
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Der Kammer-Diener
Wieland Sommer formte erst Ziegelsteine – und ab 1995 Brandenburgs Interessenvertretung der Ingenieure
Stand:
Ob er ein Workaholic sei? Wieland Sommer würde sich nicht unbedingt so bezeichnen. „Aber andere nennen mich so“, räumt der 74-jährige Potsdamer lächelnd ein. „Mr. Ingenieurkammer“ wird Sommer von Freunden und Kollegen genannt, denn er war zehn Jahre lang Geschäftsführer der Brandenburgischen Ingenieurkammer in Potsdam. 2005 ging er zum ersten Mal in den Ruhestand, wurde aber 2007 zum Präsidenten der Kammer gewählt – mit einem Pensum bis zu 60 Stunden pro Woche. 2012 nun soll nun wirklich Schluss sein, aber Sommer bezeichnet seine jetzige Situation selbst scherzhaft als „Un-Ruhestand“, denn er war gerade auf Reise in Polen, um die Beziehungen zu dortigen Ingenieurskammern zu pflegen. Auch sonst macht Sommer keinen müden Eindruck: Er wirkt vital und strahlt eine selbstbewusste Ruhe aus, seine Worte klingen überlegt und bestimmt. Er ist der Kammer weiterhin als Mentor und natürlich als Mitglied verbunden. „Ich will im Ruhestand nicht nichts mehr tun und in ein tiefes Loch fallen“, sagt Sommer, der zudem noch ehrenamtlich in drei Fördervereinen und dem Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e.V. tätig ist.
Seinen Arbeitseifer hat der 1938 in Leipzig geborene Sommer vielleicht vom Ziegeleihandwerk, das er 1958 als Jugendlicher in Großräschen erlernt hat, zu einer Zeit, als die DDR Baustoffe dringend nötig hatte. Zu einer Zeit allerdings auch, als die Herstellung von Ziegeln noch in etwa auf dem Stand von 1854 war: „Es war eine körperlich sehr schwere Arbeit“, erinnert sich Sommer, „wir haben die Ziegel selbst geformt, getrocknet und in den Ringofen eingefahren. Wir arbeiteten bei Temperaturen von bis zu 70 Grad, ohne Schutzkleidung, wir hatten nicht mal Helme.“ Nicht nur schlichte Klinkersteine musste Sommer damals formen: „Wir Lehrlinge haben auch Fensterformsteine für den Wiederaufbau des Roten Rathauses in Berlin hergestellt.“
Nach einem Ingenieursstudium wurde Sommer in die Ziegelwerke Niemegk delegiert. „So kam ich nach Brandenburg“, sagt er. Er bekam das Angebot, ins Bezirksbauamt in Potsdam zu wechseln, und sagte zu: „Es war schön, als Großstädter mal wieder in die Stadt zu kommen. Der schnöde Mammon zog natürlich auch“, meint Sommer lächelnd, „1964 bekam ich in Niemegk 630 Ostmark brutto, in Potsdam auf Anhieb 825.“ Nach der Wende ging Sommer als Referatsleiter ins Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr und machte nebenbei eine „Anpassungsqualifizierung“, sprich: „Ein Studium für Personal aus der ehemaligen DDR, die dann bürgerliches Recht und Bauordnungsrecht lernen ‚durften’.“
Sommer meint das keinesfalls böse, ist er doch selbst der Ansicht, dass diese Qualifizierung vielleicht ein Grund dafür war, dass er 1995 zum Geschäftsführer der ein Jahr zuvor gegründeten Brandenburgischen Ingenieurkammer gewählt wurde. In den ersten Jahren – mit etwa 1000 Mitgliedern im Jahr 1995 – ging es vor allem um die Konstituierung der Kammer. Zwölfstündige Arbeitstage seien damals die Regel für ihn gewesen, so Sommer, der sich später als Präsident häufig die Zeit nahm, um Ingenieursbüros persönlich zu besuchen. Das Ziel der Ingenieurskammer sei es laut Sommer, die Arbeitsbedingungen, die Qualität, die Honorare und das Ansehen der Ingenieure zu verbessern. „Ingenieure haben eine Lobby sehr nötig“, betont Sommer auch heute noch, wo die Kammer etwa 2000 Mitglieder zählt; die meisten von ihnen sind aus dem Bauwesen. Doch die Zahlen gehen seit 2003 zurück, vor allem junge Ingenieure wandern ab. Nachwuchs zu fördern ist daher ein wichtiges Ziel der Kammer. Ein Signal in diese Richtung ist auch Sommers Schritt, nicht mehr für das Präsidentenamt zu kandidieren: Sein Nachfolger Matthias Krebs ist 44 Jahre alt.
Seine Partnerin habe sich während seiner aktiven Zeit mit dem Arbeitspensum arrangiert und ihm immer Rückhalt und Unterstützung zukommen lassen, sagt Sommer. Doch er habe die Arbeit gebraucht: „Dieses lange Arbeitsleben hat mich frisch gehalten, man hat keinen geistigen Stillstand.“ Nun will er sich mehr um Familie und Freunde kümmern und Dinge tun, die er lange weggeschoben habe, weil keine Zeit dazu war, zum Beispiel Arbeiten im Garten, Reisen, Bücherlesen und Spiele des SV Babelsberg 03 besuchen, dessen Mitglied er ist.
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