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Potdamer Hanfladen 4-20 cc: Hanfduft auf dem Weihnachtsmarkt

Aufklärung durch Genuss: Tee, Kekse oder Seife aus Hanf gibt es beim Stand des Potsdamer Hanfladens 4-20 cc. Mitgründer Andreas Weiner kommt aus der Musikbranche.

Stand:

Potsdam - Wer dieser Tage den Weihnachtsmarkt auf der Brandenburger Straße besucht, wird dort neben dem üblichen Geruch von Glühwein, Zimt und gebrannten Mandeln auch noch einem ganz ungewohnten Duft begegnen – dem von Hanf. Erstmals steht auf dem Weihnachtsmarkt mit dem Stand des Potsdamer Hanfladens 4-20 cc ein Verkäufer, der ausschließlich – legale – Produkte aus Hanf anbietet. „Probieren Sie ruhig!“, redet Bodo Splisteser den Passanten gut zu, die mit einer Mischung aus Neugier und Skepsis am Stand stehenbleiben, und reicht einen dampfenden Becher Hanftee über die Theke. „Komme ich dann noch nach Hause?“, fragt ein Weihnachtsmarktbesucher halb im Ernst und nippt vorsichtig.

Sämtliche Produkte sind aus Hanf, aber ohne THC

„Die Frage kommt dauernd“, meint Splisteser und lacht. Doch eine Tasse Kaffee ist mit Sicherheit berauschender als der Tee, die Kekse oder die Brotaufstriche aus Hanf, die es bei 4-20 cc zu kaufen gibt, denn sie alle enthalten kein THC, also den psychoaktiven Wirkstoff von Cannabis, der von Kiffern so geschätzt wird. Auf die andere Frage, die Splisteser dauernd gestellt wird – „Und was haben Sie so unter der Theke?“ – antwortet Splisteser meist: „Nur meine kalten Füße.“

Seit April dieses Jahres existiert der kleine Laden in der Jägerstraße 21, mit grasgrünem Teppich und weißen Regalen, in denen von Hanfseife über Hanflimonade bis zum Hanfpapier alles liegt, was sich so aus und mit Hanf herstellen lässt: Kekse, Socken, Cannabis-Parfüm und sogar Ausstechformen für Plätzchen in Form eines Hanf-Blattes findet man, auf einem kleinen Tisch steht ein Samowar mit Hanftee, daneben ein grimmig dreinblickender US-Polizist aus Holz in Lebensgröße. „Sozusagen unser Maskottchen“, sagt Andreas Weiner, der Mitgründer, augenzwinkernd. Das Spiel mit der illegalen Seite vom Hanf wird auch im Namen des Geschäfts aufgenommen: Die Zahlenkombination 4-20 gilt in der Szene als Codewort für Cannabis – ausgehend von einer Tradition in den USA, sich um 16.20 Uhr zum Hanfkonsum zu treffen.

Erster Kontakt mit Hanf bei Jimi Hendrix

In der Jägerstraße sind dagegen ausschließlich legale Produkte zu haben. „Wir erfinden das Rad nicht neu“, sagt Weiner. „Es gibt schon lange diverse Produkte am Markt. Unser Ziel ist es, eigene Produkte zu entwickeln und hier in der Region herstellen zu lassen, bio und vegan.“ Der 66-Jährige mit der braunen Mütze, dem großen Türkisring und der kleinen Kette mit den silbernen Totenköpfen am Handgelenk kommt eigentlich aus dem Musikgeschäft: „Den ersten Kontakt mit Hanf hatte ich 1970 auf Fehmarn, bei Jimi Hendrix’ vorletztem Live-Auftritt vor seinem Tod“, erinnert sich Weiner. Danach habe das Thema für ihn lange Zeit keine Rolle mehr gespielt, er stieg ins Musikgeschäft ein und begleitete als Mitarbeiter von Labels wie Polydor unter anderem die Karriere der Fantastischen Vier, hatte aber auch Kontakt zu Ozzy Osbourne oder Lemmy Kilmister von Motörhead.

