Von Henri Kramer und Sabine Schicketanz: Durchbruch am Westufer
Stadt ließ Uferweg räumen – mit der Begründung Naturschutz / Anrainer kündigen neue Sperren an
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Groß Glienicke - Der Spazierweg am Westufer des Groß Glienicker Sees war gestern an zwei Stellen nicht mehr blockiert: Die Potsdamer Stadtverwaltung ließ am Vormittag die Sperren an den Grundstücken Seepromenade 39 a und 65 räumen. Aussicht auf langfristigen Erfolg hat die Aktion der Stadt jedoch nicht. „Die Grundstücke sind Privateigentum, das Betreten durch die Öffentlichkeit haben meine Mandanten sich verbeten“, sagte Christoph Partsch, Rechtsanwalt der Anrainer, gestern auf PNN-Anfrage. Daran ändere auch die „Gewaltaktion“ der Stadt nichts. Seine Mandanten würden den Weg wieder sperren und Wachschützer postieren. Wer die Grundstücke trotzdem betrete, gegen den werde Strafanzeige gestellt, so Partsch. Bei einer Demonstration am gestrigen Abend, setzten die Anrainer die Drohung nicht um. Alles verlief friedlich.
Es sei ein „Skandal“, so der Anwalt, dass die Anrainer im „Unrechtsstaat Brandenburg“ gezwungen seien, ihr Eigentum mit Wachleuten schützen zu lassen. Auch habe die Stadt Potsdam durch „fahrlässiges, falsches Kommentieren“ verursacht, dass „eine ganze Reihe von Straftaten“ begangen worden seien. Auch Morddrohungen hätten seine Mandanten erhalten. Laut Polizeisprecher Mario Heinemann liegen derzeit etwa zehn Strafanzeigen wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung vor.
Partsch kündigte an, seine Mandanten würden gegen die Anordnung der Stadt, die Sperren zu beseitigen, vor das Verwaltungsgericht ziehen. Das sei jedoch erst nach einer dreimonatigen Frist zulässig, da bei der Behörde Widerspruch eingelegt worden sei. Kommt es dazu, muss das Gericht entscheiden, ob die Uferweg- Sperren rechtens sind.
Bei der Räumung mit Baggern hatte sich die Stadt gestern nicht auf ein Betretungsrecht für die Öffentlichkeit berufen. Stattdessen ging es um die Art der Pflanzen, die von den Anrainern als Hecken-Barrieren gepflanzt worden waren. Die Eiben und Rosenbüsche an der Seepromenade 65 entsprächen nicht den naturschutzrechtlichen Regelungen, sagte Joachim Tietjen, Justitiar in der Bauaufsicht. Die Pflanzen seien außerdem im gültigen Bebauungsplan für das Gebiet nicht vorgesehen. Geräumt wurde, da die Anrainer der Beseitigungsanordnung der Stadt trotz Androhung eines Zwangsgeldes nicht gefolgt seien, so Tiedjen. Auch die sperrenden Anwohner an der Seepromenade 1a und 1b sowie Dorfstraße 10c würden demnächst mit einem ähnlichen Vorgehen rechnen müssen. Es habe dort lediglich eine Verzögerung gegeben, so Stadtsprecher Stefan Schulz. Die vier Sperren am Südufer des Sees dagegen können so bald nicht beseitigt werden. Justitiar Tietjen bestätigte, dass die Verwaltung hier auf ein abschließendes Urteil des Oberverwaltungsgerichts warte. Ein Termin für das Verfahren sei noch nicht bekannt.
Die Pflanzen aus den Hecken-Barrieren wurden gestern Vormittag auf einem Kleinlaster deponiert; sie würden zur Kolonie Alexandrowka gebracht und eingepflanzt, hieß es. Ihre Besitzer könnten sie dort abholen. In der Stadtverordnetenversammlung sagte Bürgermeister Burkhard Exner (SPD), die Aktion sei als Signal zu verstehen, dass sich die Stadt Potsdam „nicht alles bieten lässt“. Zugleich betonte er die „Sozialbindung“ von Eigentum.
Zumindest mit den Sperr-Anrainern wird die Stadt wohl nicht mehr verhandeln. „Wir überlassen das jetzt den Gerichten“, sagte gestern Anrainer Alexander Münich. Er hatte sein Grundstück mit einer Eiben-Hecke gesperrt, nach seinen Angaben für 12 000 Euro. Der Stadt warf er vor, keine Verhandlungen auf Augenhöhe zu führen. Die bisherigen Angebote bezeichnete er als „mager“.
Der Groß Glienicker Uferweg verläuft auf dem ehemaligen Postenweg der DDR-Grenzer. Für ihn gibt es einen gültigen Bebauungsplan, der Weg ist allerdings durch ein Versäumnis der Gemeinde nicht öffentlich gewidmet. Dies will die Stadt nun nachholen, dazu braucht sie allerdings das Einverständnis aller rund 40 Eigentümer. Mit mindestens acht Anrainern seien die Verhandlungen darüber gescheitert, so die Verwaltung. Ihnen hat die Stadt vergangene Woche Kaufangebote gemacht – formell sei dies der erste Schritt in möglichen Enteignungsverfahren.
Rechtsanwalt Partsch sagte gestern, die Angebote seien „gar nichts“, denn von welchem Verkehrswert die Stadt ausgehe, bleibe in den Schreiben offen. Einen Gutachter zu beauftragen, könne die Stadt sich sparen, wenn dieser acht Euro pro Quadratmeter ansetze. Diese Summe habe die Stadt offenbar im vergangenen Jahr für Groß Glienicker Uferland des Bundes an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) gezahlt. Der Verkehrswert, der auf dem Markt gezahlt werde, liege jedoch bei 150 Euro pro Quadratmeter. Den Grundstückspreis bei möglichen Verkäufen an die Stadt müsse ein unabhängiger, vom Gericht bestellter Gutachter ermitteln, so Partsch. Er lobte, dass die Stadt anerkannt habe, dass sie im Falle eines Kaufs der Uferareale die Eigentümer für den „Wertverlust ihrer Restgrundstücke“ entschädigen müsse. Dies gehe aus den Kaufangebots-Schreiben hervor.
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