Homepage: In Großbritannien: Gentests aus der Drogerie
Ist der Mensch bald gläsern? Der Berliner Humanmediziner Karl Sperling über Theorie und Praxis der Gentechnik
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Ist der Mensch bald gläsern? Der Berliner Humanmediziner Karl Sperling über Theorie und Praxis der Gentechnik Ganz so leicht wie Darwin sich das vorgestellt hat, ist es nicht. Der Phänotyp, das Erscheinungsbild (schön, blau, groß, intelligent) kann nicht einfach einem bestimmten Erbmerkmal zugeordnet werden. Das menschliche Erbgut besitzt 3 Milliarden Basenpaare, unzählige Abfolgen von A, T, G, C, Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin, die erst in einer bestimmten Kombination ein bestimmtes Erscheinungsbild hervorrufen, erklärte der Humanmediziner Prof. Dr. Karl Sperling von der Charité Berlin jüngst an der Universität Potsdam. 20 Studenten waren dabei, als er zum Thema „Gendiagnostik und der gläserne Mensch“ einen Vortrag hielt. Im Rahmen der öffentlichen Veranstaltungsreihe „Mythen und Fakten der Gentechnik“. Sperling sprach über die Grundlagen der Genetik, über vererbte Krankheiten, die Möglichkeiten genetischer Diagnostik und das Muss eines Nachdenkens über Ethik im Umgang mit den Tests. Der Wissenschaftler fing ganz am Anfang der Gentechnik an. Mit der Vereinigung von Eizelle und Samenzelle zur so genannten Zygote. In ihrem Zellkern wohnt die DNA-Doppelhelix, der gedrehte Strang an Genmaterial, der zur einen Hälfte von der Mutter, zur anderen vom Vater vererbt ist. Die Zygote ist der Ausgang für neues Leben – deshalb unterliegt sie dem Embryonenschutzgesetz. Ihren Kern-Inhalt kopiert sich durch Zellteilung in jede neue Zelle. Gentests an Haaren, an Speichelresten, all das ist heute ohne Weiteres machbar, sagte der Humanmediziner. Man kann Gene identifizieren, sie lokalisieren, erkrankte Gene ausmachen. Die Automatisierung habe dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Wenn man auch inzwischen sogar schon Gentests kaufen kann, in britischen Drogerien zum Beispiel, die allerdings nicht viel taugen: Die in Science Fiction Romanen beschriebenen Visionen von der gezielten Manipulation von Genen – davon ist die Wissenschaft weit entfernt. Man kann Krankheiten feststellen, die monogenetisch sind, nur an einem Gen hängen. Die meisten Krankheiten haben aber mehr als eine Ursache. Deshalb lassen sich viele, gerade Zivilisationserkrankungen wie Krebs oder Psychosen, auch nicht durch Gentests herausfinden, berichtete Sperling. Dennoch: Im Bereich der vorgeburtlichen Untersuchungen spielen die Tests mittlerweile eine bedeutende Rolle. Rund 30 erkennbare Krankheiten seien therapierbar. Auch zur Diagnose bereits ausgebrochener Krankheiten werden Gentests eingesetzt, entsprechend können Behandlungen ausgerichtet werden, erklärte der Wissenschaftler den Vorteil. Außerdem gibt es prädikative Tests, Prognosen bei Gesunden. Diese Untersuchungen werden zunehmend bei Brustkrebs eingesetzt, wenn er bei der Mutter ausgebrochen ist und die Tochter wissen will, wie wahrscheinlich sie ein entsprechendes Gen geerbt hat. In einem solchen Fall spielt dann plötzlich die Ethik eine Rolle, sagte Sperling. Will man überhaupt wissen, ob man erkrankt? Solche Fragen sind auch bei Schwangerschaftsabbrüchen relevant. Wie reagiert man, wenn man weiß, das Kind hat eine schwere Behinderung? Dabei muss man allerdings wissen, dass die Tests keine hundertprozentige Sicherheit bieten. Marion Hartig
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