Mehr als ein Rauschmittel

In den letzten zehn Jahren arbeitete er hingegen im Verlagswesen und wirkte dort unter anderem an der Entwicklung von Hörbuch-Programmen mit. Ab 2014 wurde Weiner durch Freunde aus den USA aufmerksam auf die enorme Entwicklung des Cannabis-Marktes, der durch die Legalisierung in Staaten wie Colorado geradezu explodiert war. Die enorme Vielseitigkeit der Pflanze beeindruckte ihn, denn Hanf hat nicht nur einen Nutzwert als Rauschmittel, sondern auch als Medizin, Nahrungsmittel oder Rohstoff für Textilien, Papier und sogar Kunststoffe. Zudem lässt sich Hanf sehr unkompliziert anbauen, benötigt keine Herbizide und gilt daher als sehr nachhaltig. „Leider wurden die Menschen durch das Verbot über 50 Jahre lang davon abgehalten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen“, sagt Weiner. „Wie kann man nun die Wertigkeit dieses Rohstoffes neu kommunizieren?“

Weiner entschied sich für ein Geschäft mit legalen Hanf-Produkten: 4-20 cc soll vor allem aufklären und mit Ängsten und Vorurteilen gegenüber Hanf aufräumen, weshalb es anders als in sogenannten Head-Shops wie dem Potsdamer „Black Market“ in Weiners Geschäft auch keine Pfeifen, Bongs, Filter und anderes Raucher-Utensilien zu kaufen gibt.

60 Prozent des Nutzhanfs wird in Brandenburg angebaut

Und Ängste gibt es noch viele, weiß Bodo Splisteser von Gesprächen auf dem Weihnachtsmarkt zu berichten: „Es gibt zwei Kategorien von Leuten: Die einen gehen absolut mit Ängstlichkeit und Vorsicht an das Thema ran, die anderen sind sehr gut informiert und warten eigentlich nur noch auf die Legalisierung von Hanf.“ Ersteren erklärt Splisteser, dass die Produkte von 4-20 cc alle aus männlichen Hanf-Pflanzen hergestellt wurden, die anders als die weiblichen keine Blüten mit THC-Gehalt entwickeln. Dass über 60 Prozent dieses Nutzhanfs in Brandenburg angebaut wird, kommt gut an: „Diesen regionalen Aspekt finden viele anziehend“, sagt Splisteser.

Für Weiner hat die Qualitätskontrolle seiner Produkte höchste Priorität: „Ich habe meine Hausaufgaben gemacht“, sagt er. Lange vor Öffnung des Ladens hatte er mit dem renommierten Institut für Getreideverarbeitung (IGV) in Bergholz-Rehbrücke Kontakt aufgenommen, um sich bei der Konzeption seiner Produkte beraten zu lassen. Anfangs herrschte bei den Lebensmitteltechnikern Skepsis: „Ich musste viel Überzeugungsarbeit leisten, um ihnen klar zu machen, dass ich hier keine berauschenden Kekse verkaufen will“, sagt Weiner. Mittlerweile prüft und entwickelt das IGV jedoch zusammen mit 4-20 cc neue Produkte, zum Beispiel Brotbackmischungen.

Doch warum eigentlich Potsdam? Weiner kommt aus Hannover, hat jedoch eine spezielle Beziehung zu Potsdam: In den 1980er-Jahren war er häufig in den Babelsberger Defa-Studios, da er durch eine alte Freundin aus dem Rockgeschäft Uwe Fleischer kannte. Der heutige Projektkoordinator des Filmgymnasiums Babelsberg war damals Leiter der Trickabteilung der Defa. Weiner, der beim Musik-Label RCA an einer Platte für die Welthungerhilfe arbeitete, empfahl den Babelsberger, als die gemeinnützige Organisation nach jemandem suchte, der Cartoons für eine Werbekampagne der Welthungerhilfe entwickeln sollte.

Hanfschokolade und Hanftee kommen besonders gut an

Weiner will es nicht bei dem Laden belassen: Er möchte einen Online-Fernsehkanal ins Leben rufen, steht in Kontakt mit Bauern, Ärzten und dem Deutschen Hanf-Verband und plant nächstes Jahr die Gründung eines Vereins, der unter anderem über Nutzhanf aufklären und Landwirte bei der Beantragung von Anbauflächen beraten soll. „Ich sause eigentlich nur noch in der Gegend rum“, sagt Weiner.

Zumindest viele Weihnachtsmarktbesucher dürfte das Team von 4-20 cc bereits von den Vorzügen von Hanf überzeugt haben, wie Bodo Splisteser an vielen positiven Reaktionen ablesen kann: „Der Tee und die Hanfschokolade laufen bislang am besten!“

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