Stadtwerke-Skandal in Potsdam: Ex-Prokuristin unter Korruptionsverdacht - Staatsanwaltschaft ermittelt
Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt gegen die Ex-Step-Prokuristin Petra V. wegen Verdachts auf Vorteilsannahme. Es geht um das Privathaus der Vertrauten von Ex-Stadtwerkechef Paffhausen und Auftragsvergaben. Zugleich erhärten neue Prüfberichte die Vorwürfe im Potsdamer Stadtwerke-Skandal.
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Potsdam - Der Potsdamer Stadtwerke-Skandal ist ein Fall für Brandenburgs zentrale Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft in Neuruppin. Die sieht nach Enthüllungen der PNN vom Juni nun den Anfangsverdacht auf Vorteilsannahme und hat nach Prüfung des Falls ein offizielles Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das berichtete die „Bild“-Zeitung. Justizkreise bestätigten dies gegenüber den PNN.
Konkret geht es um den privaten Hausbau von Petra V., einer Ex-Prokuristin der für Entsorgung zuständigen Stadtwerke-Tochter Step. Die Planung hatte – wie berichtet – jene Firma übernommen, der V. bei der Step Aufträge verschaffte und dabei gegen Vergaberegeln verstieß.
Kostenlose Planung für das Häuschen im Grünen gegen Aufträge der Step?
Die frühere Vertraute des vor fünf Jahren gestürzten Ex-Stadtwerkechefs Peter Paffhausen, hatte nach PNN-Recherchen genau in jener Zeit ab 2013 ihr Haus in einem Potsdamer Vorort von dem Unternehmen planen lassen, als die Firma von ihr mit üppigen Aufschlägen, Nachträgen und Vertragsverlängerungen versorgt worden war. Nach bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft sollen die Planungsleistungen für das Häuschen kostenlos gewesen sein.
V. war im Stadtwerke-Konzern jahrelang protegiert worden. Diverse Geschäftsführer, speziell der Ex-EWP-Chef Holger Neumann, hatten ihr an den Gremien vorbei überdurchschnittlichen Lohnzuwächse – insgesamt 476 000 Euro – zugeschanzt. Die guten Konditionen kamen ihr bei der 2015 ausgehandelten Abfindung zugute. Von Anfang 2015 bis Ende 2016 bekommt die beurlaubte V. 409 000 Euro.
Abschlussbericht liegt vor: Staatsanwaltschaft prüft Untreueverdacht
Auf Grundlage der seit Donnerstag vorliegenden, streng vertraulichen Abschlussberichte zum Stadtwerke-Skandal will auch die Staatsanwaltschaft Potsdam erneut prüfen, ob es einen Anfangsverdacht auf Untreue gegen die früheren Chefs von Stadtwerken und Tochterunternehmen gibt.
Nach PNN-Informationen lautet das Fazit des umfangreichen Abschlussberichts zum Stadtwerke-Skandal: Die Vorwürfe haben sich bestätigt, teilweise auch erhärtet. Der Skandal um Untreueverdacht, Begünstigung, Ungereimtheiten bei Auftragsvergaben und Vorwürfen wegen Vetternwirtschaft bei dem kommunalen Konzern und zwei Tochterfirmen erschüttert seit Anfang Juni die Stadt. Stadtwerke-Chef Wilfried Böhme trat zurück, die Manager Neumann und Enrico Munder sind suspendiert - alle bei vollen Bezügen. Die Staatsanwaltschaft Potsdam will prüfen, ob es einen Anfangsverdacht wegen Untreue gibt; die Behörde wartete dazu auf den Abschlussbericht.
Bisher ausschlaggebend waren die sogenannten Zwischenberichte zweier Rechtsanwaltskanzleien, die von der Innenrevision der Stadtwerke mit der Untersuchung der Vorwürfe beauftragt worden waren (PNN berichteten). Sie hatten unter anderem festgestellt, dass einer Ex-Prokuristin der Stadtwerke-Tochter Stadtentsorgung Potsdam (Step) zehn Jahre lang an den Kontrollgremien vorbei knapp eine halbe Million Euro Mehrvergütungen zugeschoben worden sind. Auch stellten sie darin fest, dass es „zahlreiche Anhaltspunkte“ dafür gebe, dass Neumann sich „wegen Untreue zum Nachteil der Step strafbar gemacht hat“.
