grimmer
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