Hasso Plattners Geburtstag: Der Glücksfall
Hasso Plattner hat viel für Brandenburgs Landeshauptstadt getan. Heute wird der Mäzen 70 Jahre alt
- Jan Kixmüller
- Peer Straube
- Thorsten Metzner
Stand:
Schuld sind Manfred Stolpe, Alkohol und Tabak. Ein lockeres Gespräch zwischen zwei Männern an einer Bar in Berlin. Beide ahnen damals, im März 1998, nicht, dass sich dieses Treffen für Potsdam als großer Glücksfall erweisen sollte. Der Mann neben Stolpe ist Hasso Plattner, Mitbegründer des Software-Konzerns SAP, Mäzen und einer der reichsten Deutschen. Der Sozialdemokrat Stolpe, damals Brandenburgs Ministerpräsident, erinnert sich: „Wir haben uns damals in der Talkshow bei Sabine Christiansen kennengelernt.“ Nach der Talkshow habe man 1998 an der Bar zusammengesessen, erzählt Stolpe. „Und dann kam der entscheidende Punkt: Er wollte rauchen, hatte aber keine Zigarillos mehr. Und ich habe immer welche dabei.“ Und „nach dem zweiten Glas Wein, dem dritten Zigarillo habe ich ihn gebeten, mal nach Potsdam zu kommen“. Thema der Talkshow damals: „Ist die Kohl-Partei noch zu retten – scheitert die CDU am Osten?“ Nun, 16 Jahre später, regiert die Merkel-CDU Deutschland – und Plattner wohnt im Osten. In Potsdam. Und er sammelt ostdeutsche Kunst. Heute wird er 70 Jahre alt.
Der Rest ist bekannt. Plattner kam, sah und engagierte sich. In Potsdam – weil es einer der schönsten Flecken der Erde ist, wie er selbst einmal bekannte. Ein nach ihm benanntes Software-Institut am Griebnitzsee hat er gestiftet und finanziert es, hat die historische Fassade und das Kupferdach für den Wiederaufbau des Stadtschlosses als Landtag gespendet – und er wird der Stadt auch noch ein Kunstmuseum von Weltgeltung schenken. Er hat eine Risikokapital-Firma hier gegründet und SAP mit einer Niederlassung an den Jungfernsee geholt. Wie viel Geld er inzwischen in diese Stadt gesteckt hat, weiß keiner so genau. 300 Millionen Euro sollen es einmal sein. Leisten kann er es sich, sein Vermögen wird – je nach Quelle – auf bis zu 7,3 Milliarden Euro geschätzt. Plattner ist einer der 100 reichsten Menschen der Welt, einer der reichsten Deutschen sowieso.
Dass Plattner allergisch reagiert, wenn vom „Milliardär“ oder „Software-Milliardär“ die Rede ist, charakterisiert ihn vielleicht am besten. „Ich bin von Beruf nicht Milliardär, sondern Unternehmer“, sagt er dann. Ihm sei sein Vermögen nicht in den Schoß gefallen. „Mäzen“ – das darf man sagen.
Geboren wird er am 21. Januar 1944 im vom Krieg gezeichneten Berlin. In Karlsruhe studiert er Nachrichtentechnik und gründet 1972 mit vier Mitstreitern das Software-Unternehmen SAP, heute eines der größten der Branche. Bis heute mischt er als Aufsichtsratschef in der in Walldorf ansässigen Firma mit, die im kalifornischen Palo Alto eine Niederlassung unterhält. Die vielen Jahre in den USA haben Plattner geprägt – nicht zuletzt, was sein Verständnis von der Verantwortung angeht, die große Vermögen mit sich bringen. In den 90er-Jahren trägt er sich mit der Idee, eine Universität zu gründen, nach dem Vorbild großer Stifter aus den USA. In den Sinn kommt ihm der Plan auf dem Potsdamer Telegrafenberg im Angesicht der ehrwürdigen Forschungseinrichtungen. Doch schnell muss er einsehen, dass eine ganze Universität sogar einem mehrfachen Milliardär finanziell schwerfallen würde. Aus der geplanten Uni wird schließlich das 1998 gegründete Hasso-Plattner-Institut (HPI) am Babelsberger Griebnitzsee, das an eine staatliche Universität angebunden ist. Bis heute eine Erfolgsgeschichte. Mit mehr als 200 Millionen Euro finanziert der Stifter den Lehrbetrieb und die Kaderschmiede für Softwaretechniker bislang – deutschlandweit ist das ohne Beispiel.
