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Experten warnen: Die rechtsextreme NPD nimmt für die Kommunalwahl die Bürgerschaft ins Visier
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Die Auseinandersetzung mit rechtsextremen Kandidaten wird im Wahlkampf um Brandenburgs kommunale Vertretungen eine wichtige Rolle spielen. Nach Ansicht des Politologe Dr. Jochen Franzke von der Universität Potsdam bereitet sich insbesondere die NPD systematisch auf die Kommunalwahlen in Brandenburg am 28. September vor. Dabei trete die rechtsradikale Partei deutlich aggressiver auf als ihre Konkurrenz von der DVU.
Nachdem sich die NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zumindest in einigen Regionen kommunal verankern konnte, versucht sie nun, mit der gleichen Strategie in Brandenburg zu punkten. Die DVU spiele in den Kommunen kaum noch eine Rolle. Das Auftreten der NPD sei auch durch ihre Wahlwerbung auffällig, erklärt der Experte für Kommunalpolitik auf Anfrage der PNN. Es würde eine krude Mischung aus alten DDR-Slogans, völkischer Propaganda und aktuellen Themen genutzt. Die NPD, so Franzke, gebe sich bürgerfreundlich und gerechtigkeitsorientiert, als Förderer von Jugend und Familie sowie als Kämpfer für die Rechte der Hartz-IV-Empfänger. „Hinter dieser Fassade jedoch lauern Fremdenhass, Gewalt gegen Andersdenkende und Intoleranz.“
Um im bürgerlichen Milieu Stimmen zu fangen, plane die NPD beispielsweise, Bäckermeister oder Handwerker als Kandidaten aufzustellen, die eine gewisse Reputation vor Ort besitzen. „Richtig solide Berufe, um sich einen bürgerlichen Anstrich zu geben“, wertet Franzke. Die demokratischen Parteien seien nun gefordert, den Wählern vor Augen zu führen, für welche Politik die Kandidaten einer solchen Partei stehen. „Insbesondere die perfide Arbeitsteilung der NPD, einerseits ,wählbare“ Kandidaten zu präsentieren und andererseits für das Verprügeln unliebsamer Nachbarn andere Personen einzusetzen, sollte aufgedeckt werden.“
Zwar sei die offizielle Mitgliederzahl der NPD in Brandenburg nicht sehr hoch, und hat sich laut Verfassungsschutz auch nicht wesentlich erhöht (zurzeit etwa 260 Mitglieder). „Aber die Partei hat in ihrem Umfeld beispielsweise durch die Kameradschaften sehr viel Unterstützung.“ Darüber hinaus werde auch ein systematischer Import von Wahlkampfhelfern aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern betrieben. „Das alles zusammen ergibt eine höhere Schlagkraft als bei der DVU.“ Ziel sei das Übernehmen der Wählerschaft der DVU in der Kommunalwahl, während auf Landtagsebene weiterhin der so genannte „Deutschlandpakt“ zwischen den beiden Parteien gelte.
Brisant sei auch die so genannte „Wortergreifungsstrategie“, bei der NPD-Leute versuchten, in öffentlichen Veranstaltungen die Deutungshoheit über bestimmte, etwa historische Themen zu erlangen. „Das passiert aber nicht offen, vielmehr versuchen Einzelpersonen, die sich meist nicht als Vertreter der NPD outen, bei Veranstaltungen das Wort zu ergreifen“, erklärt Franzke. Zunehmend trete auch in Brandenburg eine zweite Strategie der „Vertreibung der Zivilgesellschaft“ (Werner Treß) hinzu, mit der die NPD „in alter SA-Manier“ versuche, öffentliche Veranstaltungen demokratischer Organisationen zu sprengen.
