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Konzentriert. Trainer Jogi Löw bedient sich auch Management-Methoden.

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Homepage: Fußball ist auch politisch

Fußball und Management folgen ähnlichen Lehren. Ein Termin an der Business School Potsdam (BSP)

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Männer, die sonst ganz beherrscht erscheinen, brüllen öffentliche Fernsehschirme an. Warum sie das machen, erklärte am Mittwochnachmittag vor dem Halbfinale der Kommunikationswissenschaftler Clemens Schwender: „Sie erkennen das nicht als Attrappe. Das ist wie bei einer Vogelscheuche.“ Fußball, Führung und den Heimvorteil hatte die neu gegründete Business School Potsdam (BSP) mit einer wissenschaftlichen Analyse bedacht.

„Tor, Tor, Tor, Tor für Deutschland“, rief bei der Weltmeisterschaft 1954 der westdeutsche Reporter Herbert Zimmermann begeistert in sein Mikrofon. Das Spiel Deutschland gegen Ungarn ging in die Fußballgeschichte als „das Wunder von Bern“ ein. Sein Kollege aus der DDR kommentiert dagegen eher trocken: „Die Sensation scheint perfekt zu sein.“ Dann blieb er 30 Sekunden sprachlos. Angesichts des Sieges des Klassenfeindes versagten ihm die Worte. Fußball ist auch politisch.

Fußball und andere Sportarten begeistern. Mit 31 Millionen ARD-Zuschauern erreichte das Spiel Deutschland gegen Spanien vom Mittwoch die bisher höchste Zuschauerquote im Fernsehen überhaupt. Nur wenige Spielfilme interessieren vergleichbar viele Zuschauer und nicht alle Sportarten erwecken die gleichen Emotionen. „Kraft, Zähigkeit und Ausdauer begeistern die Zuschauer“, meint Schwender. Deshalb seien Fußball und Radsport so beliebt, Schach und Baseball aber weniger, denn die letzteren seien eher Strategiespiele. Fußballtrainer und Führungskräfte seien in der Regel erfolgreicher, wenn sie es schaffen würden Charisma, intellektuelle Führung und die individuelle Ansprache an die Spieler zu verbinden.

Das ist nun allerdings keine besonders neue Erkenntnis. Dennoch hat sie sich im Fußball erst durchgesetzt, als Jürgen Klinsmann als deutscher Nationaltrainer 2004 der Mannschaft einhämmerte, dass es beim Bundesligaspiel in Deutschland nur die Option gebe, im Heimatland auch Weltmeister zu werden. Der Heimvorteil zahlte sich nicht aus, wohl aber die Zähigkeit mit der Klinsmann sein Ziel verfolgt hatte.

Nachdem Deutschland zu Beginn des Jahrzehnts erst einmal so weit in der Fußballwelt abgerutscht war, dass kaum jemand sich Hoffnung auf ein Comeback der Fußballnation machte, schafften die beiden Trainer Jürgen Klinsmann und Joachim Löw die Wende. Mit neuen Trainingsmethoden und unkonventionellen Ideen bauten sie eine Mannschaft, die ganz auf der Höhe der Zeit ist und vor keinem Endspiel mehr Angst haben muss. Klinsmann und Löw befolgen damit nach Ansicht des Betriebswirtschaftlers Tobias Braun lupenreine Managementlehren. Auch der spanische Trainer bringt seinen Spielern mehr bei als bloßes Kicken. „Die Spanier sind nicht zu stoppen mit ihrem unaufhörlichen Kommunikationsfluss“, stellte der TV-Moderator beim verlorenen Halbfinale-Spiel Deutschland gegen Spanien fest.

Während die Argentinier nach Brauns Ansicht eher dem Motto folgen: „Nachdem wir komplett die Orientierung verloren hatten, rannten wir mit doppelter Kraft in die gleiche Richtung los“, hätten die beiden deutschen Trainer neue Trainingsmethoden eingeführt. Die Argentinier erkannten dagegen mit dem Trainer Maradonna nicht die Zeichen der Zeit, meint Braun. Der Präsident des argentinischen Fußballbundes Julio Grondona hätte lediglich Rezepte wiederholen wollen, die sich 1986, als Argentinier Weltmeister wurde, bewährt hätten. Das reiche aber heute nicht mehr. Brenzlig wird es im Fußball immer erst zum Schluss. Dann kann auch der Heimvorteil eine Rolle spielen. Der besteht nicht zuletzt darin, dass die versammelten Zuschauer die Spieler anfeuern. Beim 1 FC Nürnberg führte das in der Saison 1983/84 zu der kuriosen Situation, dass der Club alle Punkte im heimischen Stadion holte. Bei der diesjährigen Weltmeisterschaft gelang den Spaniern erst gegen Ende der zweiten Halbzeit das Tor gegen Deutschland.

Bei Spielen, die der heimische Schiedsrichter entscheidet, fallen die Entscheidungen oft eher zu Gunsten der heimischen Mannschaft aus, hat der BWLer Rainer Zeichhardt herausgefunden. „Das müssen aber keine unseriöse Entscheidung sein, häufig ist die Auswärtsmannschaft etwas desorientiert, deshalb die häufigeren Fouls.“ Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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