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Auf dem Weihnachtsmarkt müssen Händler sogenannte Glühwein-Durchlauferhitzer benutzen.

© Ottmar Winter

Eingeschränkte Öffnungszeiten denkbar: „Blauer Lichterglanz“ auf Sparflamme

Ohne Eisbahn, weniger Beleuchtung und Neuerungen an den Glühweinständen: Wie der Potsdamer Weihnachtsmarkt Strom sparen will. 

Potsdam - Der Potsdamer Weihnachtsmarkt wird in diesem Jahr in einer energiesparenden Variante geplant. Auch andere Potsdamer Gewerbetreibende und Unternehmen setzen angesichts der steigenden Energiepreise auf Sparmaßnahmen. 

Ab dem heutigen Donnerstag gelten durch die neue Energiesparverordnung des Bundes zudem neue Vorschriften: So dürfen etwa beheizte Geschäfte die Eingangstüren nicht mehr offenstehen lassen, Schaufensterbeleuchtung und Leuchtreklame müssen zwischen 22 und 6 Uhr ausgeschaltet bleiben, Büros in Nichtwohngebäuden dürfen auf maximal 19 Grad geheizt werden. Ein Überblick über die Lage in verschiedenen Bereichen.

WEIHNACHTSMARKT OHNE EISBAHN

Keine Eisbahn, eine abgeschaltete Beleuchtung zwischen 22 und 14 Uhr und eine Pflicht zur Nutzung spezieller Glühweindurchlauferhitzer: Das sind die wichtigsten Energiesparmaßnahmen für den diesjährigen Potsdamer Weihnachtsmarkt, wie Marktbetreiber Eberhard Heieck auf PNN-Anfrage sagt.

Man rechne derzeit mit knapp doppelt so hohen Preisen für den Strom, sagt Heieck. Genaueres sei erst nach den Verhandlungen mit dem städtischen Energieversorger EWP im Herbst klar. Er gehe jedoch nicht davon aus, dass die Strompreise zum Problem für die Händler werden. „Sie müssen das aber mit einpreisen“, betont er. Weihnachtsmarktbesucher:innen sollten sich also auf höhere Preise einstellen.

Veranstalter Eberhard Heieck.
Veranstalter Eberhard Heieck.

© Andreas Klaer

Bei der Illuminierung – unter anderem auch mit dem namensgebenden blauen Licht – habe man bereits von Glühbirnen mit 15 oder 7 Watt auf LED-Leuchten mit 0,8 Watt umgestellt, was beim Stromsparen helfe. „Wir werden mehr mit Zeitschaltuhren arbeiten und die Beleuchtung nicht mehr wie früher unbegrenzt anlassen“, kündigt Heieck an. In Absprache mit der Stadt wolle man die Beleuchtung voraussichtlich erst 14 Uhr einschalten und nach 22 Uhr ausstellen.

Die Eisbahn als einer der großen Stromfresser soll diesmal nicht aufgebaut werden: „Das wäre nicht zu vermitteln“, sagt Heieck. Beim Riesenrad sei ein Betrieb mit Beleuchtung erst ab dem Nachmittag angedacht. Für die Gastronomiebetriebe gelte erstmals die Auflage zur Nutzung sogenannter Glühweindurchlauferhitzer, erläuterte der Marktbetreiber. Dabei wird der Glühwein erst dann per Heizspirale erhitzt, wenn er tatsächlich gezapft wird – und köchelt nicht wie im herkömmlichen Glühweinkessel permanent vor sich hin. Je nachdem, wie sich die Lage bei der Energieversorgung entwickelt, seien auch eingeschränkte Öffnungszeiten des Marktes denkbar, sagt Heieck: „Es gibt noch viele Möglichkeiten, die dann greifen, wenn es akut wird.“

Der "Blaue Lichterglanz" in der Brandenburger Straße in Potsdam fand zuletzt in voller Länge 2019 statt.
Der "Blaue Lichterglanz" in der Brandenburger Straße in Potsdam fand zuletzt in voller Länge 2019 statt.

© dpa

INNENSTADTHANDEL SIEHT KEINE SPIELRÄUME BEI PREISGESTALTUNG

Die Händlergemeinschaft AG Innenstadt blickt angesichts der Energiepreissteigerungen „sorgenvoll nach vorne“, wie Vorstandschef Götz Friederich den PNN sagt. Noch stünden die Preissprünge erst bevor. Es sei aber absehbar, dass sie „nicht über die Preise auf die Kunden abwälzbar sein werden“, sagt Friederich – denn dann verliere man Kunden. „Die große Krux wird sein: Wie bekommt man diese Mehrbelastung kompensiert?“ Es sei auch abzuwarten, inwieweit es zu Entlastungen seitens der Politik kommt.

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WIE DIE EINKAUFSCENTER SPAREN

Auch in den beiden großen Einkaufscentern arbeitet man an Sparkonzepten. In den Bahnhofspassagen wird etwa die Werbebeleuchtung geprüft und der Umstieg auf LED vorangetrieben, wie Centermanager Carsten Paul den PNN sagt. Wegen langfristiger Verträge schlügen die gestiegenen Energiekosten noch nicht auf die Händler durch. Auch bei den Kunden sei bislang noch keine Kaufzurückhaltung spürbar. „Wir hatten einen sehr guten Sommer“, sagt der Center-Manager: „Wir sind gespannt, wie es im September aussieht.“ Als Verkehrsimmobilie gelten für das Center Ausnahmen von der neuen Sparverordnung – schon aus Gründen der Sicherheit: „Wir können nicht alles komplett dunkel machen“, sagt Paul.