Hasso Plattner hat die Gabe, seine Zuhörer in den Bann zu ziehen. Wenn er spricht, hängen die Menschen an seinen Lippen. Er erzählt in Rückblenden, Anekdoten und Geschichten, er schläfert nicht mit langweiligen Power-Point-Präsentationen ein. Mit seiner eindringlichen Stimme spricht er von Erfolgen, aber auch von Misserfolgen und von Versäumnissen. Etwa davon, dass Deutschland in den 1980er-Jahren den Anschluss an die IT-Revolution verpasst habe. Und dass so etwas nicht wieder passieren dürfe. In solchen Fällen wird Plattner geradezu beschwörend. Oder wenn es alle Wahljahre wieder um die Reichensteuer geht. Da wird Plattner direkt. Sollten große Vermögen höher besteuert werden, sei ein gestiftetes Institut wie das HPI nur schwerlich zu halten.
Plattner ist kein Krawattenträger. Aus den USA hat er sich eine gewisse Unkonventionalität mitgebracht. Das macht ihn um so überzeugender. Wenn er im Freizeithemd vor den Oberen der Wirtschaft spricht oder im Pulli Brandenburgs höchsten Orden in Empfang nimmt, dann saugen die seine Worte auf wie Honig. Doch das, was Plattner als einzigartigen Charakter ausmacht, das kann man von ihm nicht in einem Vortrag oder einer Vorlesung lernen. Es ist das Gespür für Innovation und die Gabe des unbedingten Willens. In Waldorf bei SAP haben sie den Willen fürchten gelernt; weil er unwirsch bis cholerisch werden kann, wenn es ihm zu langsam geht, wenn Apparate tätig werden im zum Weltkonzern gewachsenen SAP. Wenn Plattner etwas erreichen will, dann gelingt ihm das auch. Da kennt er keine Freunde – nur Fähige und Unfähige.
Er mag es, wenn sich Menschen für etwas engagieren. Dann ist er auch bereit zu helfen. Es waren letztlich die Bürger Potsdams, die ihn 2007 dazu bewogen haben, 20 Millionen Euro für die historische Fassade des Landtagsschlosses zu spenden. „Es ist eine historische Chance: Wenn die Potsdamer das Stadtschloss wollen, soll es nicht am Geld, nicht an finanziellen Engpässen scheitern“, sagte er damals. Später legte er noch mal nach, damit das Schloss auch sein Kupferdach bekommt und nicht eines aus schnödem Zink.
Nicht immer hat Potsdam sich dankbar gezeigt. Als Plattner 2012 seine Pläne für eine Kunsthalle bekannt machte, die er anstelle des Mercure-Hotels bauen wollte, schlug ihm – neben großer Begeisterung – auch eine Welle der Ablehnung entgegen. Die Schmähbriefe verfolgten ihn bis in seine Villa am Griebnitzsee und in die Konzernzentrale von SAP. Solche Dinge treffen Plattner hart. Überempfindlichkeit nennen es manche, andere werten es als Ausdruck seiner Bescheidenheit. Er wolle seine Ideen niemandem aufdrängen, sagte Plattner damals enttäuscht – und googelte sich täglich und las alle hämischen Leserkommentare auf den Onlineseiten der Zeitungen. Eine spontane Demo mit tausend Potsdamern für eine Kunsthalle im Lustgarten, an der Prominente wie Günther Jauch, Nadja Uhl und Wolfgang Joop teilnahmen, vermochte ihn nur kurzzeitig umzustimmen. Manche orakelten bereits, Plattner sei „fertig mit Potsdam“. War er auch. Aber eben nicht ganz. Auch das ist Plattner: Er kann seine aus Eruptionen geborenen Entscheidungen auch zurücknehmen. Er kann sich beruhigen.
