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Landeshauptstadt: Debatte um den Landtagsneubau am Alten Markt

Titelseitenfoto vom 16. November und Berichterstattung zur Abstimmung über den LandtagIch lese die PNN täglich.

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Titelseitenfoto vom 16. November und Berichterstattung zur Abstimmung über den Landtag

Ich lese die PNN täglich. Aber heute konnte ich nur den Kopf schütteln. Da stellt sich eine Hand voll Potsdamer an eine Baugrube und kommt auf die Titelseite. Günther Jauch darf sich in wüsten Beschimpfungen ergehen. Die demokratisch legitimierte Stadtverordnetenversammlung (SVV) fasst einen Beschluss, der als kleinkarierte Unmündigkeit dargestellt wird. Frau Keilholz bekennt sich zu ihrer Meinung und wird als beleidigte Leberwurst dargestellt. Da entscheidet sich das Parlament gegen einen halb gewalkten Schloss-Nachbau in einer Stadt, die vor Originalen strotzt. Die Presse stellt dies als zu korrigierenden Unfall dar. Herr Speer, der wiederholt betonte, wie ungeeignet ein Original für ein modernes Landesparlament wäre, muss als Sündenbock herhalten. Das ist unglaublich. Potsdam besitzt viele Orte, an denen sich das öffentliche Leben abspielt. Wer braucht diese Mitte, die nie als öffentlicher Raum für die Bürger gedacht war? Wollen wir diese Touristen-Kulisse wirklich? Man kann die Besucher an all den albernen Rekultivierungsversuchen zweifelhafter Zeiten vorbeiführen: Stadtkanal und Garnisonkirche. Die in der DDR gerissenen Wunden lassen sich nicht zurückbauen, sie brauchen eine zeitgemäße Antwort und die liegt nicht in der Erwägung, demokratische Prozesse zu umgehen. Eine Berichterstattung die der SVV eine lächerliche Nebenrolle gibt – das ist wirklich zu viel. Zur Ehrenrettung der PNN sei auf den Text verwiesen, der die innere Geometrie der alten Stadt darstellte. Dadurch wurde ersichtlich, dass es gar nicht möglich wäre, dem Schloss den städtebaulichen Rahmen zu geben, den es bräuchte, um seine – zweifelhafte – Wirkung zu entfalten.

Sven Sygnecka, Potsdam

Mangelndes Vertrauen in die Stadtverwaltung

Die gegenseitigen Schuldzuweisungen der Parteien und die Berichterstattungen gehen am Kern der Sache vorbei. Natürlich ist es eine Katastrophe für die Stadt. Es überrascht mich, dass manche Potsdamer in diesem Zusammenhang Genugtuung und einige sogar Schadenfreude äußern. Die Ursache liegt im mangelnden Vertrauen in die Stadtverwaltung. Da werden unausgegorene Projekte in blindem Aktionismus begonnen und Millionen Euro ausgegeben, obwohl weder eine fertige Planung noch ein abgeschlossenes Genehmigungsverfahren vorliegen. Es werden Bebauungspläne vorgelegt, von denen man so nebenher erfährt, dass die Striche darauf nicht genau zu nehmen sind, es werden Straßen erneuert, ohne die zahlungspflichtigen Anwohner einzubeziehen. Das Vertrauen in die Stadtverwaltung ist dem Gefühl gewichen, dass die Bürger dort nicht mehr für voll genommen werden. Die abweichlerischen Stadtverordneten sind diesem Gefühl gefolgt. Feige sollte man sie nicht nennen.

Helmut Kaiser, Potsdam

Bürgerbefragung – schnellstens!

Saskia Hünecke wünscht sich den Wiederaufbau des Originalschlosses, ohne allerdings zu erläutern, weshalb die Steuerzahler in der Uckermark oder in der Prignitz dafür aufkommen sollen. Ich würde eine Nutzung vorziehen, die mehr urbanes Leben verspricht, etwa ein Zentrum der Wissenschaft und Kunst.