Carsten Paul, Centermanager der Bahnhofspassagen.
Carsten Paul, Centermanager der Bahnhofspassagen.

© Andreas Klaer

Im Stern-Center in Drewitz arbeitet man daran, die Beleuchtung tageslichtabhängig zu reduzieren und prüft die Schließung des oberen Parkdecks zu wenig frequentierten Zeiten, erklärt Center-Manager Frank Kosterka. So wolle man einen Beitrag zum Energiesparen leisten und die Händler bei den Nebenkosten entlasten, die trotz langfristiger Energielieferverträge steigen.

SORGEN BEI HOTELS UND GASTRO

Besonders groß sind die Sorgen in Hotellerie und Gastronomie. Olaf Lücke, der Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Brandenburg, spricht von einer Verdrei- bis Verfünffachung des Gaspreises. „Und das sind nicht die einzigen Kostensteigerungen“, sagt er. 

Im Inselhotel Potsdam werden im November alle Gasherde gegen moderne Induktionsherde ausgetauscht.
Im Inselhotel Potsdam werden im November alle Gasherde gegen moderne Induktionsherde ausgetauscht.

© Andreas Klaer

Lohnerhöhungen und gestiegene Lebensmittelpreise seien weitere Probleme, ebenso das erwartete veränderte Verhalten der Gäste beim Geldausgeben. „Wenn die Betriebe sich jetzt keinen Speck anfressen können, um über den Winter zu kommen, wird es viele im nächsten Jahr nicht mehr geben“, warnt Lücke. Er rechnet damit, dass Hotels und Restaurants ihre Öffnungszeiten kürzen werden. Auch die Speisekarten würden angepasst.

Das Inselhotel etwa hofft entsprechend auf staatliche Hilfen, zumindest für eine Übergangszeit sei das dringend notwendig. „Die Preissteigerungen können nicht aufgefangen werden“, sagt Hotelchef Burkhard Scholz den PNN. Zugleich wolle man sich von Gas unabhängiger machen. „Wir werden noch dieses Jahr alle Kochherde, die noch mit Erdgas betrieben werden, durch Induktionsherde ersetzen.“ Zudem arbeite man daran, die Gasheizung noch 2023 auszutauschen.

Burkhard Scholz leitet das Inselhotel Hermannswerder.
Burkhard Scholz leitet das Inselhotel Hermannswerder.

© Ottmar Winter

WEISSE FLOTTE MIT PERSONALPROBLEM

Der Weissen Flotte bereitet momentan die Personalfrage mehr Kopfzerbrechen als der Dieselpreis, wie Unternehmenschef Jan Lehmann den PNN sagt. Seit Corona habe man keine festen Verträge für Diesel mehr. Die Flotte ist vor drei Jahren auf synthetischen Kraftstoff umgestiegen: Also auf Diesel, der im arabischen Raum nach dem sogenannten Gas-to-Liquid-Verfahren aus Erdgas hergestellt wird. „Wir nehmen die Preisschwankungen mit, können das aber noch einigermaßen abpuffern“, sagt Lehmann. Man blicke auf eine „ganz gute Saison“ zurück, habe aber im Zuge von Corona viel Personal verloren.

PREISERHÖHUNGEN IM HANDWERK?

Die Handwerkskammer bewertet die Situation der Potsdamer Handwerksunternehmen als differenziert. Derzeit sehe die Lage „noch nicht so schlecht aus“, sagt Sprecherin Ines Weitermann auf PNN-Anfrage. Es gebe noch keine bekannten Zahlungsschwierigkeiten. Die Kammer berate Handwerksunternehmen speziell zu Energieeinsparpotenzialen. Allerdings seien größere Investitionen – beispielsweise in neue Heiztechnik oder Solaranlagen – „aktuell auch nicht kurzfristig umsetzbar, da die Auftragsbücher der Betriebe natürlich voll sind“.

Weitermann geht davon aus, dass die Unternehmen die Energiepreissteigerungen künftig weitergeben müssen. Das werde die Investitionsneigung und Kauflaune der Verbraucher bremsen, befürchtet sie. Besonders betroffen seien die energieintensiven Handwerksbetriebe wie Bäckereien und Fleischereien. Die gestiegenen Energiekosten machten sich nicht nur am Strom- oder Gaszähler, sondern auch bei gestiegenen Einkaufskosten für Rohstoffe bemerkbar. Hier sei besonders die Baubranche betroffen.

Wichtig seien „klare Aussagen der Politik, wie die Energie- und Versorgungssicherheit auf Dauer gewährleistet werden soll“, so Weitermann: „Statt sich in immer skurriler werdenden Energiespartipps zu verlieren, erwarten wir planbare, zielgerichtete Unterstützung und nachvollziehbare Erklärungen und klare Lösungsvorschläge, die nicht von Waschlappen oder dem Timer beim Duschen geprägt sind.“

IHK GEGEN EINGRIFFE IN ENERGIEMARKT

Auch die Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK) fordert von der Politik die Sicherung der Energieversorgung. „Es kann nicht sein, dass wir die Wirtschaft gegen das gesellschaftliche Leben ausspielen“, sagt IHK-Sprecher Detlef Gottschling den PNN mit Blick auf eine mögliche Gasmangellage, in der nicht geschützte Industriebetriebe zuerst von der Versorgung abgeschaltet werden könnten. 

Er sprach sich gleichzeitig gegen staatliche Eingriffe in den Energiemarkt aus, wie sie angesichts explodierender Börsenpreise auch EU-Präsidentin Ursula von der Leyen in Aussicht gestellt hat. „Man kann Unternehmen nicht vorschreiben, wie sie ihr Unternehmen führen – das gilt für Energieversorger genauso wie für die Abnehmer.“

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