zum Hauptinhalt

Von Jan Kixmüller: Gemeinsam stark

Regionalforscher haben die Rolle von Frauennetzwerken heute und in der DDR-Zeit analysiert

Stand:

US-Außenministerin Hillary Clinton soll einmal gesagt haben, dass ohne Frauen-Netzwerke keine starken Demokratien möglich sind. Eine These, die gut zum unlängst abgehaltenen Regionalgespräch des Leibniz-Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) über „Frauennetzwerke in Brandenburg“ passte. Da das Thema auch den Blick zurück in die DDR-Zeiten erforderte, gab es zu Clintons Postulat allerdings auch Widerspruch. Schließlich habe man in der DDR gar keine Frauennetzwerke gebraucht, da die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend anders waren, hieß es. Die zum wissenschaftlichen Austausch des IRS anwesenden Architektinnen gaben zu bedenken, dass man in der DDR als Frau seine Position in der Gesellschaft gar nicht habe hinterfragen müssen.

„Als Frau hat man immer Anerkennung erfahren, obwohl Männer das Wohnungsbaukombinat dominierten“, erinnert sich die Architektin Heidrun Fleege an ihre Arbeitsjahre. „Mann und Frau waren keine Konkurrenten, wir hatten gemeinsame Aufgaben“, sagte Fleege. Was durchaus auch als Antwort auf die Ausführungen des IRS-Wissenschaftlers Dr. Harald Engler zu verstehen war, der sich zuvor am Beispiel des Architektenberufs der Thematik genähert hatte. Denn Fazit seiner Überlegungen „Frauen im Bauwesen der DDR“ war, dass auch in der DDR die Frauen es im Bauwesen nicht in Führungspositionen geschafft hatten. Es habe keinen Machtverzicht der alten Männereliten gegeben, Karrieregrenzen seien für Frauen bestehen geblieben. Mehr noch: die Fortführung „traditioneller Frauenpflichten“ in der Familie habe trotz offizieller Gleichstellung häufig zu Doppel- und Dreifachbelastungen von Frauen geführt. Auch habe Engler in seiner Forschungsarbeit ein schwindendes Politikinteresse und einen begrenzten Emanzipationswillen bei den Frauen in der Spätphase der DDR ausgemacht.

Das blieb nicht unwidersprochen. Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Potsdam-Mittelmark, Ines-Angelika Lübbe, fand Englers Ergebnisse falsch, vor allem weil sich nichts geändert habe, die alten Männerriegen heute noch die Regionalpolitik dominieren würden. Was allerdings der Regionalforscher auch gar nicht in Abrede gestellt hatte. Wie es nun mit den Frauennetzwerken in der DDR-Zeit aussah, konnte auf der Tagung nicht geklärt werden. Zumindest wurde deutlich, dass in einem autoritären Staat wie der DDR zivilgesellschaftliche Strukturen wie solche Netzwerke es schwer hatten. Andererseits habe man eben keine Zusammenschlüsse unter Frauen gebraucht, weil man sich auch nicht benachteiligt fühlte. Das Thema offenbare noch weitere Forschungsarbeit, so Englers Fazit.

Die bei dem Regionalgespräch anwesenden Architektinnen konnten zumindest bestätigen, dass in ihrem Berufsfeld auch zu DDR-Zeiten vorwiegend Männer das Sagen hatten. Doch die Architektin Ute Baumann sagte auch, dass ihr das ganz recht war, sie habe lieber am Reißbrett gearbeitet, als sich mit Führungsaufgaben herumzuschlagen. Dass sie mit zwei anderen Architektinnen zusammengearbeitet habe, sei eher Zufall gewesen: „Das war kein Netzwerk.“ Ihre Kollegin Heidrun Fleege sagte schließlich, dass ihr der Unterschied zwischen Architekten und Architektinnen erst nach der Wende bewusst geworden sei. Damals habe sie in einem Büro mit zwei anderen Architektinnen gearbeitet und sei von Bauleuten gefragt worden, ob sie den Aufgaben als Frau überhaupt gerecht werden könne. „Das war eine männliche Arroganz, die es in der DDR so nicht gab“, erinnerte sie sich. Immerhin lag der Frauenanteil in der Bauwirtschaft der DDR 1969 mit zwölf Prozent knapp hinter Japan weltweit an zweiter Stelle. Die Erwerbsquote von Frauen lag Ende der 80er Jahre im Osten bei rund 90 Prozent, im Westen hingegen bei 63 Prozent.

Zahlen, die sich mittlerweile deutlich geändert haben. Dafür vernetzen sich Frauen heute aber auch in Brandenburg in Vereinen und Verbänden. Zum Beispiel im Brandenburger Landfrauenverband. Über ihn berichtete seine Leiterin Gisela Materne auf der IRS-Tagung. 1100 Mitglieder bei zehn Kreis- und 52 Ortsverbänden zählt der Verein mittlerweile, vornehmliches Ziel sind Projekte, die die Lebensqualität im ländlichen Raum sichern sollen. Auch setzt sich der Verein für die Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Situation von Frauen, für Chancengleichheit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Eines der drängendsten Probleme ist nach den Worten von Gisela Materne die Landflucht junger Frauen – auch am IRS ein Dauerbrennerthema.

Viele junge Frauen würden die ländlichen Regionen heute bereits im Ausbildungsalter verlassen. „Nur wenige kommen zurück, oft ziehen dann auch die Eltern dem Nachwuchs hinterher“, berichtet die ehrenamtliche Verbandsleiterin.

Der Verein setze nun verstärkt auf Jugendarbeit, alte, traditionelle Techniken sollen so beispielsweise wieder vermittelt werden, um eine Identifikation mit dem Herkunftsort zu schaffen. Dass natürlich auch Arbeitsplätze geschaffen werden müssen, verstehe sich von selbst. „Das ist aber ein Problem, wenn die Landwirtschaft der einzige Arbeitgeber bleibt.“ Realität sei heute auch, dass im Sommer in vielen ländlichen Regionen das Obst an den Bäumen verfaule, weil niemand es pflücken will. „Im Supermarkt kommt man eben einfacher an Kirschen“, sagt die engagierte Landfrau.

Zumindest hier konnte Gerhard Mahnken vom IRS Hoffnung machen. Ein Termin zum Kirschenpflücken werde für diesen Sommer vereinbart, sagte er augenzwinkernd. Und auch im Spätsommer bleibt das brandenburgische Forschungsinstitut der Thematik verhaftet. Für den 15. September ist ein Regionalgespräch zum Thema Identität geplant – gerade im Bezug auf den Verbleib in ländlichen Regionen eine sehr wichtige Frage.

Weitere Infos im Internet:

www.irs-net.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })