
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Kreide ade!
Jede zweite Brandenburger Grundschule besitzt Interaktive Tafeln. Für die Schüler ist es faszinierend, für die Lehrer eine Arbeitserleichterung. Die CDU fordert jetzt noch mehr Digitales in der Schule
Stand:
Lehrerin Kerstin Wölfert steht vor den 24 Schülern ihrer Klasse und möchte den Mathematikunterricht beginnen – mit einem interaktiven Whiteboard. Ein Beamer projiziert das Bild der blauen Benutzeroberfläche des angeschlossenen Laptops auf die weiße Tafel. Kerstin Wölfert öffnet das Programm, mit dem sie in den kommenden 45 Minuten die Tafelbilder für den Unterricht kreieren möchte. So weit, so gut. Doch der Stift, mit dem die Lehrerin und stellvertretende Schulleiterin der Käthe-Kollwitz-Oberschule auf der interaktiven Tafel schreiben und zeichnen möchte, reagiert nicht. Das Whiteboard bleibt weiß. Schließlich wird die Ursache entdeckt – ein Kabel ist nicht richtig angeschlossen. „Ich bin wirklich selten am Smartboard“, gibt die Lehrerin schmunzelnd zu. „Aber den Fehler mache ich bestimmt nicht noch einmal.“
Smartboards, interaktive oder auch digitale Whiteboards – so heißen die modernen Tafeln, die nach und nach Einzug in die Schulen halten. Im Land Brandenburg verfügt bereits jede zweite öffentliche Grundschule über mindestens eine interaktive Tafel. Etwa 750 000 Euro flossen im Schuljahr 2009/2010 in die Ausstattung von 134 Schulen, die mindestens jeweils eine der elektronischen Tafeln erhalten haben. Die Gelder des Förderprogramms „Impuls für eine bessere IT-Ausstattung an Grund-, Förder- und Oberschulen“ (IBIS) stammen aus dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR. Pro interaktivem Whiteboard wurden etwa 4 000 Euro an Fördergeldern bewilligt. In Potsdam erhielten insgesamt acht Schulen Zuwendungen aus dem Förderprogramm, darunter auch die Käthe-Kollwitz-Oberschule, die nun seit dem Jahr 2009 über ein interaktives Whiteboard verfügt.
Die Potsdamer CDU-Fraktion fordert von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) nun auch einen Masterplan über den Einsatz digitaler Medien in den Schulen. Zeitnah sollen die klassischen Lehrformen durch umfassendes IT-gestützes Lernen ergänzt werden, heißt es, um mehr Medienkompetenz zu vermitteln. In der kommenden Stadtverordnetenversammlung Anfang Juni will die CDU den Antrag einbringen, bis Herbst solle eine erste Antwort der Stadt vorliegen.
Die Neue Grundschule ist in Sachen digitales Lernen Vorreiter. Die im vergangenen August eröffnete Schule im Bornstedter Feld besitzt für alle sieben Klassen ein Whiteboard mitsamt Beamer und Kamera. Die Stadt Potsdam hat diese finanziert, auch gibt es für jede Klasse vier Laptops. Die Schule ist damit unter den städtischen Schulen die am besten digital ausgerüstete. „Es ist auch nach fast einem Jahr so, dass die Kinder das Medium sehr faszinierend finden“, sagt die Lehrerin und IT–Beauftragte Sabine Preußer. „Ich glaube, dass den Kindern das Lernen ein Stück weit leichterfällt.“ Schließlich seien sie heute viel vertrauter mit dem Medium als frühere Schülergenerationen. Für die Lehrer sei es eine große Arbeitserleichterung, meint Preußer. Statt aufwändige Tafelbilder selbst zu zeichnen, ließen sich Unterrichtseinheiten mithilfe des Internets entwickeln und an verschiedene Lerngruppen anpassen. Auch wenn die Whiteboards nicht ständig, sondern je nach Bedarf eingesetzt werden – für ihre Kollegen sei es „ganz normal, den Laptop im Klassenzimmer anzuschließen“, sagt Preußer.
Szenenwechsel: Kerstin Wölfert in der 9b der Kollwitzschule zeichnet an das Smartboard Pyramiden und Dreiecke, schreibt Formeln und Gleichungen. Das Wichtigste kennzeichnet sie mit roter Schrift. Die Schüler lernen, wie die Oberfläche eines Dreiecks berechnet wird, was eine Hypotenuse ist oder wie der Satz des Pythagoras geht. Statt Kreide benutzt die Lehrerin einen speziellen Stift, mit dem über Sensoren in der Tafeloberfläche die Schrift entsteht. Das Smartboard darf nicht mit Stiften beschrieben werden, denn dessen Oberfläche ist empfindlich. Ist kein Platz mehr auf der Tafel, öffnet die Lehrerin ein neues Fenster. Am linken Tafelrand sind die im Unterricht erarbeiteten Tafelbilder aufgelistet, die sich mit einem Mausklick oder dem Stift wieder öffnen lassen. Genau darin sieht Wölfert auch den größten Vorteil der neuen Tafeln: „Ich kann meine Tafelbilder speichern und immer wieder darauf zurückgreifen.“
Wie die meisten Lehrer an ihrer Schule arbeitet jedoch auch Lehrerin Wölfert eher sporadisch am interaktiven Whiteboard. „Ein Smartboard für die gesamte Schule ist natürlich viel zu wenig“, erklärt sie. Viele Lehrer hätten nur einmal pro Woche oder gar nur einmal im Monat überhaupt die Möglichkeit, mit der interaktiven Tafel zu unterrichten. Da die Einarbeitung in die neue Technik mitunter sehr zeitintensiv sei, würden viele Lehrkräfte abwägen, ob sich Nutzen und Aufwand tatsächlich lohnen. Das wäre anders, wenn mindestens die Hälfte der Räume mit digitalen Whiteboards ausgestattet wäre, ist Wölfert überzeugt. „Wir wünschen uns viel mehr Smartboards.“
Ihr Kollege Thorsten Oehlschläger nutzt die interaktive Tafel hingegen regelmäßig. Er ist Lehrer für Musik, LER und Informatik. Internetzugang, sämtliche Office-Programme und verschiedenste vorprogrammierte Funktionen für alle Unterrichtsfächer – dies und mehr könnten die modernen Tafeln bieten, erklärt er. „Es wäre schön, wenn es überall welche gäbe, jeder Lehrer sich weiterbildet und die Möglichkeiten auch nutzen kann“, so Oehlschläger. Verbunden mit dem Einbau des digitalen Whiteboards bekam das Lehrerkollegium eine zweistündige Einführung. Eine weitergehende Fortbildung gab es bisher jedoch nicht. Bisher würden daher vor allem technikaffine Lehrkräfte die Whiteboards als Unterrichtsmittel schätzen, so Oehlschläger. „Alle Kollegen müssen da herangeführt und weitergebildet werden“, betont er. Herkömmliche Kreide kommt dem Lehrer inzwischen gar nicht mehr unter die Finger. Es klingt nicht so, als würde er das bedauern.
Kerstin Wölfert hat ihre Unterrichtsstunde inzwischen beendet. Die Berechnung der Höhe einer Pyramidenseite ist nicht ganz zum Abschluss gekommen. Aber das macht ja nichts – in der nächsten Stunde kann sie das Tafelbild wieder abrufen und dort fortfahren, wo sie aufgehört hat.
Heike Kampe
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