zum Hauptinhalt

SERIE ZUR PERSON: „Kunst hängt nicht an Immobilien“ Hinter den Kulissen

Ein Gespräch mit Carsten Hensel über das Atelierhaus Panzerhalle und die Zukunft der Künstler

Stand:

Am heutigen Samstag läuft der Mietvertrag für die 20 Künstler im Atelierhaus Panzerhalle in Groß Glienicke aus. Haben Sie den Umzug schon abgeschlossen?

Nein, der Umzug ist längst nicht abgeschlossen. Hier geht es um den Abbruch und die Verlagerung von professionellen künstlerischen Werkstätten, von Arbeitsplätzen, die in über zwölf Jahren unter hohen Aufwand von den jeweiligen Künstlern eingerichtet worden sind. Wir sprechen hier nicht nur von der Umsetzung einiger Keramikbrennöfen und Staffeleien. Sehr wohl haben wir uns aber seit Eingang der Kündigungen auch um Alternativen gekümmert.

Warum kam es vor sechs Monaten zur Kündigung?

Gekündigt wurden wir ohne Angabe von Gründen. Wir haben natürlich spekuliert und sind da zu der einen oder anderen Vermutung gekommen.

Die da wären?

Anlässlich unseres Ausstellungsprojektes „Planspiel-Nachspiel“ im Herbst 2006 haben wir einen Workshop mit Studenten und ein Symposium mit Landschaftsplanern und Architekten zu möglichen Planungen und Nutzungen des Geländes der Waldsiedlung durchgeführt. Das stieß in der Potsdamer Kulturpolitik auf positive Resonanz. Der Kulturausschuss regte daraufhin an, den Oberbürgermeister zu beauftragen, sich für den Erhalt der Panzerhalle einzusetzen. Hier könnte ein Grund gelegen haben, die erfolgreiche Arbeit der Panzerhalle sich nicht noch weiter verfestigen zu lassen.

Wäre es für sie eine andere Situation gewesen, wenn die Berliner Gemeinnützige Wohnungsbau-Aktiengesellschaft (Gewobag) als Eigentümer Ihnen einen vernünftigen Grund für die Kündigung genannt hätte?

Wir haben immer signalisiert, dass wir bei einem konkreten Kündigungsgrund aufgeschlossen reagieren.

War in den vergangenen Monaten unter diesen Umständen überhaupt an eine künstlerische Arbeit zu denken?

Nein, ich war nahezu ausschließlich damit beschäftigt diesen Kündigungsprozess aufzuhalten, vielleicht auch umkehrbar zu machen. Mittlerweile habe ich mich davon aber verabschieden müssen. Jetzt geht es darum, für die Sache zu arbeiten und einen Teil der Arbeit der Panzerhalle vor Ort zu erhalten. Zumindest hat sich mit dem neuen Vorstand der Gewobag, Hendrik Jellema, die Gesprächsebene erheblich verbessert. Wir reagieren darauf mit einer kooperativen Haltung.

Was heißt das konkret?

Kunst hängt nicht an Immobilien. Es macht keinen Sinn, künstlerische Arbeitsprozesse einem derartigen Immobilienclinch zu opfern. Derzeit finden auf Vermittlung von Birgit-Katharine Seemann (Fachbereichsleiterin für Kultur und Museum, Anm.d.Red.) Erfolg versprechende Gespräche statt, ob ein Umzug auf dem Gelände in die ehemaligen Wald-Oberschule möglich sein könnte.

Wie viele der insgesamt 20 Potsdamer und Berliner Künstler könnten in der Wald-Oberschule unterkommen?

Derzeit gehen wir von acht Künstlern aus.

Gehört die ehemalige Wald-Oberschule auch der Gewobag?

Nein. Es handelt sich um eine Immobilie der Stadt Potsdam unter Verwaltung des Kommunalen Immobilienservice. Die Gewobag hatte vor einigen Wochen signalisiert, dass, wenn zeitnah ernstzunehmende Umzugsoptionen präsentiert werden, einem geordneten Rückzug aus der Panzerhalle zugestimmt würde.

Sie bekommen also eine Frist?

Ja, bis zum 30. September.

Wie würde es in den neuen Räumen weitergehen?

Wir würden zunächst die bisherige Arbeit des Atelierhauses Panzerhalle analysieren und versuchen, die Vereinsarbeit fortzuführen oder ganz neu auszurichten. Wir gehen davon aus, dass wir erst einmal eine einjährige Konsolidierungsphase benötigen.

Würde das neue Projekt weiter unter dem Name Atelierhaus Panzerhalle laufen?

Das müssen wir erst einmal sehen. Natürlich ist das eine gute und lange eingeführte Marke.

Sie sagten, als Künstler hängen Sie nicht an einer Immobilie. Trotzdem haben Sie monatelang regelrecht um den Erhalt des Atelierhauses Panzerhalle gekämpft.

Ich lebe seit zehn Jahren in Groß Glienicke und beobachte die Entwicklung der Waldsiedlung nicht nur aus der Perspektive des Künstlers, der seinen Arbeitsplatz verliert. Die Politik des Denkmalschutzes ist für mich nicht nachvollziebar. Die nicht geschützte Panzerhalle ist ein elementarer Bestandteil des restlichen denkmalgeschützten Ensembles.

