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GEIGER-PREIS AUS POTSDAM FÜR BUNDESKANZLERIN MERKEL: Merkel: Werde Sorge vor Antisemitismus immer ernst nehmen
Merkel erhält Potsdamer Abraham-Geiger-Preis für Verdienste um Judentum
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Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der jüdischen Gemeinde in der Flüchtlingskrise ihr Gehör zugesichert. Sie müssten sich wahrlich nicht immer darin einig sein, welche Maßnahmen in der Flüchtlingsfrage richtig seien. „Aber ich werde es immer ernst nehmen, wenn Sie Ihre Sorgen vor Antisemitismus zum Ausdruck bringen“, sagte Merkel am Mittwochabend in Berlin, wo ihr der Abraham-Geiger-Preis für Verdienste um das Judentum verliehen wurde. Der Preis wurde ihre von dem Rabbiner-Kolleg der Universität Potsdam verliehen.
Mitglieder der jüdischen Gemeinden hatten zuletzt Bedenken geäußert, mit dem Zuzug von Flüchtlingen aus arabischen Ländern könnte der Antisemitismus in Deutschland zunehmen. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte bei der Verleihung noch einmal, in den jüdischen Gemeinden gebe es die - aus seiner Sicht berechtigte - Sorge, die Flüchtlinge könnten die Judenfeindlichkeit mitbringen, die in ihren Heimatländern zum Alltag gehöre.
Die Auszeichnung für die Kanzlerin wurde vom Abraham-Geiger-Kolleg der Universität Potsdam vergeben. Das Kolleg ist nach eigenen Angaben die erste akademische Ausbildungsstätte für Rabbiner und Kantoren in Deutschland seit dem Holocaust. Die Jury bezeichnete Merkel als „Garantin der Freiheit der Religionen in der modernen Gesellschaft“. In Zeiten „des zunehmenden Antisemitismus in Deutschland und Europa“ sei ihre „unverbrüchliche Solidarität Rückgrat des Vertrauens für die jüdische Gemeinschaft“, hieß es in der Begründung.
Es sei eigentlich ein Wunder, dass es in Anbetracht der deutschen Geschichte wieder ein so vielfältiges und reiches jüdisches Leben in Deutschland gebe, gab Merkel zu bedenken. Auch alle Asylsuchenden, die nach Deutschland kämen und blieben, müssten die deutschen Rechte und Werte anerkennen, darunter auch „die Absage an jede Form von Antisemitismus“. Zugleich räumte die Kanzlerin ein, dass die Integration keine einfache Aufgabe sei. „Integration braucht Zeit und Geduld.“ Sie biete aber zugleich eine große Chance und sei an sich nichts Negatives, so Merkel weiter. „Ja, unser Land wird sich verändern.“ Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bedankte sich bei der Unterstützung und dem Rückhalt der Kanzlerin. „Sie lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie die besondere Verantwortung Deutschlands für Israel sehr ernst nehmen.“ Zugleich bekräftigte Schuster angesichts der hohen Zahl an Flüchtlingen und einer Debatte um eine Obergrenze, dass es „zum jüdischen Selbstverständnis Menschen in Not zu helfen und ihnen Schutz zu gewähren“.
Der Direktor des Jüdischen Museums Berlin, Peter Schäfer, hob angesichts der „brennenden Aktualität“ die Bedeutung der Grundwerte wie Pluralismus, Offenheit, Mut und Toleranz hervor. Diese Werte vertrete die Kanzlerin und habe sich darum verdient gemacht. „Sie haben ihre Stimme erhoben und erheben sie weiterhin.“ Unter den Gästen waren neben Botschaftern, Politikern und Vertretern aus Kultur und Gesellschaft auch zahlreiche Vertreter der christlichen Kirchen, darunter der Apostolische Nuntius in Deutschland, Nikola Eterovic, sowie Vertreter muslimischer Verbände.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, fühlt sich bei seiner Aussage zu einer möglichen Flüchtlings-Obergrenze missverstanden. „Denn es gehört zum jüdischen Selbstverständnis, Menschen in Not zu helfen und ihnen Schutz zu gewähren“, bekräftigte Schuster am Mittwochabend bei der Verleihung des Abraham-Geiger-Preises. Ihm sei es in dem Interview besonders um den Gedanken gegangen, dass die Flüchtlinge auch in die Gesellschaft integriert werden müssten, erklärte Schuster. Es bestehe jedoch in jüdischen Gemeinden die „begründete Sorge“, dass der Antisemitismus, der in einigen Heimatländern der Flüchtlinge Alltag sei, auch nach Deutschland mitgebracht werde, wenn die Integration aufgrund einer zu hohen Zahl an Flüchtlingen nicht gelinge. „Deshalb sollte unser Ziel eine europäische Lösung sein“, so der Zentralratspräsident.
In einem Interview der „Welt“ hatte Schuster jüngst gesagt: „Über kurz oder lang werden wir um Obergrenzen nicht herumkommen.“ Dafür erntete der Zentralrats-Präsident Kritik. Im selben Interview verwies er auf die Herausforderungen bei der Integration besonders von Neuankömmlingen aus dem Nahen Osten. Viele Flüchtlinge entstammten Kulturen, „in denen der Hass auf Juden und die Intoleranz ein fester Bestandteil ist“. dpa/KNA/Kix
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