Schiefergasbohrungen: „Fracking nur unter strengen Auflagen“
Der GFZ-Forscher Brian Horsfield erklärt im PNN-Gespräch die Risiken der umstrittenen Schiefergasbohrung. Bedroht ist unter anderem das Grundwasser durch bedenkliche Chemikalien.
Stand:
Herr Horsfield, der Bundesrat will die Gasgewinnung aus Tonsteinschichten, das sogenannte Fracking, nur unter strengen Auflagen ermöglichen. Der Bundesumweltminister will es gar verbieten. Welche Risiken sind heute bekannt?
In erster Linie wird die Verschmutzung des Grundwassers als potenzielles Risiko angesehen. Hinzu kommen das Erzeugen von ungewollter seismischer Aktivität und die Verschlechterung der Luftqualität durch Emissionen über Tage. Zu bedenken ist auch der Wasserverbrauch beim Hydraulic Fracturing.
Wie gefährdet ist das Grundwasser?
Ob ein jeweiliges Risiko für eine Grundwasserverschmutzung gegeben ist, muss in Einzelfällen genau geprüft werden. Die geologischen Voraussetzungen sind überall anders. Generell kann man sagen, dass Regionen, in denen der Untergrund zum Beispiel durch geologische Störungen geprägt ist, möglicherweise nicht für die Schiefergas-Gewinnung geeignet sind. Aber das kann nur durch gründliche Voruntersuchungen geklärt werden.
Beim Fracking werden Wasser, Sand und Chemikalien mit hohem Druck in die Erde gepresst, um Erdgas aus Gesteinsschichten zu lösen. Können dadurch auch Erdbeben ausgelöst werden?
Das Risiko, durch Hydraulic Fracturing größere, von Menschen überhaupt wahrnehmbare Erdbeben auszulösen, wird in den wissenschaftlichen Studien als gering eingestuft. Gründliche geologische Voruntersuchungen, geeignetes Management des Einpressdrucks und genaue seismische Überwachung können das Risiko weiter herabsetzen.
In den USA sind aber Erdbewegungen beobachtet worden.
Durch das langfristige Verpressen von Abwässern in sogenannten Disposalbohrungen können Erdbeben erzeugt werden. Solche Vorfälle sind aus den USA tatsächlich bekannt geworden. Das hat aber nichts direkt mit Hydraulic Fracturing zu tun, sondern mit der Frage, was man mit dem Abwasser bei der Schiefergasgewinnung macht: Aufbereiten und Wiederverwenden oder Entsorgen.
Was passiert in geologischen Formationen, wenn große Mengen Wasser, Sand und Chemikalien in sie hineingepresst werden?
Es passiert genau das, was beabsichtigt ist: Es bildet sich durch den Druck des Wassers auf das Gestein ein Netzwerk von feinen Rissen, welches den Zustrom des Gases oder Öls in das Bohrloch verbessert. Damit sich Risse im Gestein bilden können, muss der Druck des Wassers genau dosiert werden und einen kritischen Wert überschreiten. Die Ausbreitung der Risse im Gestein kann durch möglichst genaue Voruntersuchungen und Computermodelle im Vorfeld optimiert werden.
Wie bedenklich sind die Chemikalien, die zum Einsatz kommen?
Chemikalien reagieren zum Teil mit den Mineralen der Tongesteine. Diese Reaktionen reichen aber nicht weit in die Gesteinsschicht hinein, sondern treten oberflächlich entlang der erzeugten Risse auf. Das hat unter anderem damit zu tun, dass die Chemikalien stark verdünnt verwendet werden und nur kurz einwirken.
Um welche Substanzen geht es?
Es gibt viele verschiedene Chemikalien, die beim Hydraulic Fracturing eingesetzt werden können. Die Auswahl der Chemikalien hängt vor allen Dingen von den Eigenschaften der Gesteine ab, und von den Druck- und Temperaturbedingungen in der Bohrung. Für eine konkrete Bohrung kommen in aller Regel nur wenig verschiedene Chemikalien zum Einsatz. Es gibt große Anstrengungen seitens der Industrie, weniger Stoffe zu verwenden, die in reiner Form gefährlich sein können. Derzeit werden aber oft noch solche Zusätze eingesetzt. Bei der bisher einzigen Hydraulic-Fracturing-Maßnahme in Großbritannien wurden nur zwei Chemikalien genutzt: beide sind ungefährlich und ungiftig.
