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Corona ist zurück: In Potsdam steigen die Zahlen
In der Landeshauptstadt gibt es mehr Infizierte - und im Bergmann-Klinikum mehr Covid-Patienten. Die Nachfrage nach angepasstem Impfstoff ist verhalten.
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Die siebte Corona-Welle baut sich auf, auch in Potsdam steigt die Zahl der Neuinfektionen – zumindest der offiziell erfassten. Die Sieben-Tage-Inzidenz in der Landeshauptstadt lag am Freitag bei 486, eine Woche zuvor betrug der Wert noch 331. Ebenso am Freitag wurden in Potsdam 193 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages gemeldet. Wie bisher ist davon auszugehen, dass die eigentliche Zahl weitaus größer ist. Er gehe von einem Vierfachen der registrierten Werte aus, sagte am Freitag Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Dass Corona sich verstärkt zurückmeldet, verzeichnet auch das Potsdamer Klinikum „Ernst von Bergmann“. Dort sind derzeit laut Klinikum 49 Covid-Patient:innen stationär in Behandlung, zwölf von ihnen wegen Corona, drei auf der Intensivstation. Donnerstag vor einer Woche, am 22. September, wurden nur 24 Covid-Patient:innen gezählt, davon acht wegen Corona und zwei auf der Intensivstation. In den Vorwochen seit Ende August lag die Zahl der Covid-positiven Patient:innen zwischen 16 und 31.
Das St. Josefs-Krankenhaus in Potsdam antwortete auf eine PNN-Anfrage zur Corona-Lage in der Klinik bislang nicht.

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Wie es mit der Corona-Welle weitergeht, ist nach Expertenmeinung offen. „Es wird sicher zum Herbst und Winter steigende Zahlen geben. Wie groß die Welle tatsächlich wird, ist noch nicht abschätzbar“, sagt Tillmann Schumacher, Oberarzt der Infektiologie am Klinikum. „Wir sehen aber, dass die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland insgesamt und in Potsdam wieder steigt.“
Wie groß die Welle tatsächlich wird, ist noch nicht abschätzbar.
Oberarzt Tillmann Schumacher
Im Krankenhaus aufgenommen werden müssten derzeit wegen Corona vor allem ältere Menschen über 70 Jahre, sagt Schumacher. „Sie benötigen ganz überwiegend keinen Sauerstoff und müssen nur in seltenen Fällen auf der Intensivstation behandelt werden.“
Omikron-Subvariante BA.5 am meisten verbreitet
Am meisten verbreitet ist nach Erkenntnissen aus dem Labor des Bergmann-Klinikums die Omikron-Subvariante BA.5. Von 290 in der vergangenen Woche durchgeführten Sequenzierungen von positiven Corona-Proben sei bei 271 BA.5 nachgewiesen worden, heißt es vom Klinikum, und bei neun Proben BA.4. Seit Ende Juli sei dieses Verhältnis zu beobachten.

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Seit dieser Woche können sich in Potsdam und Brandenburg Menschen mit dem für BA.4 und BA.5 angepassten Vakzin impfen lassen. Pro Woche könne jede Ärztin und jeder Arzt bis zu 240 Dosen bestellen, die ersten seien Anfang der Woche ausgeliefert worden, so die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB). Bislang sei die Nachfrage jedoch eher verhalten, schätzen KVBB und Hausärzteverband nach Rückmeldungen einzelner Praxen ein.
„Die Patienten fragen aber nach, ob sie auch den neuen Impfstoff erhalten, also sind schon gut informiert“, erklärt die Vorsitzende des Hausärzteverbands, Karin Harre. Es gebe jedoch „einige Patienten, die eigentlich laut Stiko eine vierte Impfung erhalten sollten, aber finden, dass sie jetzt keine weitere mehr haben möchten“, sagt Harre. Konkrete Gründe würden meistens nicht genannt.
Wie viele Ärztinnen und Ärzte in Potsdam wie viele Dosen des angepassten Impfstoffes bestellen, kann weder die KVBB noch der Hausärzteverband oder der Apothekerverband sagen. Das liege daran, dass die Bestellungen direkt über den Großhandel abgewickelt würden. Eine gesammelte Order für das ganze Land gebe es nicht mehr, bestätigte auch das Gesundheitsministerium.
Angepasster Impfstoff ab Dienstag erhältlich
Der anpasste Impfstoff ist ab Dienstag, den 4. Oktober, auch in der städtischen Impfstelle an der Jägerallee zu bekommen (Termine unter potsdam.de/impfen). Dort ist die Zahl der Impfungen zuletzt nach Angaben des Rathauses zurückgegangen. 120 Impfungen pro Woche wurden Anfang August verabreicht, in dieser Woche waren es noch 79, die meisten davon Dritt- und Viertimpfungen.
Für Unsicherheit sorgt mancherorts die Annahme, wonach diesen Winter Corona und Grippe zusammentreffen und zu einer „Twindemie“ werden könnten. In Potsdam ist das Klinikum auf einen solchen Verlauf vorbereitet. Infektiologe Schumacher appelliert an die Potsdamer:innen, sich „gemäß der Stiko-Empfehlung durch eine Impfung vor einer Influenza-Erkrankung zu schützen“.
Auch Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) rief am Wochenende zur Grippeimpfung auf. Vor allem Risikogruppen sollten nicht mit der Impfung warten. „Sie schützen damit nicht nur sich, sondern entlasten zugleich auch das Gesundheitswesen“, erklärte die Ministerin am Sonntag.
Der Arzt Schumacher sagt: „Wir hatten in den letzten zwei bis drei Jahren keine Grippewelle in Deutschland.“ Ebenso sei es in Australien gewesen, dann sei das Land im Mai dieses Jahres von einer besonders frühen und schweren Grippe-Welle erfasst worden. „Da die Jahreszeiten auf der südlichen Hemisphäre gegenüber der Nordhalbkugel um ein halbes Jahr verschoben sind, könnte dies ein Ausblick auf das sein, was Europa im Winter erwartet“, erklärt Schumacher.
Das könnte kritische Infrastruktur wie die Gesundheitsversorgung unter Druck bringen. Im Potsdamer Klinikum ist der Krankenstand des Personals bereits jetzt höher als im Vorjahreszeitraum. Er könne „aktuell noch ausgeglichen werden“, sagt Klinikumchef Hans-Ulrich Schmidt. Die neue Corona-Welle erschwere das aber.
49 mit Corona infizierte Patient:innen im Krankenhaus zu haben, bedeute „49-mal einen erhöhten Behandlungsaufwand unter anderem durch die persönliche Schutzausrüstung der behandelnden Ärzte und Pflegekräfte, durch räumliche Isolierung“, sagt Schmidt. Die Krankenhäuser bundesweit benötigten „dringend wieder Corona-Ausgleichszahlungen, um diesen zusätzlichen Aufwand, der durch das Krankenhaus-Finanzierungssystem nicht abgedeckt ist, ausgleichen zu können“.

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Dazu kommen der Arbeitskräftemangel in der Gesundheitsbranche sowie die bundesgesetzlichen Vorgaben zu Pflegepersonaluntergrenzen. Diese legen das Verhältnis von Pflegekräften und Patient:innen fest - wenn es an Pflegepersonal fehlt, können entsprechend Betten nicht betrieben werden. Für das Potsdamer Klinikum heißt dies nach Angaben von Geschäftsführer Schmidt, dass von den rund 1100 Betten nur 830 am Netz sind.
Und es könnten offenbar noch deutlich weniger sein, wenn es dem Klinikum nicht gelingen würde, Pflegepersonal einzustellen. „Im Vergleich zu Dezember 2019 haben wir inzwischen 132 Vollkräfte in der Pflege aufgebaut“, so Bergmann-Chef Schmidt. Zum 1. Oktober habe die Bergmann-Gruppe 48 frisch ausgebildete Pflegefachkräfte übernommen, gleichzeitig starteten 56 Frauen und Männer in die dreijährige Ausbildung.
Mit dem „Fünf-Punkte-Plan“ für Pflege versuche das Klinikum zudem weiter, ausländische Pflegekräfte zu gewinnen. Aktuell befinden sich laut Klinikum 41 Geflüchtete aus der Ukraine im Anerkennungsverfahren. Noch in diesem Jahr sollen außerdem 14 philippinische Pflegekräfte im Rahmen des Inga-Projekts des Bundesgesundheitsministeriums in Potsdam eintreffen. „Wir werden weitere Pflegestellen aufbauen, um unserem Versorgungsauftrag zukünftig wieder vollständig erfüllen zu können“, verspricht Klinikumchef Schmidt.
Wegen des neuen Infektionsschutzgesetzes, das am Samstag (1. Oktober) in Kraft getreten ist, müssen Besucher im Klinikum jetzt wieder einen negativen Corona-Test nachweisen, zudem sind die Besuchszeiten begrenzt und die Maskenpflicht wird verschärft. Infektiologe Schumacher ruft auch darüber hinaus zum Tragen einer FFP2-Maske auf: „Jede und jeder kann individuell etwas dazu beitragen, Infektionen zu vermeiden; zum Beispiel durch das - korrekte -Tragen einer Maske beim Zusammentreffen mit größeren Menschenmengen in Innenräumen.“
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