Landeshauptstadt: „Krass, wie kann man immer so leben?“
Die 21-jährige Potsdamerin Leonie Donath hat ein Jahr lang in Ghana gelebt und gearbeitet. Entstanden ist daraus der Dokumentarfilm „Affenbrot und Baum“. Nun will sie sich damit an der Filmuniversität bewerben
Stand:
Frau Donath, viele junge Menschen in Ihrem Alter wollen ein Jahr im Ausland verbringen – meist als Au-pair in Amerika, Neuseeland oder Australien. Warum haben Sie sich für ein soziales Projekt in Ghana entschieden?
Ich war bereits während meiner Schulzeit in Amerika und Frankreich und wollte etwas ganz Neues kennenlernen. Da kamen Afrika, Indien, Asien oder Südamerika für mich infrage. Ich habe mich für viele Projekte beworben. Als ich in Ghana bei dem Schulprojekt Baobab angenommen wurde, habe ich dort sofort zugesagt, weil mir das Projekt sehr gut gefallen hat. Mich auf das Nötigste beschränken, alles Luxuriöse hinter mir zu lassen – das hat mich gereizt. Nach der Abiturzeit, die sehr lernintensiv war, habe ich mich darauf gefreut, ganz einfache, handwerkliche Arbeiten zu machen.
Was steckt hinter dem Baobab-Projekt?
Die Waldorflehrerin Edith de Vos gründete 2001 in Ghana eine Schule für Handwerk und Kunsthandwerk, in der Jugendliche und Körperbehinderte aus armen Verhältnissen lernen können. Neben der Schulausbildung erlernen sie in der Baobab-School verschiedene Handwerke – Nähen, Weben, Tischlern oder Batiken. In Ghana können die Familien ihren Kindern oft einen Schulbesuch nicht finanzieren. Baobab ist kostenfrei. Nach dem Schulabschluss haben die Jugendlichen gute Chancen, eine Arbeit zu finden.
Wie hatte Ihre Familie auf Ihre Pläne reagiert, ein Jahr in Ghana zu verbringen?
Meine Mutter war ziemlich offen, hat es akzeptiert und mich sehr unterstützt. Mein Vater hat sehr sorgenvoll reagiert und wollte mich bis zum Schluss von dem Plan abbringen. Er hat mich vorgewarnt, dass es dort ganz anders sei, als ich es mir vorstelle, dass ich bestimmte Dinge übersehen würde. Als ich dann dort war, wusste ich, was er meinte. Man muss sich anders auf die Menschen einlassen, andere Umgangsformen kennenlernen – eine spannende Erfahrung.
In Ghana komme es immer wieder zu Überfällen, teils auch mit Waffengewalt, warnt das Auswärtige Amt. Hatten Sie keine Angst davor?
Im Vorfeld ja, aber die Angst ist ziemlich schnell verflogen. Aber ich habe immer wieder erlebt, dass Freunde von mir ausgeraubt wurden. Mir selbst ist das nicht passiert. Ich hatte meinen Computer und meine Kamera dabei, weil ich meinen Film „Affenbrot und Baum“ drehen wollte. Dreimal wurde versucht, in mein Zimmer einzubrechen, Scheiben wurden eingeschlagen. Einmal war ich nicht da, hatte meine Filmausrüstung aber zum Glück bei mir. In der Zeit wurde in meinem Zimmer eingebrochen und die Wertsachen einer Freundin gestohlen, die dort zu diesem Zeitpunkt übernachtete.
Wie sah Ihr Alltag aus?
Morgens bin ich halb sechs aufgewacht ohne Wecker, weil es dann draußen laut wurde. Die Schüler haben den Schulhof gekehrt, gerufen, gelacht. Nach dem Frühstück habe ich den Nähunterricht vorbereitet, in der Küche geholfen, mich mit kranken Schülern beschäftigt. Nach dem Mittag haben die Workshops stattgefunden. Ich habe den Nähunterricht betreut. Mit zwei Jugendlichen, die an Muskelschwund litten, habe ich anschließend Übungen gemacht, um den Schwund der Muskeln aufzuhalten. Nach dem Abendessen war Freizeit. Die Schülerinnen kamen dann ganz oft zu mir, haben an die Tür geklopft, wollten Musik hören oder etwas spielen. Um 8 Uhr war für die Schüler Nachtruhe. Abends bin ich oft zu Freunden ins Dorf gegangen.
Wie kam es dazu, dass Sie auch einen Dokumentarfilm drehten?
Seit sieben Jahren beschäftige ich mich intensiv mit Film. Als klar war, dass ich nach Ghana gehe, habe ich sofort geplant, dort auch einen Film zu drehen. Das ist einfach eine super Chance. Das erste halbe Jahr habe ich lediglich das Drehbuch geschrieben. In den letzten drei Monaten habe ich dann intensiv gedreht. Der Film beginnt mit der Geschichte einer Schülerin der Baobab-Schule. Sie führt uns zur Schule, durch den Alltag und die Besonderheiten des Schullebens. Doch wie finanziert sich dieses umfangreiche Projekt? Der Film führt auch ein in die Zweigstelle des Baobab-Projekts: das Hostel, den Laden und das vegan-vegetarische Restaurant in der größeren Stadt Cape Coast, dessen Einnahmen der Schule zugutekommen.
In Ihrem Film wird deutlich, unter welchen schwierigen Bedingungen viele Menschen in Ghana leben. Wie haben Sie Ihre Erlebnisse verarbeitet?
Es ist dort einfach Normalität, man kommt rein und geht mit. Am Anfang dachte ich: „Krass, wie kann man immer so leben?“ Aber man merkt, dass im Grunde der Lebensstandard an Bedeutung verliert, solange man in Geselligkeit der Menschen lebt. Auch wenn das Wasser mal nicht läuft, wenn man krank wird oder das Essen nicht schmeckt. Diesen Dingen misst man nicht mehr so viel Bedeutung bei. So ist es dann eben.
Nun sind Sie zurück in Deutschland. Wie geht es für Sie weiter und was haben Sie von ihrem Ghana-Aufenthalt für sich persönlich mitgenommen?
Ich möchte mich mit einem Ausschnitt meines Dokumentarfilms für ein Cinematografie-Studium an der Filmuniversität Babelsberg bewerben und hoffe sehr, dass das klappt. Das Wichtigste, was ich in Ghana gelernt habe, ist es, den Moment zu genießen und das Leben und die Menschen auf mich zukommen zu lassen.
Das Interview führte Heike Kampe.
Die DVD „Affenbrot und Baum“ kann man bei Leonie Donath direkt käuflich erwerben: leonie.donath@online.de. Die DVD und im Baobab-Projekt gefertigter Schmuck werden am 29. November auf dem Basar der Waldorfschule Potsdam in der Erich-Weinert-Straße 5 verkauft. Mehr über das Baobab-Projekt in Ghana unter www.baobab-children-foundation.de.
Leonie Donath, 21, legte 2013 ihr Abitur an der Waldorfschule Potsdam ab. Ein Jahr lang begleitete sie in dem Dorf Kissi in Ghana ein Schulprojekt und drehte „Affenbrot und Baum“.
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