Landeshauptstadt: „Es hat mein Leben geändert“
Ein Jahr lang ging Julia Ilte im argentinischen Tucumán zur Schule – jetzt will die 18-Jährige zurück
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Einen schöneren Grund zum Abschied kann es nicht geben: Er hat schwarze Locken, ist 19 Jahre alt, studiert Psychologie und heißt Roberto. Kennengelernt hat Julia Ilte ihren Freund vor genau einem Jahr im argentinischen Tucumán. Dort war die rothaarige Werderanerin von August 2005 bis Juli 2006 zum Schulaustausch. Kaum ein halbes Jahr hat es sie nach der Rückkehr noch in Deutschland gehalten – mit dem Halbjahreszeugnis der zwölften Klasse verabschiedet sich die 18-Jährige nun endgültig vom Potsdamer Einstein- Gymnasium und ihrer Heimat insgesamt. Denn Anfang März geht sie zurück nach Argentinien, will dort ihr Abitur ablegen und danach studieren.
„Das ist natürlich nicht die Regel“, sagt Holger Knapp, Oberstufenkoordinator am Einstein-Gymnasium. 70 Potsdamer Schüler haben es laut Schulamt im aktuellen Schuljahr wie Julia gemacht und sind ins Ausland gegangen. Ein Großteil von ihnen wählte die USA, sagt Janette Albrecht vom Schulamt Brandenburg. Immer beliebter seien aber auch Australien, Neuseeland und Lateinamerika.
Die Austauschschüler tauschen jedoch nicht einfach die Schule, sondern auch Familie, Sprache, Freunde – den gesamten Alltag. „Das war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe“, schwärmt Julia. Heimweh habe sie „nie wirklich“ gehabt. In Tucumán, einer Großstadt 13 Bus-Stunden nordwestlich von Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires, fand sie schnell Freunde. Spanisch hatte sie bereits in Deutschland gelernt. Auch bei ihrer Gastfamilie habe sie sich schnell wohl gefühlt.
Gleich am ersten Abend sind ihre beiden neuen Schwestern mit ihr ausgegangen. „Ich habe alle möglichen Leute kennengelernt“, erinnert sich Julia. Ein Freitag oder Samstag ohne Weggehen, das ist in Argentinien „komisch“, lernte Julia. Und Salsa tanzen kann sie jetzt natürlich auch.
Gewöhnungsbedürftig war dagegen die Schule. Denn dort war Schuluniform Pflicht: Ein blaues, bis zu den Knien reichendes Hemd, dunkelblaue Kniestrümpfe und Krawatte. „Nicht besonders schick“, findet Julia. Und dann sollte sie auch noch auf eine katholische Mädchenschule gehen. „Ich war erstmal abgeschreckt“, erzählt sie. Aber dann sei es gar nicht so schlimm gewesen: „Wir waren eine coole Truppe von Mädchen, sehr verbunden.“ Trotzdem wechselte sie nach den Sommerferien die Schule.
Die beginnt übrigens jeden Morgen halb Acht mit dem Fahnenhissen vor dem Schulhaus. „Alle stellen sich in eine Reihe, Mädchen und Jungs getrennt“, erklärt Julia. Dann wird ein Lied gesungen. Unterrichtet werde hauptsächlich im Block. Anders als in Deutschland müssen die Schüler für eine Wortmeldung nicht die Hand heben: „Jeder sagt was, wenn er was weiß.“ Oft diktiere der Lehrer aber auch Sätze zum Mitschreiben. Auch die Fächer unterscheiden sich vom deutschen Angebot: So gebe es zum Beispiel Kurse in Grafikdesign und Journalismus.
Doch nicht nur mit der Gastfamilie und den Schulfreunden war Julia unterwegs. Auch andere Austauschschüler aus aller Welt lernte sie kennen: Denn die Organisation AFS (American Field Service), nach eigenen Angaben die größte und älteste Jugendaustauschorganisation der Welt, veranstaltete regelmäßig Treffen: „Die Betreuung war super“.
Nur die Weihnachtszeit war nicht ganz so schön wie sonst. Und das lag nicht nur an den fehlenden Weihnachtsliedern oder den sommerlichen 36 Grad in Tucumán. „Weihnachten ohne Familie ist einfach traurig“, weiß Julia.
Die Sommerferien, die in Argentinien übrigens von November bis März dauern, nutzte sie vor allem zum Reisen. Aber auch ihren jetzigen Freund Roberto lernte sie in den Ferien kennen, auf der Geburtstagsparty seiner Schwester. Die war nämlich Julias Freundin.
„Es hat mein Leben geändert“, resümiert sie ihr Auslandsjahr. Sie habe versucht, jeden Moment auszunutzen, offen zu sein und auf die Leute zuzugehen. Trotzdem denkt sie nicht, dass jeder die Koffer packen muss und den Schritt ins Ausland wagen: „Man muss selbst dahinter stehen“, schätzt sie. Und nun? Nach vier Monaten Chatten und Telefonieren ist Roberto im Dezember nach Werder gekommen und spricht inzwischen sogar schon akzeptables Deutsch. Und Julias Familie hat unterdessen ihren Wunsch, zu ihm nach Argentinien zu gehen und dort ihre Schule zu beenden, akzeptiert.
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