Die Panzerhalle soll nach dem Willen der Gewobag abgerissen werden. Also galt ihr Engagement vor allem dem Erhalt als Baudenkmal?

Nein natürlich nicht. Die Panzerhalle bietet hervorragende Möglichkeiten für großflächiges, unkonventionelles, künstlerisches Arbeiten. Künstlerische Nutzung bietet hier sogar optimale Nutzung eines Denkmals.

Seit 1991 gibt es Künstler in der Panzerhalle. Wie fing es damals an?

Ateliers waren in Berlin und Brandenburg schon immer knapp. Nach der Wende sind Berliner Künstler auf das Gelände gekommen und haben in verschiedenen Gebäuden gearbeitet. 1995 wurde dann vom Brandenburgischen Kulturminister Steffen Reiche und Berlins Kultursenator Ulrich Roloff-Mommin die Panzerhalle eröffnet. Die Landes- und Senatsmittel, die in die Instandsetzung des Hauses investiert wurden, wurden über die Mietzahlungen durch die Künstler in den Folgejahren zurückgezahlt.

Es gab schon früh Versuche der Gewobag, eine dauerhafte Nutzung der Panzerhalle zu unterbinden.

Ja, die Zielstellung war leider nie die gewesen, die Panzerhalle mit den Aktivitäten der Künstler in den Bebauungsplan zu integrieren.

Wäre es nicht eine Möglichkeit gewesen, vor Jahren schon durch eine selbst betriebene Sanierung der Panzerhalle beispielsweise durch Fördergelder Tatsachen zu schaffen und dadurch die Gewobag zu einem Einlenken zu zwingen?

Vieles wäre denkbar gewesen. Die meisten Optionen wurden schlicht durch die Perspektivlosigkeit und das politische Niemandsland in dem die Halle steht, im Keim erstickt. Direkt gelegen am ehemaligen Grenzstreifen zwischen Ost und West und der jetzigen Landesgrenze ist das Schicksal der Halle auch ein tragisches Beispiel für die Probleme der Einigungspolitik zwischen Berlin und Brandenburg. Die Panzerhalle fällt auch aus diesem Grund.

Wofür steht die Groß Glienicker Panzerhalle?

Die Panzerhalle steht für die Verbindung von künstlerischer Produktion und Präsentation. Hier genießt sie auch über Potsdam hinaus ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Das Atelierhaus bietet Arbeitsmöglichkeiten für alle Disziplinen zeitgenössischer Kunst und dabei hervorragende Bedingungen für die Bildhauerei.

Eine Besonderheit des Atelierhauses Panzerhalle ist die Verbindung von Ateliers und eine Ausstellungshalle. Welche Ausstellungen haben die Künstler in den vergangenen Jahren betrieben?

Thematisch haben wir uns immer mit der Situation hier vor Ort auseinandergesetzt und diese Fragestellungen auch auf die Jahresthemen von Stadt und Land bezogen. Das Europa-Projekt „BlueHall“ markierte hierbei im Jahr 2003 einen Qualitätssprung bezüglich unserer Internationalität, die wir in den Folgejahren auf der Basis dieses Projekts in der Zusammenarbeit mit internationalen Gästen weiter verstetigt haben.

Wie hat sich die Panzerhalle finanziert?

Die Panzerhalle lebte immer von dem hohen Engagement der Künstler. Die Ausstellungsprojekte wurden immer vom brandenburgischen Kulturministerium, der Stadt Potsdam, durch den Ortsteil Groß Glienicke und einige private Sponsoren unterstützt.

Alle Zeichen deuten darauf hin, dass nach Ihrem Auszug die Panzerhalle abgerissen wird. Mal ganz ehrlich, ist es nicht vielleicht sogar sinnvoll ein altes und so stark sanierungsbedürftiges Militärgebäude abzureißen?

Militärgebäude sind gemessen an ihren Funktionen restlos überflüssig. Wenn es aber darum geht, sich mit Gesellschaften und deren Geschichte auseinanderzusetzen und an Vergangenheiten zu erinnern, können Architekturen intensive, weil anfassbare Zugänge zur Geschichte ermöglichen und für die Nachwelt erlebbar machen.

Das Gespräch führte Dirk Becker

HEUTE

Panzerhalle

Was auf Potsdams

Bühnen geschieht, kann jeder sehen. Was hinter den Kulturkulissen passiert, danach fragen wir im Gespräch – in loser Folge in den PNN.

Carsten Hensel wurde 1958 geboren und lebt seit dem Jahr 1996 im Potsdamer Ortsteil Groß Glienicke.

Carsten Hensel hat in Braunschweig und an der Hochschule der Künste in Berlin Malerei, Film, Performance, Architektur und Erziehungswissenschaften studiert.

Seit drei Jahren arbeitet Hensel im Vorstand des Brandenburgischen Kunstvereins Potsdam e.V. und seit 2005 im Förderverein Atelierhaus Panzerhalle e.V. und ist dort seit Dezember Sprecher und Koordinator im Konflikt um die Kündigungen der Panzerhalle.

Hensel arbeitet derzeit als Dozent für Gestaltung am Sozialpädagogischen Institut Berlin.

Carsten Hensel hatte als Installations- und Performancekünstler schon zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })