
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Intime Übung am Holzmodell
Aidshilfe und Vereine organisieren siebente Jugendfilmtage im UCI
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Es ist ein bisschen wie im Arzt-Wartezimmer. „Wer ist der nächste?“, fragt Ina Beu vom Jugendclub Alpha, um dessen Aktionsstand sich eine Traube von Jungs gebildet hat. „Der Nächste“ gehört zu den Sechstklässlern der Ketziner Europa-Schule, und jetzt geht’s ans Eingemachte: Blind ein Kondom aus der Verpackung entnehmen und richtig herum einem auf dem Tisch angeschraubten Holzmodell überstülpen. Berührungsängste und Peinlichkeiten sind fehl am Platze bei den siebenten „Jugendfilmtagen Sexualität, Liebe, Freundschaft HIV/Aids“.
Hortense Lademann von der Aidshilfe Potsdam hat für Donnerstag und Freitag von über 1000 Schülern und Lehrern Anmeldungen vorliegen. Die Veranstaltung in der UCI Kinowelt könnte gern noch besser nachgefragt sein, bei Bedarf würden für die Filmvorführungen noch zusätzliche Säle geöffnet werden. „Theaterleiter René Pilz ist sehr entgegenkommend, wir dürfen das UCI kostenlos nutzen und die Finanzierung der Filme übernimmt das Kino“, freut sich die Sozialpädagogin, die die Filmtage gemeinsam mit einem Netzwerk aus Jugendclubs, Gesundheitsamt, Vereinen und Beratungsstellen organisiert hat.
Prominente Unterstützung bekommt das Event durch die Schirmherrschaft von Babelsberg 03 Torhüter Marian Unger, der zum dritten Mal dabei ist und reichlich Autogramme verteilt. Er lenke gern die Aufmerksamkeit, die man ihm als Sportler entgegen bringt, auf diese wichtigen Themen. „Wenn ich ein paar mehr Jugendliche erreichen kann und die sich dann Gedanken machen, das wäre schon schön.“
Gedanken gemacht haben sich die 17- und 18-Jährigen einer Boygroup aus dem Oberstufenzentrum II das letzte Mal in der neunten Klasse, damals sei ein von HIV und Aids Betroffener in der Schule zu Besuch gewesen. Jetzt drehen sie am „Glücksrad“ und müssen Fragen beantworten: Wofür die Abkürzung Aids steht, das hatten sie bisher nicht gewusst.
Die Potsdamer Aidshilfe hat nach wie vor gut zu tun, auch wenn die Zahl der getesteten Neuinfektionen, vier in diesem Jahr, relativ gering ist. „Die Aufklärungsarbeit nimmt nicht ab“, sagt Lademann, das Halbwissen sei groß. In der Schule hänge es viel vom einzelnen Lehrer ab, ob und in welchem Umfang über Sexualität gesprochen wird. Im Kino-Foyer scheint es den Jugendlichen jedenfalls leicht zu fallen, sich zu öffnen, auch wenn manche anfangs skeptisch gewesen seien, sagen begleitende Lehrer, von denen nicht wenige das angebotene Vorbereitungsprogramm genutzt haben.
Im Mittelpunkt beider Tage stehen die gezeigten Filme, die in manchmal recht krasser und schonungsloser Weise die Auseinandersetzung einfordern. In den Streifen geht es um Verlust der Eltern, um Krankheit und sexuellen Missbrauch aber auch außergewöhnliche Talente und neue Wege sowie die Schwierigkeit, seinen eigenen Gefühlen zu trauen.
Als Rahmenprogramm laden Vereinsmitarbeiter zu Spielen und Rätseln ein, und es geht nicht nur um Aids, auch um Liebe, Beziehungsfreude und -frust, Familienplanung, Verhütung, Homosexualität. Heute sind zusätzlich Kollegen der Präventionsabteilung der Polizei vor Ort, um über Cybermobbing zu reden.
Die Jugendlichen nehmen die Spielchen oft von der sportlichen Seite und bleiben dennoch erstaunlich ernst bei der Sache: „Diese Offenheit auch bei intimen Themen hat uns sehr überrascht“, sagt Barbara Peach von den Wildwuchsstreetworkern.
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