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Im Amt, mit Würde? Beate Fernengel ist ehrenamtliche Präsidentin der IHK Potsdam. Sie will sich erneut zur Wahl stellen. Das unterstützen einige in der Kammer nicht.

© M. Thomas

IHK Potsdam: Ein repräsentatives Missverständnis?

Beate Fernengel will wieder IHK-Präsidentin werden. Doch in der Kammer rumort es – auch wegen manch verpatztem Auftritt.

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Potsdam - Sie begrüßte erst den Ministerpräsidenten Dietmar Woidke, dann die Landtagspräsidentin Britta Stark – und huch, schon wieder dieser Fehler, wie Beate Fernengel droben auf der Bühne witzelnd erklärte. Denn protokollarisch korrekt hätte sie erst Stark begrüßen müssen. Es war der Brandenburgball der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam, Samstagabend vor zwei Wochen. Die Präsidentin der IHK hielt eine Eröffnungsrede. Eine kurze.

Beate Fernengel hätte über die Erfolge der Brandenburger Wirtschaft reden können, über die Gründe, an diesem Abend zu feiern. Stattdessen erzählte sie, wie sie mit ihren Freunden über Facebook kommunizierte, darüber, was an diesem Abend anzuziehen sei. Und dass die Männer im Saal es sicher nachsehen würden, dass es bei den Damen mit dem Aufhübschen und Ankleiden etwas länger dauere. Und nach Woidke und Stark begrüßte sie noch „unseren Landesvorsitzenden“. So breit grinsen wie an diesem Abend sah man Ingo Senftleben, den Landeschef der CDU, schon lange nicht mehr.

Einige vermissen angemessene Repräsentation der IHK durch Fernengel

Oder die Außenwirtschaftskonferenz vor mehr als einer Woche in Potsdam. Die von ihren Mitarbeitern vorbereitete Rede „habe ich gar nicht benutzt“, sagte Fernengel bei der offiziellen Begrüßung. Stattdessen gab sie Volksweisheiten preis: „Wer eine Reise macht, hat was zu erzählen.“ Sie erzählte von ihrer Reise nach China und nach Kuba: „Das war sehr spannend.“ Und wie die Unternehmerdelegation in die deutsche Botschaft eingeladen wurde und dort Roberto Blanco traf, der „für uns ein kleines Ständchen“ sang.

Zu den Aufgaben der ehrenamtlich tätigen IHK-Präsidentin gehört es, zu repräsentieren. Angemessen und ernsthaft. Das vermissen einige in der Kammer bei Fernengel. Ebenso, dass die Präsidentin Visionen entwickelt, Themen setzt. Intern ist auch von Hoffnung die Rede, dass Fernengel doch nicht erneut für das Präsidentenamt antritt, wie sie es bereits angekündigt hatte. Vom 9. Mai bis 13. Juni wählen die Mitgliedsunternehmen der IHK Potsdam, immerhin eine der größten Kammern in Ostdeutschland, eine neue Vollversammlung. Sie bestimmt im September ein neues Präsidium samt Präsident.

Alles nur ein Missverständnis?

Vielleicht ist alles auch nur ein Missverständnis. Fernengel wurde Präsidentin, nachdem ihr Vorgänger Victor Stimming im Dezember 2013 zurücktreten musste. Sie übernahm einen Verwaltungsapparat, der von Stimming mehr als 15 Jahre stramm geführt worden war. Von absolutistischen Zügen, von Stimming als Sonnenkönig redeten Mitarbeiter.

Fernengel musste die Kammer umkrempeln, alte Regeln abschaffen, neue in Kraft setzen. Sie holte mit Mario Tobias einen neuen Hauptgeschäftsführer. Ein Leitbild gibt es nun, auch Anti-Korruptionsregeln. Die neue Satzung der IHK erlaubt jetzt nur noch zwei Amtsperioden für einen Präsidenten. Eine andere Kommunikation, mehr Offenheit habe Einzug gehalten, heißt es in der Kammer. Das Schiff in ruhiges Fahrwasser bringen, nennt man das. Und als die Zahl der Flüchtlinge stieg, war Fernengel schnell dabei, in der IHK ein „Bündnis für Beschäftigung“ ins Leben zu rufen. In diesem Jahr müssen die IHK-Mitglieder erstmals keine oder weniger Mitgliedsbeiträge zahlen. Denn die unter Stimming mit hohen Beiträgen aufgebaute Rücklage von 25 Millionen Euro ist in dieser Höhe rechtswidrig. Die Rücklage muss nach höchstrichterlicher Rechtsprechung abgeschmolzen werden. Auch mit diesem Erfolg kann Fernengel in die Wahl zur Präsidentin gehen.

Prozess gegen Vorgänger Stimming 2016 geplatzt

Unter ihrer Führung strengte die IHK auch eine Zivilklage gegen Stimming an. Sie fordert von ihm Schadenersatz von 300 000 Euro. Es geht um unrechtmäßige Aufwandsentschädigungen, eine Sekretärin der IHK, die für Stimmings Firma arbeitete, um die Kosten für Luxusdienstwagen, aber auch einen luxuriöses Füllhalter und eine Wanduhr. Zurück gab Stimming bislang nur einen Party-Pavillon und ein Navigationsgerät. Der Zivilprozess liegt derzeit auf Eis. Zunächst soll der Strafprozess vor dem Amtsgericht Potsdam abgewartet werden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Untreue in drei Fällen vor. Doch der Prozessauftakt ist 2016 geplatzt, Stimming ist nach Angaben seiner Ärzte nicht verhandlungsfähig. Das Amtsgericht lässt das derzeit noch überprüfen.

Zurück zu Beate Fernengel: Als sie Präsidentin wurde, gab sie die Geschäftsführung eines Potsdamer Hotels ab. Nun ist sie Geschäftsführerin in einem Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen für die Hotelbranche und ihr gehört ein Onlineshop für Bio-Mode, Fair-Trade-Produkte – und Handy-Betten, kleine Miniaturbetten für das Mobiltelefon. „Menschen unterschätzen mich häufig“, sagte Beate Fernengel einmal.

Vorwurf: Fernengel trennt private Geschäfte und IHK-Präsidentschaft nicht ausreichend

Nach Stimming stand sie bereit, niemand hat sich um den Job gerissen. Dass es auch unter ihr nicht optimal laufe, das Repräsentative leide – das wird bislang von vielen in der Kammer als kleineres Übel hingenommen. Fernengel macht es ihnen aber auch nicht leicht, etwa wenn sie ihre privaten Geschäfte mit dem Amt vermischt, nicht sauber trennt. Wenn sie auf ihrer Geschäftsseite im Internet von einer Modemesse berichtet und ihre Kleider anpreist, zugleich aber erwähnt, dass sie als IHK-Präsidentin die Schirmherrschaft übernommen habe. Oder wenn sie damit wirbt, dass die Kleider ihres Labels auf dem Brandenburgball, veranstaltet von der IHK, zur Schau getragen wurden. Das alles ist nichts gegen die Stimming-Affäre Und doch löst es in der Kammer Kopfschütteln aus.

Die Kandidatenauswahl für die IHK-Präsidentschaft ist allerdings wohl nicht allzu groß. Fernengel ist 60 Stunden im Monat als Präsidentin unterwegs, vertritt die Wirtschaft in verschiedenen Gremien. Alles im Ehrenamt. Wer bindet sich das freiwillig ans Bein? Ein Blick in die Führungsriegen der Kammern im Land zeigt auch: Frauen sind dort noch immer rar.

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