Das sind aber alles Wünsche. Machbar ist ein Landtag in einer äußeren Gestalt, die der des alten Schlosses so weitgehend wie möglich entspricht. Jetzt sollten alle zusammenstehen und dafür sorgen, wie dies realisiert werden kann. Die einzige Möglichkeit, die starren Fronten aufzubrechen, wäre eine Befragung aller wahlberechtigten Bürger. Da die Nein-Sager bereits signalisierten, dass sie sich einem Votum pro Landtagsschloss unterwerfen wollen, kann dies doch nur eines bedeuten: Die Stadt muss schnellstens eine solche Befragung durchführen. So können die Potsdamer sich selbst noch ein, wenn auch vielleicht etwas verspätetes, Weihnachtsgeschenk machen.

Dr. Ellen Chwolik-Lanfermann, Potsdam

Demagogische Demokraten oder demokratische Demagogen?

Kurz nach der Stimmenauszählung baute sich gegen die Gegner eine Mauer der Ablehnung auf, die nun täglich höher wird. Statt Gräben zu überbrücken, werden diese mit demagogischer und undemokratischer Agitation vergrößert. Was meine ich mit Agitation? Es wird behauptet, die Potsdamer würden sich dieses Landtagsschloss wünschen. Das ist nicht wahr. Bis heute wurden alle Versuche, zum Schloss eine Bürgerbefragung zu initiieren, abgeschmettert. Ganz bewusst, denn es war zu befürchten, dass sich eine Mehrheit gegen das Projekt äußern würde. Jetzt übernehmen die unterlegenen Parteien dieses Anliegen. Sie hoffen das erwünschte Votum zu bekommen, wenn es heißt: Brache oder lieber vorgesehener Bau? Aber so darf die Frage nicht gestellt werden: Es geht nicht darum, ob dieser Platz bebaut wird, sondern womit und mit welcher Nutzung er bebaut wird. Immer wieder wird behauptet, die ablehnenden Stadtverordneten seien Gegner der Bebauung in der Stadtmitte. Das stimmt so nicht. Die Andere und die PDS plädierten schon immer für eine vernünftige Lösung, für einen Bau, der als Sitz der Uni, der Fachhochschule, Bibliothek mit Museum und Kneipen dienen könnte. Ob Original-Schloss oder angelehnt, war für uns zweitrangig. Wichtig ist, dass dieser Ort belebt wird. Mit einem Landtag sehen wir dies nicht gegeben, im Gegenteil.

Demagogisch ist die Art der Äußerungen auch, weil das Land der Stadt Potsdam eben kein Geschenk macht. Potsdam verkaufte dem Land ein Filetstück zu einem durchaus günstigen Preis. Viele Vorleistungen sind von der Stadt zu erbringen. Geschenk? Brandenburg baut doch für sich als Land einen neuen Landtag!

Demagogisch ist es, überzeugte Gegner des Baues als „Vollstrecker der SED“ zu nennen und ihnen ihre ernste Sorge um das Wohl Potsdams abzusprechen. Diese haben sich gegen Form und Nutzung ausgesprochen und ihre Meinung immer wieder begründet. Zum Letzten: Es ist zu diesem Zeitpunkt eigentlich zu spät, die Bürger zu befragen, da ein Votum ihrerseits völlig bindungslos ist. Aber vielleicht ist es interessant, was die Potsdamer mehrheitlich wollen, nicht nur die großbürgerliche Minderheit, die den Andersdenkenden Piefigkeit und Kleinmut vorwirft, obwohl gerade die in dieser Zeit Großmut und Weitsicht bewiesen haben.

