Landeshauptstadt: Camp der Kulturen
Neun Jugendliche aus aller Welt verrichten drei Wochen lang freiwillig Gartenarbeit in Sanssouci
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Dass jemand Urlaub nimmt, um die Potsdamer Parks und Schlösser zu sehen, ist nichts Ungewöhnliches. Hasmik Makaryan hingegen nahm sich frei, um drei Wochen lang im Park Sanssouci Gartenarbeit zu verrichten – ohne Bezahlung, fünf Stunden täglich. „Ich habe im Jahr vier Wochen Urlaub und drei davon habe ich für das Workcamp genutzt“, sagt die 22-jährige Armenierin. Zusammen mit acht anderen Jugendlichen aus Spanien, Polen, Georgien, den USA und Deutschland konnte sie vom 6. bis 27. Juli Baumaustriebe schneiden, Unkraut jäten und überwucherte Wegkanten begradigen.
Einmal jährlich reisen Jugendliche zwischen 16 und 26 aus aller Welt nach Potsdam, um in einem Workcamp der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste (IJGD) im Park zu arbeiten. Daneben bleibt natürlich noch genug Zeit, um neue Freunde kennenzulernen und Potsdam und Berlin zu erkunden. Für viele ist dies eine billige Art, Urlaub im Ausland zu machen und mit einem gemeinnützigen Zweck zu verbinden – selbst bezahlt werden muss lediglich die An- und Rückreise sowie 80 bis 120 Euro Vermittlungskosten, die Unterkunft stellt die IJGD.
Gerade ist Pause im Rosengarten nahe dem Schloss Charlottenhof: Makaryan und ihre Mitstreiter machen es sich im Holzpavillon gemütlich und essen eine Kleinigkeit, die ihnen die Workcampleiter Christina Maiwald und Levan Chkuaseli mitgebracht haben. „Ich mag Gartenarbeit sehr“, sagt Makaryan, die in den letzten Tagen vor allem trockene Blätter und Unkraut aus den Sommerbeeten entfernt hat. Normalerweise arbeitet sie als Finanzadministratorin für eine Firma, die Luxusautos vermietet. „Es ist schon mein drittes Workcamp“, sagt Makaryan, „zuvor war ich in Italien und Frankreich, aber das hier ist auf jeden Fall das Camp mit der schönsten Umgebung.“ Besonders gefalle ihr, dass sie im Park immer gleich die Ergebnisse ihrer Arbeit sehen könne.
Ab und zu schaut Jana Pflanz vorbei, um die Arbeit der Jugendlichen zu begutachten. Die Gartenmeisterin im Park Sanssouci ist seit sieben Jahren vonseiten der Schlösserstiftung für die Workcamps verantwortlich, die schon seit 1995 im Park Sanssouci stattfinden. „Die diesjährige Gruppe ist die motivierteste und ehrgeizigste, die ich bislang erlebt habe – sie vergleichen sogar die Anzahl der Bäume, die sie geschafft haben und sagen: ,Wir müssen heute so und so viele schaffen!’“
Gemeint ist das Wegschneiden der Triebe, die sich am Fuße vieler Bäume gebildet haben, etwa entlang der Allee südlich vom Neuen Palais, wo gerade Cormak Bloomfield mit der Astschere zugange ist: „Ich wollte unbedingt Europa kennenlernen und mehr über die deutsche Geschichte erfahren“, sagt der 18-jährige Geschichts-Student aus den USA.
Dazu ist nach der Arbeit Zeit, wenn die Jugendlichen an verschiedenen Besichtigungstouren in Potsdam und Berlin teilnehmen. Jetzt heißt es jedoch weiterackern, allerdings ohne Musik, denn im Arbeitseifer hat Bloomfield etwas zu schnell geschnitten: „Ich habe vor ein paar Tagen aus Versehen mit der Schere mein Kopfhörer-Kabel durchtrennt“, sagt er etwas unglücklich. Vielleicht eine Frage der Übung, denn Bloomfield sagt selbst: „Ich wusste eigentlich nichts über Gartenarbeit, bis ich hier angekommen bin.“
Sorge, dass die meist ungelernten Freiwilligen etwas im Weltkulturerbe Sanssouci beschädigen könnten, hat Jana Pflanz nicht: „Sie bekommen alle eine Einführung und kriegen relativ einfache Aufgaben in Bereichen, wo man nicht allzu viel kaputt machen kann.“ Problematisch sei für sie nur, wenn die Jugendlichen Werkzeug liegen gelassen, die Arbeitsstelle verlassen oder einfach nichts tun und sich in die Sonne legen. „Das hatten wir in den vergangenen Jahren auch hin und wieder.“
Die einzige Teilnehmerin aus Deutschland ist Imke Maier-Lohmann aus Rheinland-Pfalz. Damit führt sie quasi eine Familientradition fort: „Meine Eltern und meine Brüder waren auch schon in Workcamps“, sagt die 16-jährige Schülerin. Zuerst war Maier-Lohmann noch unsicher, ob dies auch etwas für sie sei, doch mittlerweile sei sie froh, es gemacht zu haben. Untergebracht sind die Jugendlichen während der drei Wochen in der Waldorfschule in Waldstadt, wo sie auch den Kräuter- und Gemüsegarten zum Kochen nutzen dürfen: „Beim Kochen sind bislang am stärksten die kulturellen Unterschiede herausgekommen“, findet Maier-Lohmann, die in den letzten Tagen armenische Backkartoffeln, spanische Tortillas und polnische Blinis kosten durfte.
Für Maier-Lohmann steht jetzt schon fest: In den nächsten Jahren will sie wieder an einem Workcamp teilnehmen, für eines im Ausland muss man allerdings 18 sein. „Vielleicht gehe ich dann nach Kanada“, sagt Maier-Lohmann. Erik Wenk
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