Inwiefern beschäftigt sich das GFZ mit Fracking?
Am GFZ werden unter anderem der Beginn und der Verlauf der Rissbildung in Tongesteinen unter verschiedensten Bedingungen im Labor genau untersucht. Die Ergebnisse dienen dazu, das Hydraulic Fracturing noch gezielter als bisher durchführen zu können. Um die Rissbildung im Gestein beim Hydraulic Fracturing exakter mitverfolgen zu können, werden am GFZ Konzepte zur verbesserten mikroseismischen Überwachung und die dazu nötigen Werkzeuge entwickelt.
Welche Haltung hat das GFZ zu dem Verfahren?
Wenn die besten derzeit verfügbaren Technologien und strenge Umweltstandards angewendet werden, erscheint die Produktion von Erdgas aus tonigen Gesteinen mit der Methode des Hydraulic Fracturing grundsätzlich auf umweltgerechte Weise möglich. Allerdings ist es nötig, zu einigen Fragen noch vertiefende Erkenntnisse zu gewinnen. Die offenen Fragen können nicht nur im Labor oder in Computermodellen geklärt werden, sondern müssen insbesondere auch begleitend zu Erkundungsbohrungen unter Praxisbedingungen untersucht werden. Die Forschung wird ergebnisoffen geführt und die Ergebnisse veröffentlicht. Klar scheint uns jedoch: Die einfache Übertragung des Verfahrens aus den USA auf Europa ist aus umweltpolitischen, wirtschaftlichen und geologischen Bedingungen weder sinnvoll noch machbar.
Wie viel Platz benötigt das Verfahren?
Es werden einzelne Bohrplätze eingerichtet, von denen aus mehrere Bohrungen abgeteuft werden. Solche Areale sind bei der Bohrung etwa 3,6 Hektar groß und beherbergen eine Menge Ausrüstung. Für die folgende Erdgas-Produktionsphase werden die Bohrplätze zurückgebaut und beanspruchen deutlich weniger Fläche. Wird ein Schiefergas-Erdgasfeld großräumig erschlossen, werden sehr viele Bohrungen gemacht. Deshalb muss eine zukünftig mögliche, großindustrielle Produktion unter Raumordnungsaspekten betrachtet werden.
Wie groß sind die vermuteten Schiefergas-Vorkommen in Deutschland?
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) geht für Deutschland von einem großen Potenzial aus. Die Menge des möglicherweise technisch gewinnbaren Schiefergases – 0,7 bis 2,3 Billionen Kubikmeter – liegt weit über der Menge des Erdgases aus heimischen konventionellen Lagerstätten – rund 0,3 Billionen Kubikmetern Reserven und Ressourcen. Mit diesem Schiefergas-Potenzial ließe sich 13 Jahren lang der Gesamtverbrauch von Erdgas in Deutschland beim derzeitigen Verbrauch bestreiten. Allerdings sind Dutzende von Erkundungsbohrungen nötig, um wirklich zuverlässig zu sagen, wie viel Schiefergas in Deutschland förderbar wäre. Die BGR kommt zu dem Schluss, dass Schiefergas aus heimischen Vorräten dazu beitragen könnte, den auf die Erschöpfung der bekannten Lagerstätten zurückzuführenden Rückgang der Erdgasförderung Deutschlands aufzufangen.
Fracking ist auch in Deutschland keine neue Technologie.
Etwa ein Drittel der heimischen Erdgasförderung geht auf das Hydraulic-Fracturing-Verfahren zurück, dass seit 1961 in Deutschland etwa 300-mal zum Einsatz kam. Dabei handelt es sich um Hydraulic Fracturing in sogenannten „Tight Gas“-Lagerstätten. Dort ist das Erdgas in schlecht durchlässigen Sandsteinen enthalten. Hydraulic Fracturing erzeugt hier, genau wie beim Schiefergas in Tonsteinen, Fließwege, damit das Erdgas besser zur Bohrung strömen kann. Zur Erkundung von Schiefergas wurde Hydraulic Fracturing in Deutschland bisher nur in einer Bohrung 2008 angewendet.