Ute Grimm, Fraktionsvorsitzende der Fraktion Die Andere

Bürgerbefragung ist nicht sinnvoll

Eine Bürgerbefragung zum Wiederaufbau des Stadtschlosses halte ich nicht für sinnvoll und zweckmäßig. Ein sehr großer Teil der Potsdamer kennt das Stadtschloss und seine stadtbildprägende Funktion nicht aus eigener Erfahrung. Die Verantwortlichen nutzten die Zeit nicht, besonders nach dem Beschluss zum Wiederaufbau, den heutigen Potsdamern den Wiederaufbau emotional nahe zu bringen. Es gab zu wenig „Werbung“ für das Schloss. Die Potsdamer, die die PDS zur stärksten Fraktion im Stadtparlament wählten, empfänden einen Wiederaufbau wohl als eine späte, gesellschaftspolitische und ideologische Niederlage. Mit ihrem Ja ist nicht zu rechnen. Die Verantwortung für die bauliche Entwicklung der Stadt liegt bei der Stadtverwaltung und den Stadtverordneten. Vor einer dritten Abstimmung sollten deshalb alle Unstimmigkeiten zwischen den Fraktionen, den Befürwortern, die noch Einwände haben und der Landesregierung geklärt werden. Und dann sollte in der Stadtverordnetenversammlung offen abgestimmt werden.

Helmut Ritschel, Potsdam

Mit den ursprünglichen Proportionen den Landtag in die Mitte!

Der Beschluss des Landtages, seinen Sitz in der historischen Mitte zu nehmen und ein Gebäude auf dem Grundriss des alten Stadtschlosses in gestalterischer Anlehnung zu errichten, ist eine Initialzündung für die zukünftige Entwicklung der Potsdamer Mitte. Nicht zukunftsweisend ist der Beschluss der Stadtverordneten, dem Landtag nicht das erforderliche Baurecht einzuräumen. Als Förderverein des Potsdamer Stadtkanals sind wir uns bewusst, dass die zukünftige Bedeutung eines wieder gewonnenen Stadtkanals – insbesondere in einem harmonischen Ensemble aus wesentlichen und wieder hergestellten Bauwerken der historischen Mitte – begründet sein wird. Dazu gehört vor allem das ehemalige Stadtschloss, das mit seinen Proportionen und seiner architektonischen Qualität unserer Stadt die zentrale Bedeutung und die Aufenthaltsqualität verliehen hatte, die sie zukünftig wieder haben soll. Wir unterstützen deshalb den Ruf vieler Bürger, der die Verantwortungsträger in Stadt und Land auffordert, den Beschluss mit einem zustimmendem Votum der Stadtverordneten umzusetzen.

Dazu sind folgende Schritte notwendig: 1. Das Wirken des Finanzministers und seine inhaltliche Interpretation des Landtagsbeschlusses sind nicht hilfreich, der generationsübergreifenden Bedeutung des geplanten Bauwerkes gerecht zu werden. Der Neubau des Landtages muss Chefsache werden – die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten muss spürbar werden. Der Landtag muss die Wahrnehmung seiner Bauherrenfunktion bereits jetzt inhaltlich ausfüllen.

2. Alle notwendigen Entscheidungen sind vom politischen Kalkül zu lösen und auf Sachebene zu entscheiden. Verweigerung oder persönliche Antriebe in dieser entscheidenden Weichenstellung für unsere Stadt kann es nicht geben. 3. Der Oberbürgermeister muss den Dialog mit allen Entscheidungsträgern aufnehmen, für die verantwortlich handelnden Personen vermittelnd wirken und die Bürgerschaft in sein Engagement öffentlich nachvollziehbar einbeziehen. 4. Am Ende sollte eine Entscheidung stehen, die von einer breiten Mehrheit getragen wird, die ohne wenn und aber den Wortlaut des Landtagsbeschlusses von 2005 einhält und damit den Weg frei macht für ein Landtagsschloss in der Mitte unserer Stadt.