Oppositionsstrategie der NPD sei es, sich als Vertreter der Bürgerinteressen auf kommunaler Ebene darzustellen. „Das ist für Brandenburg eine neue, bemerkenswerte Qualität“, sagt Franzke. Es gelte nun für die demokratischen Kräfte, der rechten Partei ihre bürgerliche Tarnkappe zu entreißen. Problematisch sei, dass bei der Kandidatur für die NPD nicht nur das bürgerschaftliche Engagement des einzelnen Kandidaten sondern auch das Weltbild der Partei insgesamt repräsentiert werde. „Darauf muss man in der öffentlichen Auseinandersetzung immer wieder hinweisen“, mahnt Franzke. „Die NPD steht für Geschichtsklitterung und verfolgt verfassungsfeindliche und antidemokratische Ziele“, erinnert der Politologe. Das Geschichtsbild sei in starkem Maße geprägt von der Verherrlichung des Nationalsozialismus. „Hier sollten alle demokratischen Kandidaten im Wahlkampf deutlich machen, dass eine solche Partei nicht als Partner auf kommunaler Ebene in Frage kommt“, fordert der Politologe.
Ein Vormarsch der NPD sei aber nicht unabwendbar. Der Verfassungsschutz verweise auf Parteiaustritte und wenig Entwicklung. „Die Gegenwehr der Zivilgesellschaft wird stärker“, schätzt Franzke. Die Frage sei nun, wie man mit der Partei umgehe, und ob es unfreiwillige Wahlwerbung sei, wenn die NPD in den Medien überhaupt auftauche. „Das sehe ich nicht so. Ich würde sogar davor warnen, die Partei zu ignorieren“, betont der Hochschullehrer. Wenn die NPD dann doch neun Prozent erreiche, wäre die Erschütterung groß. Eine offensive Auseinandersetzung im Vorfeld sei daher dringend angezeigt.
Dass die Partei gerade bei den 18 bis 29-jährigen einen höheren Zulauf hat, sei durchaus ein Ausdruck der Generationenproblematik in Ostdeutschland. In der Generation der „Kinder der Wendezeit“ sei die Anfälligkeit für totalitäres Gedankengut höher. Zum anderen verweist Franzke auf die Spezifik der ostdeutschen Randregionen. „Wo starke Abwanderung stattfindet, verändert sich die Sozialstruktur erheblich.“ Wenn die Engagierten, die Frauen und die Jüngeren weggehen, bleibe eine Schicht von wenig mobilen Männern zurück, die für rechte Ideologien stärker anfällig seien.
Auch der Historiker Werner Treß vom Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) kommt im Handbuch „Rechtsextremismus in Brandenburg“ zum Schluss, dass für die NPD die Kommunalwahl in Brandenburg ein weiteres Etappenziel ihres „Kampfes um die Parlamente“ sei. Hintergrund der Strategie, verstärkt Kandidaten aus dem gutbürgerlichen Milieu zu gewinnen, sei das Parteitags-Motto der NPD von 2006: „Aus der Mitte des Volkes“. Tatsächlich gelinge es der rechtsextremen Partei nun zunehmend, auch bürgerliche Wählerschichten zu erreichen. Dafür würde die Partei verstärkt in kommunalen Initiativen mitwirken, Bürgerinitiativen gründen, in Elternvertretungen Präsenz zeigen, Kinderfeste und Sportveranstaltungen organisieren. Der Vordenker der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag, Jürgen Gansel, bezeichne die Strategie als „geräuschlose völkische Graswurzelrevolution“. In Sachsen verfügt die NPD mittlerweile immerhin über 27 aktive Kreisverbände und ist in zahlreichen Kommunalparlamenten vertreten.
In Brandenburg stehe die Strategie der Verbürgerlichung bislang erst am Anfang. Doch auch hier wurde die NPD aktiv, etwa mit Kinderfesten (Storkow 2006) und Sportveranstaltungen. Treß berichtet von einem so genannten „Turnier der Toleranz“ im September 2006 in Rathenow, bei dem Mannschaften wie „Sportvolk“ und „KDF-Nauen“ antraten – in der in öffentlicher Hand stehenden Havellandhalle.
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