Oberbürgermeister Jakobs wollte Abschlussbericht abwarten
Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatte jedoch wiederholt betont, für eine endgültige Bewertung der Vorgänge müsse der Abschlussbericht abgewartet werden. Auch hatten Stadt und Stadtwerke keine Strafanzeigen gestellt. Entscheidend ist der Abschlussbericht nun für den Umgang mit den suspendierten Managern. Als erstes befasste sich am Freitag der Aufsichtsrat der Stadtwerke unter Vorsitz von Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) mit dem streng vertraulichen Bericht. Die Aufsichtsräte der weiteren Konzerntöchter Step und Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP) kommen nächste Woche zusammen.
Laut Exner habe der SWP-Aufsichtsrat den „sehr umfangreichen Abschlussbericht“ ausführlich erörtert, es habe viele Fragen gegeben. Die Berichtersteller - also Juristen der Berliner Kanzleien Ignor & Partner sowie Raue - seien anwesend gewesen. Voten über personelle Konsequenzen standen nicht an, da der vormalige SWP-Chef Böhme bereits den Posten geräumt hat. Der Aufsichtsrat habe jedoch Empfehlungen an die Gesellschafterversammlung - Chef ist hier Oberbürgermeister Jakobs - sowie die Interims-SWP-Geschäftsführung beschlossen. Dabei sei es unter anderem um Werkverträge gegangen: Unter Böhmes Führung hatte die SWP mindestens zwei Werkverträge abgeschlossen, die den Fiskus auf den Plan gerufen hatten - wegen des Verdachts der Scheinselbstständigkeit. Die Vertragspartner hatten unter anderem offenbar keine weiteren Auftraggeber. Nach PNN-Informationen sollen anhand der Werkverträge zwischen 2011 und Mitte 2015 jeweils mehr als 5000 Euro pro Monat an die Firma von Böhmes Schwagers mit Sitz auf einem Stadtwerke-Areal am Heizwerk gezahlt worden sein. Zudem soll Böhme auch einen befreundeten Ingenieur mit einem Werkvertrag über 5000 Euro monatlich seit 2011 versorgt haben.
Stadtwerke wollen neue und klare Strukturen schaffen
Es müsse systematische Vorkehrungen geben, die Scheinselbstständigkeit ausschließen, sagte Exner auf PNN-Nachfrage. Dies liege in Verantwortung der Geschäftsführung. Die jetzige Interims-Geschäftsführung - der Pro-Potsdam-Chef Horst Müller-Zinsius und Rathausrechnungsprüfer Christian Erdmann - habe dies bereits erledigt, da sie „schadensmindernd“ tätig werden müsse. Neben den Werkverträgen hätten auch der Fall der Step-Prokuristin und diverse konzerninterne Verrechnungen und Kostenzuordnungen die Aufsichtsräte beschäftigt, sagte Exner.
Die externen Prüfer hatten in ihren Zwischenberichten festgestellt, dass Manager Neumann - ein Vertrauter des vormaligen Ex-Stadtwerke-Chefs Peter Paffhausen - möglicherweise seine Pflichten als Step-Geschäftsführer verletzt habe, indem er an einem mutmaßlich von Paffhausen initiierten, intransparenten Geschäftsführer-Konstrukt mitwirkte. Danach war Neumann parallel Geschäftsführer von Step und EWP - und beide Gesellschaften trugen annähernd volle Beschäftigungskosten für ihn, obwohl er wegen der Doppelfunktion jeweils nur teilweise für seine Tätigkeiten zur Verfügung stand. Neumann erhielt zwar keine doppelte Vergütung, doch der Step könnten mutmaßlich zu hohe Kosten entstanden sein.
Exner sagte, der SWP-Aufsichtsrat werde Anfang September wieder zusammenkommen, um weiter zu beraten, wie das „unternehmensinterne Handeln“ verbessert werden könnte - besonders in Bezug auf die sogenannte Compliance, die Regelkonformität.
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