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Im Trabi übers Land. Der arbeitslose Rosenow (Hans Jürgen Alf, l.) unterstützt Lehrerin Frau Frei (Anja Karminski, hinten rechts) beim DDR-Anschauungsunterricht.

© promo

Homepage: Ferienlager gegen Wissenslücken

HFF-Regiestudent Christian Klandt schickt in „Bundeskanzler Honecker“ eine brandenburgische Schulklasse ins DDR-Ferienlager

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Für diese Aufgabe ist Rosenow bestens qualifiziert. Das findet jedenfalls die Fallmanagerin des Langzeitarbeitslosen: Wer könnte Brandenburgs unwissende Schüler besser über das Leben in der DDR informieren, als jemand, der dort jahrelang gelebt und gearbeitet hat? Dass ihre Rechnung nicht ganz so einfach aufgeht, deutet sich schon an, als der mürrische Wende-Verlierer zur „Aktion DDR-Geschichte“ regelrecht verdonnert werden muss: „Entweder Sie machen das oder Ihr Hartz IV wird gestrichen“, droht ihm die Frau vom Arbeitsamt. Unter diesen Vorzeichen beginnt Rosenow dann den Trip in die Vergangenheit – mit einer brandenburgischen Schulklasse und ihrer westdeutschen Lehrerin fährt er in ein DDR-Ferienlager. Dort wird das Experiment eine explosive Wendung nehmen.

„Bundeskanzler Honecker“ heißt der Spielfilm von HFF-Student Christian Klandt, der am kommenden Donnerstag mit zwei weiteren HFF-Filmen vom RBB ausgestrahlt wird: In „SpielerFrauen ’09“ wirft das Regie-Duo Evi Goldbrunner und Joachim Dollhopf einen Blick hinter die Glitzerfassade der Fußballwelt und lässt zwei Spielerfrauen aufeinandertreffen und zu sich finden. Schein und Sein fließen auch bei Mia Grau in „Wüste/Außen/Tag“ ineinander. Die Regisseurin erzählt in hypnotischen Schwarz-Weiß-Bildern in karger Braunkohle-Mondlandschaft von emotionalen Verwicklungen bei einem Filmdreh.

Die Idee zu „Bundeskanzler Honecker“ kam Christian Klandt aus aktuellem Anlass: 2008 hatte der Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin eine Studie veröffentlicht, in der Brandenburgs Schülern eklatante Wissenslücken zur Geschichte der DDR attestiert wurden. Da wurde Erich Honecker zum Bundeskanzler gemacht und Helmut Kohl zum DDR-Staatsratsvorsitzenden. Fast 20 Jahre nach der Wende gaben 80 Prozent der Schüler an, wenig oder nichts über die DDR zu wissen. Das Geburtsland ihrer Eltern ist für die Jugendlichen zur großen Unbekannten geworden. „Wir haben uns gefragt, was können wir machen?“, berichtet Produzent und HFF-Student Martin Lischke. Die Lösung: einen Film.

Der 30-minütige Streifen ist jedoch mehr als die Verfilmung der Bildungsstudie. Denn es geht nicht nur um das Nichtwissen der Schüler, sondern auch um Vorurteile und Verklärung bei den Erwachsenen. Die Schauplätze für den DDR-Trip suchte das Filmteam in Brandenburg. In Prebelow fanden sie dann ein ehemaliges Ferienlager: Verkommene Bungalows mit Doppelstockbetten, ein Platz für den morgendlichen Fahnenappell.

Im Film bunkert der Bruder des Herbergsleiters dort im Keller eine Sammlung an DDR-Produkten und Relikten: Von Honecker-Bildern und Transparenten mit marxistischen Parolen über Stasi-Spionagetechnik bis hin zu Küchengeräten und Atta-Scheuermittel. Irgendwann, so der Plan, soll daraus ein DDR-Museum werden.

In Wirklichkeit gibt es das Museum bereits, erzählt Produzent Martin Lischke: Es steht in Kampehl bei Neustadt an der Dosse, wo sich auch der sagenumwobene „Ritter Kahlbutz“ seit nunmehr drei Jahrhunderten der Verwesung entzieht.

„Wir sollten in Deutschland endlich in die Zukunft schauen“, meint Christian Klandt, der momentan an einem neuen Projekt in Chile arbeitet. Die Unterschiede zwischen Ost und West sieht er als „einmalige Chance, aus der wir lernen und von der wir profitieren können“.

Das tun auch die Protagonisten seines Films am Schluss: Ganz ohne Versöhnungskitsch rückt Rosenow nach der Eskalation der Ereignisse zumindest ein Stück von seiner Ostalgie ab. Die Schüler erfahren am eigenen Leib, was es hieß, Jungpionier zu sein. Und ihre westdeutsche Lehrerin lernt, dass auch im Unrechtsstaat DDR lebenswertes Leben möglich war. Jana Haase

Die drei HFF-Filme laufen am 23. April auf RBB: „SpielerFrauen ’09“ beginnt 23.35 Uhr, „Wüste/Außen/Tag“ 00.05 Uhr und „Bundeskanzler Honecker“ 00.35 Uhr.

Jana HaaseD

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