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Ein gallisches Dorf? Der Potsdamer Ortsteil Grube/Nattwerder feiert 2017 sein 750. Jubiläum. Doch es gibt Stimmen, die sagen, mit dem Ortsnamen 1267 erwähnten Namen Glynike sei gar nicht Grube gemeint gewesen – sondern Groß Glienicke.

© Andreas Klaer

750. Ortsjubiläum von Grube: Ein zweifelhaftes Datum

In Grube feiert man in diesem Jahr den 750. Jahrestag der Ersterwähnung. Zu Recht? Experten streiten um den tatsächlichen Geburtstag.

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Im Potsdamer Ortsteil Grube ticken die Uhren gewissermaßen anders, ja man pflegt hier so etwas wie eine andere Zeitrechnung. Das kleine Dorf an der Wublitz, 1993 nach Potsdam eingemeindet, feiert in diesem Jahr einen runden Geburtstag. 750 Lenze hat der Ort seit seiner Ersterwähnung im Jahre 1267 bislang erlebt.

So jedenfalls sieht es Ortschronist Armin Welthe. Wer allerdings auf der offiziellen Webseite der Landeshauptstadt Potsdam die Geschichte von Grube nachliest, dem bietet sich eine andere Version vom wahren Alter dieses Potsdamer Ortsteils: „Erstmals urkundlich erwähnt wird Grube am 3. November 1264“, heißt es dort. Mit jener Urkunde schenkte Markgraf Otto III. von Brandenburg dem Kloster Spandau Grundbesitz. In dem Schriftstück ist zwar nicht von Grube selbst die Rede, aber von einem Ritter namens Albert de Grobe, der damals Vogt in Spandau war. Und der Name „Grobe“ wiederum führt nach Erkenntnissen von Historikern direkt zu Grube. Demnach wäre der Ort drei Jahre älter, als Ortschronist Welthe annimmt. Die Feierlichkeiten kämen also viel zu spät.

Widerspruch von fachkundiger Seite

Alles nur ein dummes Missverständnis? Vielleicht ein Schreibfehler? Nein, die Sache hat einen tieferen Hintergrund. Und den will Ortschronist Armin Welthe am heutigen Samstag um 16 Uhr in der Bauerei Grube, Wublitzstraße 11, in einem Vortrag der interessierten Öffentlichkeit nahebringen. Welthe ist der Ansicht, dass Grube noch gar nicht Grube hieß, als die Urkunde 1264 verfasst wurde. Der Ortschronist überzeugte vor gut drei Jahren auch den Ortsbeirat. Fortan sah man dort die Sache so: Der besagte Albert habe sich nach einem Ort in Franken benannt. Grube hingegen habe früher Glyneke geheißen, abgeleitet vom slawischen Wort glina für Lehm oder gliny für Lehmgrube. Das sei später in Grube eingedeutscht worden. Und Glyneke wiederum sei nun einmal erst 1267 urkundlich erwähnt worden.

Die Ansicht des Ortsbeirats blieb indes nicht ohne Widerspruch von fachkundiger Seite. Der Historiker Lutz Partenheimer von der Universität Potsdam hielt das Forschungsergebnis von Welthe schlicht für unzutreffend. „Das ist der größte Koks, den es gibt!“, schimpfte Partenheimer damals. Der Uni-Historiker hält an seiner Auffassung nach wie vor fest: „Das ist immer noch der Stand“, teilte er den PNN auf Anfrage mit. Bei dem Ortsnamen Glyneke handele es sich mitnichten um Grube, sondern um das heutige Groß Glienicke. Und dort feiert man bekanntlich zurzeit ebenfalls den 750. Jahrestag der Ersterwähnung. Mit anderen Worten: Nach Ansicht von Partenheimer feiert Grube in diesem Jahr den Geburtstag von Groß Glienicke. Der Historiker sieht sich von anderen Experten bestätigt. Auch die Landeshauptstadt teilt diese Ansicht, wie man zumindest ihrem Internetauftritt entnehmen kann. Doch im Dorf an der Wublitz hält man an Welthes Version fest. Ist Grube also ein gallisches Dorf? Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) – für die unbeugsamen Grubener gewissermaßen der Caesar – scheint die Sache entspannt zu sehen. Jedenfalls hat er die Schirmherrschaft über die diesjährigen Jubiläumsfeierlichkeiten in Grube übernommen.

Film von Jugendlichen aus dem Ort

Wenn Ortschronist Armin Welthe am heutigen Samstag in seinem Vortrag die Grubener Sicht der Historie dargelegt hat, folgt um 17 Uhr – ebenfalls in der Bauerei – ein Film aus der Jetztzeit. „Abenteuer in Grube – Kinder erforschen ihr Dorf“, heißt der 36-minütige Streifen, den Jugendliche aus dem Ort im vergangenen Jahr gedreht haben. Menschen aus Grube kommen darin zu Wort. Um 19 Uhr wird der Film „Krauses Kneipe“ gezeigt, ein Streifen von Andreas Dresen, den er schon Anfang der 1990er-Jahre gedreht hatte.

Titelgebend für den Film war eine damals bekannte Kneipe im Ort. Für Rolf Sterzel vom Ortsbeirat ist der Film ein lohnenswertes historisches Dokument. „Das ist ganz interessant, weil man da so ein bisschen mitkriegt, wie die ehemaligen DDR-Bürger die Wende erlebt haben“, sagt Sterzel. In der Kneipe erzählen die Protagonisten von ihrem Leben vor und nach dem Mauerfall 1989. Wenigstens dieses Datum ist gesichert: Es war der 9. November.

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