Von Jana Haase und Sabine Schicketanz: Leinwand in Flammen
Er brennt fürs Kino wie kein anderer: Heute Abend feiert Tarantinos „Inglourious Basterds“ Weltpremiere in Cannes
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Babelsberg/Cannes - Babelsberg, ausgerechnet. Dass in der Wahl der großen deutschen Traditionsstudios für den Dreh der Weltkriegsfarce „Inglourious Basterds“ eine gewisse Ironie liegt, dämmerte dem Team um Kultregisseur Quentin Tarantino wohl schon während der Filmarbeiten im vergangenen Herbst. „Wir drehen am selben Ort, wo Goebbels seine Filme machte“, gab Tarantinos langjähriger Produzent Lawrence Bender zu Protokoll und redete von der „abgedrehten, interessanten Energie“ der Babelsberger Marlene-Dietrich-Halle. Tarantino freilich ist zuzutrauen, dass er von Anfang an mit dieser Energie des Ortes gerechnet hat. Dann wäre er allerdings wirklich ein gerissener Hund – ein „Inglourious Basterd“.
Heute Abend feiert der von Studio Babelsberg koproduzierte Streifen mit Brad Pitt, Diane Krüger und Til Schweiger Weltpremiere auf dem internationalen Filmfestival in Cannes – dem Festival, so hat es Tarantino kürzlich gesagt, das ihm mehr bedeutet als die „Oscars“ – jedenfalls „wenn Du einen Film gemacht hast, auf den Du stolz bist, über den Du wahrscheinlich definiert werden wirst“. Und nichts weniger erhofft sich Tarantino offenbar mit den „Inglourious Basterds“.
Es ist ein Film, der im Rausch entstanden sein muss: Vor weniger als einem Jahr erst, am 2. Juli 2008, beendete der Regisseur das Drehbuch. Der Stoff, berichten seine Gefährten, hatte ihn zuvor allerdings schon Jahre beschäftigt.
Wie Studio Babelsberg es geschafft hat, den Oscar-prämierten Regisseur nach Potsdam zu locken, werden die Studio-Chefs oft gefragt. Überzeugt hat den Querdenker Tarantino vor allem die Geschichte des Studios. Fritz Lang, Josef von Sternberg, Emil Jannings, Georg Wilhelm Pabst – er kennt sie alle. Deshalb bekamen die Babelsberger den Streifen in Hollywood nahezu frei Haus geliefert. Tarantino drehe einen neuen Film, er solle in Cannes laufen, gesucht würden Produzenten und ein Drehort, hieß es. Da zu diesem Zeitpunkt weder Drehbuch noch Besetzung und Finanzierung feststanden, waren die Studio-Chefs zunächst skeptisch.
Doch einem Quentin Tarantino gelingt es offenbar, in nur wenigen Stunden einen Film zu organisieren: Parallel zur Arbeit am Drehbuch, per Hand, in Druckschrift, unterstützt von Historikern und Uniform-Experten, überzeugte Tarantino den Hollywood-Megastar Brad Pitt, die Hauptrolle zu übernehmen.
Aber der Kult-Regisseur suchte sich seine Crew nicht nur in Hollywood: Mit Diane Krüger als Nazi-Leinwandstar und britische Spionin, Til Schweiger als „Basterd“ und Daniel Brühl als aufstrebendem Schauspieler besetzte er gleich mehrere Hauptrollen deutsch, auch britische und französische Darsteller standen vor der Kamera – und jeder spricht in seiner eigenen Sprache. Es ist ein Konzept, das Henning Molfenter, der Chef der Studio Babelsberg Motion Pictures, als „bahnbrechend“ bezeichnet: „Es ist ein neuer Schritt in Richtung internationales Kino und ich glaube, das wird weithin anerkannt werden“, sagt der Wahlpotsdamer.
Im Hochsommer kam Tarantino in Babelsberg an – und schwor sein Team mit wöchentlichen Kino-Vorführungen auf den Film ein. Dazu musste eigens ein älterer Projektor in den Kinosaal des fx.Centers geschafft und die Tarantino-Filmsammlung aus Hollywood eingeflogen werden: 60er-Jahre-Spaghetti-Western etwa von Enzo G. Castellari, von dem sich Tarantino den Titel des neuen Film geliehen hat. Ob Til Schweiger oder Daniel Brühl – zu den „Vorbereitungsabenden“ inklusive Vortrag des Regisseurs, erschienen alle Stars ohne Murren. Was folgte, war kein gewöhnlicher Kinoabend: Tarantino blühte förmlich auf, konnte mitten im Film leidenschaftlich brüllen, wenn ihm eine Einstellung besonders gut gefiel.
Der Kult-Regisseur ist eben ein Mensch, der fürs Filmemachen brennt, das geht aus vielen Berichten von Beteiligten hervor. Beim viermonatigen Dreh versteht er es, die Crew immer wieder zu Höchstleistungen zu motivieren – und das ist in der Kürze der Zeit auch nötig. Anders als andere Regisseure dreht er den Film chronologisch, arbeitet sich Szene für Szene auf das Ende zu. Unterwegs bekommt er neue Ideen, schmeißt das Drehbuch fast komplett um.
Am Ende des 148-Minuten-Streifens steht die Leinwand buchstäblich in Flammen: 140 Stuntmen simulieren Massenpanik auf einem Feuerset, wie es der Potsdamer Ralf Haeger, der die Stunts bei „Inglourious Basterds“ gemeinsam mit seiner Geschäftspartnerin Angie Rau koordinierte, in seiner 25-jährigen Karriere noch nicht gesehen hat. „Es waren heftige Szenen“, berichtet er von dem Dreh in einer stillgelegten Zementfabrik: „Zum Glück ist nichts passiert.“
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