Von Sabine Schicketanz: Kalt, dunkel, hart
Studio-Koproduktion „Unknown Identity“ hat heute Berlinale-Premiere – Thriller-Schauplatz ist Berlin
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Eine düstere Straße in Berlin-Moabit. Ein Mann geht über die Straße, telefoniert. Kameras filmen ihn, Scheinwerfer beleuchten die Szenerie. Der Mann ist Hollywood-Star Liam Neeson, der Hauptdarsteller. Plötzlich fährt ein Smart durchs Bild. Der Fahrer des getunten Wagens lässt die Scheibe herunter. „Ey“, ruft er der Filmcrew zu, „Kino is’ hier, Mann!“.
Es ist eine Szene, die Henning Molfenter im Gedächtnis geblieben ist vom Dreh des Actionthrillers „Unknown Identity“, der heute auf der Berlinale seine Europa-Premiere feiert. Nicht etwa, weil der Smart-Fahrer Ärger verursacht hätte – im Gegenteil. Der Auftritt war eben original Berlin. „Da weiß man: Man ist am richtigen Ort“, sagt der Produzent.
Berlin ist in „Unknown Identity“ schließlich nicht nur Kulisse, sondern Hauptdarsteller: Schauplatz ist, wie schon beim Actionthriller „Bourne Supremacy“ mit Matt Damon, die Bundeshauptstadt. Gedreht wurde vor gut einem Jahr in Berlin, Potsdam, Leipzig und Brandenburg. Studio Babelsberg hat den Thriller von Regisseur Jaume Collet-Serra koproduziert, Henning Molfenter war als Geschäftsführer der Studio-Filmproduktionsfirma Studio Babelsberg Motion Pictures beim Dreh vor Ort.
Ein Job, bei dem Kondition gefragt ist. Gearbeitet wurde vor allem nachts, es herrschten Minusgrade, Berlin war voller Schnee. Eine Belastungsprobe für Schauspieler und Crew: „Es waren ein harter Winter und harte Motive“, so Molfenter. Genauso sei der Film geworden: „Ein knallharter, waschechter Berlin-Film.“
Im Thriller muss der Wissenschaftler Dr. Martin Harris (Neeson) um seine Identität kämpfen: Nach einem schweren Autounfall in Berlin fällt er ins Koma. Als er wieder erwacht, erkennt seine Frau Elisabeth (January Jones) ihn nicht mehr, ein anderer Mann hat den Platz an ihrer Seite eingenommen. Dass er der wahre Dr. Harris ist, glaubt ihm niemand – allein in der Taxifahrerin Gina (Diane Kruger), die ihn nach dem Unfall gerettet hat, und im Ex- Stasi-Mann Ernst Jürgen (Bruno Ganz) findet Harris Verbündete. Neben den Hauptdarstellern Neeson („96 Hours) und Kruger („Inglourious Basterds“) sowie der Ikone der TV-Serie „Mad Men“, January Jones, und Charakterdarsteller Bruno Ganz („Der Untergang“) haben die deutschen Schauspieler Sebastian Koch („Das Leben der Anderen“), Karl Markovics („Die Fälscher“) und Stipe Erceg („Der Baader Meinhof Komplex“) Rollen übernommen.
Berlin-Kundige werden im Film einiges wiedererkennen: Das Unfall-Taxi stürzt von der Oberbaumbrücke in die Spree, der Mann ohne Identität läuft über die Friedrichstraße, den Potsdamer Platz, ins Hotel Adlon. Aber es seien auch „tote Winkel“ wie eben die Straße in Moabit Kulisse gewesen, so Molfenter. Rund zwei Drittel der 48 Drehtage verbrachte die Crew an Sets vor Ort, der Rest des Films entstand in den Babelsberger Studiohallen. Dort hatten die Kulissenbauer die Präsidentensuite des Hotel Adlon nachgebaut – um sie in die Luft zu jagen. Das Taxi stürzte zwar ganz real durch das Geländer der Oberbaumbrücke in die Spree, doch alle Szenen im Wasser wurden in Babelsberg gefilmt. Eigens für den Dreh baute das Studio den bundesweit größten Wassertank für Action-Aufnahmen, wie es heißt: 500 000 Liter Wasser fasst der vier Meter tiefe Tank, in den das Taxi dann „eingetaucht“ wurde. Das Becken wurde übrigens nicht wieder abgebaut – es bleibt für neue Action-Drehs im Studio stehen.
Maßgeblich findet Molfenter, der gemeinsam mit den Vorstandschefs der Studio AG, Carl Woebcken und Christoph Fisser, Koproduzent des Films ist, erneut die Besetzung des Hollywood-Streifens: Lange engagierten US-Produktionen ausschließlich US-amerikanische Schauspieler, vor allem der Sprache wegen. Damit sei es aber seit zwei, drei Jahren vorbei. „Es gibt die Bereitschaft des Weltpublikums, Akzente zu akzeptieren.“ Wenn das Englisch nicht sauber US-amerikanisch oder britisch klinge, spiele das keine Rolle mehr, so Molfenter. Dazu habe Babelsberg mit Koproduktionen wie „Inglourious Basterds“, in dem verschiedene Sprachen und Dialekte gesprochen werden, oder auch dem internationalen Thriller „Constant Gardener“ beigetragen. Das sei nicht nur befruchtend für die künstlerische Arbeit, sondern ermögliche deutschen Schauspielern auch „ganz andere Chancen“.
Zum Beispiel die, bei der Berlinale über den roten Teppich zu schreiten. Heute um 19.30 Uhr beginnt die Premiere von „Unknown Identity“ im Berlinale-Palast. Der Film läuft im Wettbewerb, aber außerhalb der Konkurrenz um den Goldenen oder die Silbernen Bären. Der Mann, der in Moabit über die Straße lief, wird allerdings heute nicht zurückkehren. Liam Neeson sagte seinen Premieren-Besuch in letzter Sekunde ab. Er drehe, so heißt es, in Kanada einen neuen Film, dessen Drehplan kurzfristig umgeworfen worden sei.
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