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Potsdams Amtsärztin Kristina Böhm ist besorgt über zu niedrige Impfquoten, unter anderem bei HPV.

© Andreas Klaer

„Damit können wir uns nicht zufriedengeben“: Impfaktionstag gegen zu niedrige Impfquoten

Potsdams Amtsärztin Kristina Böhm ist besorgt über zu niedrige Impfquoten, unter anderem bei HPV. Beim Impfaktionstag am 15. Juli kann sich jeder kostenlos beraten und gegen Tetanus, Masern & Co. impfen lassen.

Stand:

Das Potsdamer Gesundheitsamt möchte mit dem Impfaktionstag am 15. Juli etwas gegen zu niedrige Impfquoten tun: Von 9 bis 18 Uhr können sowohl Erwachsene als auch Kinder und Jugendliche sich kostenlos und ohne Termin im Gesundheitsamt Potsdam beraten und nach Bedarf impfen lassen. Angeboten werden Impfungen gegen HPV (Humane Papillomviren), Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Polio, Mumps, Masern, Röteln, Hepatitis B und FSME. Auch Menschen ohne Krankenversicherung können sich impfen lassen.

„Wir sehen seit einigen Jahren, dass die Impfquoten bei Kindern alles andere als erfreulich sind“, sagt Potsdams Amtsärztin Kristina Böhm. Sie verwies dazu auf Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI): Bei Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Polio, Masern, Mumps und Röteln liegt die Quote vollständig geimpfter zweijähriger Kinder bundesweit jeweils bei 77 Prozent, bei Hepatitis B sind es 75 Prozent.

Es ist erschreckend, dass wir bei allen Impfungen, die von der STIKO empfohlen werden, nicht über 80 Prozent kommen – damit können wir uns nicht zufriedengeben.

Kristina Böhm, Potsdamer Amtsärztin

Genaue Zahlen für Potsdam seien schwierig zu erheben, so Böhm, die Zahlen in der Landeshauptstadt würden sich jedoch auf einem ähnlichen Niveau bewegen. „Es ist erschreckend, dass wir bei allen Impfungen, die von der STIKO empfohlen werden, nicht über 80 Prozent kommen – damit können wir uns nicht zufriedengeben.“ Höhere Impfquoten seien wichtig, weil nur dann auch die sogenannte Herdenimmunität wirksam werde.

Judith Freytag vom Kinder- und Jugendgesundheitsdienst.

© Andreas Klaer

Ein besonderes Augenmerk beim Impfaktionstag liegt auf der HPV-Impfung: Bundesweit sind nur 55 Prozent aller 15-jährigen Mädchen vollständig geimpft, bei den Jungen sind es nur 34 Prozent. „Wir sehen, dass die HPV-Impfung bei vielen Jugendlichen nicht richtig verankert ist“, sagt Judith Freytag vom Kinder- und Jugendgesundheitsdienst Potsdam. „Viele haben zwar die erste Impfung, aber die zweite oft nicht mehr.“ Erst mit zwei Impfungen ist der Schutz gegen HPV vollständig wirksam.

Und der ist Gold wert: Eine HPV-Impfung schützt nachweislich vor bestimmten Krebsarten wie Gebärmutterhals- oder Peniskrebs, wenn sie frühzeitig durchgeführt wird. „Viele Eltern wissen nicht, dass die HPV-Impfung laut der STIKO bereits ab dem zehnten Lebensjahr empfohlen wird – und zwar für Mädchen und Jungen“, sagt Freytag. „Wir möchten Ängste nehmen, Fragen beantworten und helfen, Kinder bestmöglich zu schützen.“

Niedrige Quoten seit Corona

Doch was ist der Grund für die niedrigen Impfquoten? Eine Ursache sei die Corona-Pandemie, sagt Böhm: „Während der Pandemie waren viele Arzt-Kontakte nicht möglich, dadurch sind viele Vorsorgeuntersuchungen nicht erfolgt.“ Seit der Pandemie habe auch das generelle Vertrauen in Impfungen gelitten: „Die öffentliche Kommunikation zu den neuen Impfstoffen war an vielen Stellen nicht gut und nicht transparent, so dass viele Ängste nicht abgebaut werden konnten“, sagt Böhm.

Ein weiterer Aspekt sei, dass in den vergangenen Jahren vermehrt Geflüchtete nach Deutschland gekommen seien, deren Impfstatus lückenhaft ist. „Um es deutlich zu sagen: Geflüchtete bringen keine Infektionskrankheiten nach Deutschland, aber sie kommen aus Ländern, in denen das Gesundheitssystem zum Teil komplett zusammengebrochen ist.“

Gründe für die niedrigen Impfquoten seien aber auch im deutschen Gesundheitssystem zu suchen: „Unser Impfsystem ist nicht sehr niedrigschwellig – es ist nicht leicht, sich einfach überall impfen zu lassen“, so Böhm. Auch der Impfpass aus Papier sei nicht mehr zeitgemäß, sagt Böhm: Sie wünsche sich digitale Lösungen, etwa über Apps oder die E-Akte.

Welche Wichtigkeit Impfungen haben, zeigt der Fall eines zehnjährigen Jungen aus dem Havelland, der Ende Januar an Diphtherie gestorben war. „An diesen Krankheiten muss heutzutage niemand mehr erkranken oder sterben“, betont Böhm. Dennoch ist es in den letzten Jahren wieder vermehrt zu Diphtherie-Infektionen gekommen: 126 Fälle gab es zwischen 2022 und 2025 in Deutschland.

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