Es wurde auch beschlossen, den Attika- und Figurenschmuck über Spenden zu realisieren. Dabei wollen wir den Verein Potsdamer Stadtschloss e.V., der schon mit dem Fortunaportal bewiesen hat, dass es dieses private Engagement tatsächlich gibt, gern nach Kräften unterstützen. Die Gestaltung der historischen Mitte unserer Stadt ist ein gemeinschaftliches und generationsübergreifendes Werk, das unser eigenes Leben, Fortkommen und Wohlbefinden prägen wird. Dafür wollen wir unseren Beitrag leisten!

Siegfried Benn (Vorsitzender) und Henning Krentz, Förderverein für die Wiederherstellung des Stadtkanals in Potsdam e.V.

Architektenwettbewerb gefordert

Die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung hat die Beschlussvorlage für die Auslegung des Entwurfes zum Bebauungsplan für die Potsdamer Mitte abgewiesen. Die darin formulierten Planungsziele waren den Abgeordneten wohl zu abstrakt, deren Umsetzung in ein qualitätsvolles Landtagsgebäude am Alten Markt zu vage. Bei aller, vielleicht zweckmäßigen, Eile wurde jedoch dieser Qualitätsanspruch in der Wahrnehmung vieler nicht ausreichend augenscheinlich. Die Potsdamer Mitte wird sich immer mit den im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft ( real oder verklärt ) vorhandenen Erinnerungen an die Stadtmitte vor 1945 messen lassen müssen. Neues kann dazu nur in Wettbewerb treten, wenn es in Bildern begreifbar wird. Respekt und Selbstbewusstsein der Stadtgesellschaft in ihrem Anspruch für die neue Bebauung ist erforderlich. In Teilen trugen die Stadtverordneten mit ihrem Beschluss dem Rechnung. Es erfordert Diskussionen über die Ansprüche, aber auch Architektenwettbewerbe mit Vorgaben und Auswertungen. Denn an der Vielfalt von Varianten lassen sich individuelle und kollektive Qualitätsansprüche qualifizieren und relativieren. Der erzielbare tragfähige Grundkonsens rechtfertige allemal den vermeintlichen Mehraufwand von Wettbewerbsverfahren. Die seit Jahrzehnten bewährte Transparenz von Wettbewerbsverfahren ist hierfür bestens geeignet.

Brandenburgische Architektenkammer

Erklärung der Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen in der Potsdamer Mitte zur Ablehnung des Bebauungsplanes

Die Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen in der Potsdamer Mitte sind besorgt, dass nach der Ablehnung des Bebauungsplanes auf Jahre hinaus das Stadtzentrum eine Brache bleibt. Mit dem Neubau eines Landtags in der Kubatur des Stadtschlosses ist die einmalige Chance verbunden, die Mitte nach Jahrzehnten des Stillstands wieder zu einer Visitenkarte des Landes und der Stadt zu entwickeln. Potsdam erhält am historischen Ort sein Herz zurück. Der Neubau des Landtags wird weitere Initiativen zur Entwicklung der historischen Mitte und der gesamten Innenstadt auslösen. Die Mitte wird zu einem Ort zeitgemäßer, lebendiger Demokratie. Wir rufen alle Verantwortlichen auf, nach Wegen zu suchen, um die durch die Ablehnung des Bebauungsplanes eingetretene schwierige Phase zu überwinden. Nur durch den gemeinsamen Willen aller Beteiligten kann ein konstruktiver Weg für den Landtagsneubau und damit für die Potsdamer Mitte insgesamt gefunden werden.

Prof. Dr. Helene Kleine, Fachhochschule Potsdam, Dr. Bärbel Dalichow, Filmmuseum, Gert Streidt, Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Dr. Detlef Knuth, Naturkundemuseum, Elke Bahr, Altes Rathaus - Potsdam Forum, Frauke Roth, Kammerakademie Potsdam, Dr. Andrea Palent, Nikolaisaal und Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, Dr. Martin Schaad, Einstein Forum, Prof. Dr. Konrad H. Jarausch, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Christoph Wichtmann, Kulturfeste im Land Brandenburg e.V., Marion Mattekat, Stadt- und Landesbibliothek

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