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Tatsachen geschaffen. Am Mittwoch begannen die Bauarbeiten.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: „Die dritte Enteignung“

Groß Glienicker Seeanrainer reagieren erbost auf Ankündigung der Stadt, Enteignungen zu beantragen

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Groß Glienicke - Erbost und sarkastisch haben Eigentümer von Seegrundstücken in Groß Glienicke auf die Ankündigung der Stadt reagiert, im Konflikt um einen Uferweg auf dem ehemaligen Mauerstreifen Enteignungsverfahren zu starten. „Wir finden es bemerkenswert, dass sich die Landeshauptstadt hier pünktlich zum 50. Jahrestag des Mauerbaus – vertreten durch ihr Zentralkomitee – in Bewegung setzt“, sagte Anwalt Christoph Partsch, der mehrere Ufer-Anrainer vertritt. Mache Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) ernst, bedeute das für die Seegrundstücke in Groß Glienicke die dritte Enteignung: Die Nationalsozialisten hätten jüdische Eigentümer enteignet, nach 1945 habe die DDR für den Bau der Mauer auf das Privatland zugegriffen und jetzt komme die Stadt Potsdam, um einen öffentlichen Uferweg durchzusetzen. „Das entspricht dem, was man sich unter der kleinen DDR Brandenburg vorstellt“, so Rechtsanwalt Partsch.

Der Berliner Jurist, der seit Jahren Anrainer in Groß Glienicke, aber auch im Griebnitzsee-Uferkonflikt vertritt und immer wieder mit Polemik auffällt, wies die Darstellungen Potsdams im Uferstreit zurück. Oberbürgermeister Jakobs hatte am Mittwoch angekündigt, ab September Anträge auf Enteignung von Privatflächen am Ufer des Groß Glienicker Sees zu stellen, da mit den Eigentümern kein Kompromiss mehr möglich sei. Zweijährige Verhandlungen seien ohne Erfolg geblieben, die 42 Anrainer hätten weder Kaufangebote angenommen noch einem Moratorium zugestimmt, während dessen der Ufer-Bebauungsplan zu ihren Gunsten verändert werden sollte. Der nicht mehr anfechtbare Plan untersagt zahlreiche Bauten und Nutzungen, so Stege und Zäune.

Rechtsanwalt Partsch sagte, aus Sicht seiner Mandanten sei die Landeshauptstadt „nie bereit gewesen, in irgendeinen Vergleich einzusteigen“. Nur wenn beide Seiten auf Rechte verzichteten, könne es eine Einigung geben. Den Anrainern sei aber nichts von dem zugebilligt worden, was sie im Gegenzug für den öffentlichen Uferweg gefordert hätten – beispielsweise Zäune, Stege oder beschränkte Öffnungszeiten des Weges. Auch sei der von Potsdam in Aussicht gestellte „finanzielle Ausgleich“ nicht akzeptabel gewesen. „Es ist ein Diktat vorgelegt worden.“ Anrainer hätten das Vertrauen in Jakobs verloren: „Seine Worte wurden hinterher durch Schreiben der Verwaltung widerlegt.“ Daher sei auch das Moratorium nicht ernst zu nehmen gewesen, „das war ein Trick“, so Partsch.

Dass die aktuellen Kaufangebote der Stadt für die für den Weg benötigten Uferflächen nicht angenommen wurden, sei wenig verwunderlich. Potsdam habe keinen konkreten Preis geboten und auch kein Verfahren zur Wertermittlung vorgeschlagen.

Laut dem Projektleiter „Uferwege“ in der Bauverwaltung, Sven Klosa, würde die Stadt auch nicht viel zahlen: Es handle sich um öffentliches Grün, nicht um Bauland. Die Rede war von weniger als zehn Euro pro Quadratmeter. Der Verkehrswert der Seegrundstücke aber liegt weitaus höher – und für Uferflächen am ebenfalls umkämpften Griebnitzsee musste die Stadt jüngst rund 100 Euro pro Quadratmeter an den Bund zahlen. Bei Enteignungen würde die Entschädigung durch ein Gutachten der Enteignungsbehörde des Innenministeriums festgelegt.

Der knapp zweieinhalb Kilometer lange Uferweg am Groß Glienicker See, teilweise von Anrainern gesperrt, verläuft auf dem ehemaligen Postenweg der DDR-Grenzer. Für den Uferweg gibt es – anders als am Griebnitzsee – seit 1999 einen gültigen Bebauungsplan. Diesen will die Stadt Potsdam nun umsetzen. Die Mehrzahl der Anrainer lehnt dies ab. Sabine Schicketanz

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