Hat Fracking eine schlechte Klimabilanz, weil vergleichsweise viel Energie für die Förderung nötig ist?
Nein. Die Treibhausgas-Emissionen bei der Produktion von Schiefergas sind nur geringfügig und nicht außergewöhnlich viel höher als bei der Produktion von Erdgas aus konventionellen Lagerstätten. Das ist inzwischen durch sehr viele wissenschaftliche Studien belegt. Allerdings gibt es neuerdings eine Debatte um die zunehmende Nutzung von Erdgas insgesamt. Die Internationalen Energiebehörde IEA stellt dazu fest, dass stärkere Nutzung von Erdgas allein nicht ausreicht, um das Zwei-Grad-Ziel im Klimaschutz zu erreichen. Dazu ist ein viel grundlegenderes Umsteuern in der globalen Energienutzung nötig.
Das heißt?
Die Entwicklung von unkonventionellem Gas muss in einen breiten energiepolitischen Rahmen eingebettet werden, der Verbesserungen der Energieeffizienz, verstärkte Anstrengungen zur Anwendung von Energiequellen mit geringen Kohlenstoff-Emissionen sowie die breite Anwendung neuer Technologien zur Verminderung von Kohlenstoff-Emissionen – auch durch CCS – einschließt. Erdgas ist auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung allerdings unverzichtbar, solange noch fossile Energieträger benötigt werden.
Ist das Verfahren wirtschaftlich überhaupt rentabel?
Ja, unter den Bedingungen in den USA und Kanada offensichtlich, sonst würde es nicht in industriellen Größenordnungen durchgeführt. Die Wirtschaftlichkeit kann in anderen Regionen oder Staaten aufgrund anderer Rahmenbedingungen anders sein. Zum Beispiel wird die Besteuerung der Schiefergasproduktion in Polen gerade politisch neu verhandelt.
Die USA setzen auf Fracking, um energiepolitisch autark zu werden. Steht uns eine Energierevolution bevor?
Die enorme Produktion von Schiefergas in den USA hat den Gasmarkt weltweit beeinflusst. Auch Schieferöl, dass ebenfalls mit Hydraulic Fracturing gewonnen werden muss, wird in den USA zunehmend gefördert, was ebenfalls den Markt beeinflussen wird. Ob weitere Staaten große Mengen an Schiefergas und -öl produzieren werden, ist derzeit aber nicht vorhersehbar.
Verpasst Deutschland durch sein Zögern eine wichtige energiepolitische Wende?
Es ist klar: Der Übergang zur Energieversorgung aus überwiegend regenerativen Quellen, wie sie die Energiewende vorsieht, wird Dekaden benötigen. Fossile Energieträger werden daher noch über Jahrzehnte im deutschen, europäischen und weltweiten Energiemix eine wichtige Komponente bilden, und das nicht nur aufgrund des weltweit weiterhin steigenden Energiebedarfs. Das gilt in ganz besonderer Weise für Erdgas, weil es bei der Verbrennung der sauberste fossile Energieträger ist.
Gibt es weltweit nicht ausreichend Gasvorkommen, die auf herkömmliche Weise erschlossen werden können?
Es gibt sehr große konventionelle Erdgasvorkommen auf der Erde. Allerdings liegen rund 40 Prozent dieser Vorkommen entweder in Westsibirien oder im Bereich des Persischen Golfs und damit in Regionen, die geopolitisch relativ instabil sind. Das gleiche trifft auf einen Teil der nordafrikanischen Vorkommen zu, denken Sie nur an den Terroranschlag in Algerien auf eine Gasfördereinrichtung im Januar. Und auch die Gasförderung in der Nordsee nimmt mit Ausnahme Norwegens kontinuierlich ab. Damit wird deutlich, dass die Suche nach weiteren heimischen Erdgasvorkommen durchaus ihre Berechtigung haben kann. Derzeitige Prognosen der Internationalen Energiebehörde IEA gehen davon aus, dass der Erdgasbedarf weltweit stark ansteigen wird. Sollte sich das bewahrheiten, wird Schiefergas wahrscheinlich eine zunehmend große Rolle dabei spielen.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
GFZ-Plattform im Internet:
www.shale-gas-information-platform.org/
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: