Von Alexander Fröhlich: Mangelerscheinung im Tannental?
Brandenburg baut seine Kiefernwälder zu Mischwäldern um – ist die Versorgung mit Christbäumen bedroht?
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Chorin - In Brandenburgs Landeswäldern kann man sich wieder seinen Weihnachtsbaum selbst aussuchen. Nachdem Agrarminister Dietmar Woidke am Freitag in Chorin (Barnim) die Saison zum Selbstschlagen von Christbäumen eröffnete, blieb nur die Frage: Gibt es genügend davon? Denn in den vergangenen Tagen kam die Nachricht: „Dem waldreichen Brandenburg gehen die Weihnachtsbäume aus.“
Ganz so dramatisch ist es wohl aber nicht. Während im vergangenen Jahr rund 30000 Kiefern, Tannen oder Douglasien aus den märkischen Forsten die festlichen Stuben schmückten, sind es in diesem Jahr 20 000. Thilo Noack, Referent für Holzvermarktung im brandenburgischen Agrarministerium, sagt: „Wir befinden uns in einem Tal.“ Zwar: Kein Grund zur Panik. Aber: Bedenklich sei der Einbruch allemal.
Tatsächlich gebe es angesichts des sinkenden Angebots und sinkender Nachfrage weniger Termine zum Selbstschlagen, heißt es aus der Forstverwaltung und dem Agrarministerium. „Doch ein Baum findet sich immer“, sagt Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade.
Die Warnmeldung über einen Baummangel offenbart einen Streit innerhalb des Ministeriums über die zukünftige Bewirtschaftung der Landesforsten. Experten wie Noack machen das Waldumbau-Programm des Ministeriums für den Rückgang des Angebots verantwortlich, das räumt selbst Agrarminister Woidke ein. Denn reine Plantagen wie zu DDR-Zeiten für die ungeliebte „Krüppel-Kiefer“ gibt es in den märkischen Forsten nicht mehr. Weihnachtsbäume werden aus „Naturverjüngung“ gewonnen und nicht eigens in den Lndeswäldern gezogen. „Waldwirtschaft – aber natürlich“ lautet die Kampagne des Landes, das gilt auch für Christbäume.
Mit dem Umbauprogramm macht das Land Schluss mit Kahlschlagwirtschaft und Monokulturen der früheren DDR. Der Wald soll sich durch Selbstaussaat natürlich verjüngen. Aus reinen Kiefernwäldern – derzeit hat dieser Baum einen Anteil von 74 Prozent am Waldbestand – sollen zunehmend Mischwälder werden. Damit soll die Waldbrandgefahr eindämmt, der Grundwasserhaushalt besser reguliert, aber auch der zunehmende Schädlingsbefall infolge der Klimaerwärmung eingedämmt werden. Ein Drittel Brandenburgs – 1,1 Millionen Hektar – ist bewaldet, aber mit 270 000 Hektar gehört nur ein Viertel davon dem Land.
Noack sagt: „Die Bevölkerung beschimpft uns, dass wir keine Weihnachtsbäume anbieten, andererseits wollen sie naturnahen Wald.“ Dass Problem werde sich noch verschärfen, weil der Bedarf an Holz weiter steige – für Biomasse und die Holzwirtschaft, laut Noack immerhin der zweitwichtigste Industriezweig in Brandenburg mit vielen Arbeitsplätzen. Indirekt plädiert er für eine Wiederaufnahme der industriellen Waldwirtschaft.
Wer einen Nadelbaum für die Stube selbst fällen will, müsse sich keineswegs Sorgen machen, besänftigt Forstsprecher Christian Naffin. Zahlreiche private Waldbesitzer mit Plantagen stiegen in das Geschäft ein. „Deswegen wird der märkische Weihnachtsbaum auch nicht ganz aussterben.“ Ministeriumssprecher Schade betont: „Weihnachtsbäume sind neben Wildfleisch das Ökoprodukt Nummer eins aus Brandenburg.“ Das Angebot an Bäumen werde auch wieder steigen. Mit der geplanten Umwandlung der Forst in einen Landesbetrieb zum Jahr 2010 würden die heutigen Forstämter neue Geschäftsfelder erschließen müssen, etwa mit der Anpflanzung von Weihnachtsbäumen unter Hochspannungsleitungen und dem Verkauf von Reisig.
Die gute Nachricht der Landesforst lautet zudem: Die Preise steigen nur geringfügig. In diesem Jahr müssen pro laufendem Meter Kiefer oder Schwarzkiefer 4,50 bis 6,50 Euro gezahlt werden, für Fichte oder Douglasie sind es 6 bis 7,50 Euro, für Stechfichte oder Küstentanne 7 bis 8 Euro. Vor Jahresfrist lag Preisspanne noch bei 4,50 bis 6,50 Euro.
Kommerzielle Anbaubetriebe verzeichnen hingegen einen Anstieg von bis zu zehn Prozent. Laut Schutzgemeinschaft Deutscher Wald kostet eine Nordmanntanne zwischen 20 und 30 Euro pro Meter, es ist der beliebteste Christbaum und wird auf Plantagen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Dänemark angebaut.
Vorerst können Brandenburger und Berliner bei 200 Terminen an 43 Orten ihre Weihnachtsbäume unter Anleitung des Försters einschlagen. Oft gibt es Angebote wie Lagerfeuer, heiße Getränke sowie den Verkauf von Wildfleisch., Kamin- und Brennholz.
Die meisten aber, das ist unstrittig, besorgen sich ihren Christbaum bei privaten Händlern – und dort ist der Baum dann schön gerade und ohne Makel wie die Nordmanntanne. „Beim Selbstschlagen steht das Naturerlebnis, der vorweihnachtliche Ausflug in den Wald mit Glühwein und heißen Würstchen im Vordergrund“, so Ministeriumssprecher Schade. „Da muss nicht jeder Ast immer gerade sein.“
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