Als bereits alles verloren schien für Potsdam, erschien ein Seelenverwandter auf dem Plan: Der Berliner Unternehmer Abris Lelbach, selbst mit ausreichend viel Geld gesegnet, schaffte es, Plattners Kunstmuseum doch noch in Potsdams Mitte zu holen. Als Bauherr des Palastes Barberini, der direkt neben dem Stadtschloss an der Alten Fahrt wiederersteht, gewann er den SAP-Gründer als Partner. Plattner will seine Sammlung ostdeutscher Malerei und Bildhauerei im Museum Barberini zeigen, aber auch wechselnde Ausstellungen mit Werken weltberühmter Künstler. Eröffnet wird das Haus 2016 mit einer Ausstellung französischer Impressionisten. Und immer drin hängen wird seine für Potsdam angelegte Sammlung ostdeutscher Kunst der vergangenen 60 Jahre.
Auch dies – ein unglaubliches Geschenk für Potsdam, dessen Wert sich in Wirtschaftskraft allein nicht fassen lässt. Das Haus wird, da sind sich Experten sicher, Kunstinteressierte aus aller Welt anlocken. Den aufwendigen Betrieb zahlt Plattners Förderstiftung. Und im Hof wird etwas stehen, dass die DDR einmal anders gemeint hatte, aber das auch irgendwie zu Plattner passt: die Monumental-Skulptur „Der Jahrhundertschritt“ von Wolfgang Mattheuer, die Plattner für seine Potsdam-Sammlung erworben hat.
Doch auch an weniger bekannten Stellen in Potsdam hat der passionierte Segler den Mäzen gespielt. So gab er Geld für die Sanierung des Stibadiums, eines kleinen Gartenpavillons, im Park Sanssouci. Ex-Ministerpräsident Stolpe hat Plattner dazu überredet.
„Er ist ein außerordentlich sympathischer Mensch, ein Mann der Entscheidungsfreude und der Emotionen“, sagt Stolpe über Plattner. „Manchmal habe ich den Eindruck, dass Potsdam nicht bewusst ist, wie man mit einem solchen Mann umgeht. Er ist ein Segen für die Stadt.“
Und diese Stadt manchmal auch für ihn. An seinem HPI hat er nach Jahrzehnten zurückgefunden zu seinen Wurzeln als Software-Pionier. Mit „meinen Doktoranden“, wie er sie nennt, hat er eine neue Software entwickelt – Hana heißt die und liefert Unternehmen alle wichtigen Daten in Echtzeit. Früher dauerte das Tage. Ein völlig neuer Weg, ein neuer Ansatz. Plattner war sich sicher: ein großer Wurf. Bei SAP waren sie träge, der Apparat begann zu prüfen. Und Plattner war genervt. So habe er, erzählte er später, SAP erpresst: „Entweder ihr macht das – und zwar schnell – oder ich mache das mit einer neuen Firma.“ SAP reagierte. Und Hana wurde ein Erfolg: Noch nie hatte der Konzern binnen eines Jahres mit einer neuen Software so viel Geld umgesetzt wie mit Plattners Potsdamer Baby.
Und er selbst? Er ist – 16 Jahre nach dem Barabend mit Manfred Stolpe – angekommen in Potsdam. Woran er das erkannt hat? Er beschrieb es so: „Jetzt gehe ich auf dem Pfingstberg spazieren und sage in meiner süddeutschen, angelernten Art ,Grüß Gott’, und dann gibt's da Leute, die sagen ,Guten Tag, Herr Plattner’. Normalerweise, wenn man im Wald spazieren geht und hier ,Grüß Gott’ sagt, dann gucken einen die Leute an und sagen ,Du bist hier wohl im falschen Film, oder wat.““ Aber ihn lassen sie jetzt in Potsdam. (Mitarbeit: Peter Tiede)
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